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“Krieg ist der Mord auf Kommando”

Von Michael Schmid

Krieg_ist_Mord.jpgDer den Satz der Überschrift sagte weilt schon lange nicht mehr unter den Lebenden. Rudolf Großmann alias Pierre Ramus, 1882 in Wien geboren, ist 1942 auf der Flucht vor den Nazi-Schergen auf der Überfahrt in das neue Exilland Mexico gestorben. Dazwischen lag ein engagiertes Leben als Journalist, Schriftsteller und Redner. Besonders hervorzuheben sind sein antimilitaristisches Engagement und sein Eintreten für eine freie antiautoritäre Erziehung sowie für eine genossenschaftliche Ökonomie. Die Ideen und Gedanken von Pierre Ramus lassen sich wieder entdecken in der gerade von Beatrix Müller-Kampel herausgegebenen Sammlung historischer Texte zum Thema Friedenskonzepte. Ramus’ Satz “Krieg ist der Mord auf Kommando” hat dem Buch seinen Titel gegeben. In diesem steht Ramus exemplarisch für die anarchistische Konzeption, die im Staat die entscheidende Kriegsursache erkannte und zur Verweigerung und schließlich Revolution gegen den Krieg aufrief.

Die andere Tradition im Kampf gegen den Krieg, die pazifistische, setzte darauf, dass durch zunehmende Rationalität auch die zwischenstaatlichen Beziehungen zivilisiert würden. In Müller-Kampels Buch “Krieg ist der Mord auf Kommando” wird diese Strömung insbesondere an der Person Bertha von Suttner (1843 - 1914) aufgezeigt. Ihr Leben wird beschrieben als das einer Frau, die als Europäerin aufgewachsen ist, als es noch kein Europa in heutiger Gestalt gab.

Von Suttners ca. 30 Romanen ist einer weltbekannt geworden: “Die Waffen nieder!”. 1889 in einer Erstauflage von 1000 Exemplaren gedruckt, ging der Roman bis 1914 ins unglaubliche 210. Tausend und wurde in schneller Folge in alle europäischen Sprachen übersetzt. Vor dem Hintergrund dieses Erfolgs arbeitete Bertha von Suttner rastlos an der Popularisierung der Friedensidee in Europa und USA, gründete 1891 in Wien die Österreichische Gesellschaft der Friedensfreunde, 1892 die Deutsche Friedensgesellschaft. Bertha von Suttner wurde vor 100 Jahren der Friedensnobelpreis verliehen.

Das von Beatrix Müller-Kampel herausgegebene Buch gliedert sich in zwei Teile. Der erste besteht in einer ausführlichen Einleitung der Herausgeberin, in der sie Bertha von Suttner und Pierre Ramus mit ihren jeweiligen Ansätzen ausführlich dar- und einander gegenüber stellt. Zudem macht sie jeweils kurze biografische Einführungen zu Suttner und Ramus. Insgesamt eine interessante Abhandlung. Allerdings hätte der Verzicht auf ein paar nicht gerade allzu geläufige Fremdworte die ansonsten gute Lesbarkeit noch gesteigert.

Der zweite Teil des Buches besteht aus einer Sammlung von Texten, Pamphleten und Programmen. Es beginnt mit Auszügen aus der Bergpredigt des Jesus von Nazareth, führt über Artikel von Bertha von Suttner, Alfred H. Fried, Romain Rolland, Stefan Zweig, Erich Mühsam, Petr Kropotkin, Lev Tolstoj, Friedrich Schütz bis zu Pierre Ramus und Olga Misar. Die Sammlung wird abgeschlossen durch die Erklärung der Internationale der Kriegsdienstgegner (1921/1925) und das Internationales Manifest gegen die Wehrpflicht (1925).

Ohne dass uns dies immer bewusst wäre, wirken beide Ansätze bis heute fort - der pazifistische ebenso wie der antimilitaristische. Es wäre auch heute spannend, bei unserer Friedensarbeit öfter darüber nachzudenken, wie sinnvoll oder eben nicht sinnvoll es ist, sich mit seinem Engagement auf den Staat und die Regierungspolitik zu beziehen.

Und es kann heute durchaus ermutigend sein zu sehen, dass sich auch vor 100 und mehr Jahren Menschen für die Sache des Friedens engagiert haben. Wie stellt der Verlag treffend fest: “Die prinzipielle Kritik des Krieges braucht die Erinnerung an pazifistische und antimilitaristische Traditionen, die aufs Ganze gingen. Deren Stärken, aber auch Grenzen neu zu diskutieren, ist aktuell notwendig, damit gegen den Mord auf Kommando mobil gemacht wird.”

Mord? Es ist interessant, dass der Satz “Der Krieg ist der Mord auf Kommando” Pierre Ramus im Gegensatz zu anderen Erfahrungen in der späteren Bundesrepublik Deutschland keine behördliche Verfolgung einbrachte. Selbst Papst Benedikt XV. hatte 1915 den Krieg eine “grauenhafte Schlächterei” und ein “entehrendes Gemetzel” genannt. Wird der jetzige Papst ebenso deutliche Worte gegen den Krieg und die Rüstung finden, wie sein namengebender Vorgänger? Kurt Tucholsky hat dann 1931 in der Weltbühne persönlich unbehelligt formuliert: “Da gab es vier Jahre lang ganze Quadratmeilen Landes, auf denen war der Mord obligatorisch, während er eine halbe Stunde davon entfernt ebenso streng verboten war. Sagte ich: Mord? Natürlich Mord. Soldaten sind Mörder.” Ein Satz, der auch in der Gegenwart bedenkenswert ist. Allerdings konnte es in den vergangenen Jahrzehnten durchaus strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen, wenn er öffentlich ausgesprochen wurde.

Das von Beatrix Müller-Kampel im Verlag Graswurzelrevolution herausgegebene Buch ist insgesamt eine interessante Publikation, die zum Nachdenken und zur Diskussion anregen kann. Und mit seiner Erinnerung an engagierte Menschen früherer Zeiten kann es dazu beitragen, dass wir selber langfristig werden in unseren Lebensvisionen. Sich auf eine Tradition zu beziehen kann heißen, an die Stelle der Toten zu treten, um ihre Aufgaben zu übernehmen, aber auch um einzutreten in ihren Lebensmut, in ihre Lebenshoffnungen, in ihr Lebensgelingen. Auch dafür kann das Buch nutzbringend sein.

Beatrix Müller-Kampel (Hg.): “Krieg ist der Mord auf Kommando”. Bürgerliche und anarchistische Friedenskonzepte. Bertha von Suttner und Pierre Ramus. Mit Dokumenten von Lev Tolstoj, Petr Kropotkin, Erich Mühsam, Stefan Zweig, Romain Rolland, Alfred H. Fried, Olga Misar u. a. Nettersheim: Verlag Graswurzelrevolution 2005. ISBN 3-9806353-7-6. 288 Seiten, 17,80 EUR.

>> Beatrix Müller-Kampel (Hg.): “Krieg ist der Mord auf Kommando” Verlag Graswurzelrevolution.

Veröffentlicht am

15. Juni 2005

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