Lebenshaus Schwäbische Alb - Gemeinschaft für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Ökologie e.V.

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Bei der Renovierung am baufällig gewordenen “Haus der Welt” mitmachen

Von Michael Schmid (dieser Beitrag wird ebenfalls veröffentlicht in: Rundbrief Lebenshaus Schwäbische Alb e.V. Nr. 40, März 2004)

Geht es Ihnen auch so, liebe Leserin, lieber Leser, dass Sie sich ab und zu erschrocken dabei ertappen, wie relativ tolerant Sie gegenüber Meldungen wie den folgenden sind: Seit Ende des Kalten Krieges starben etwa 270 Millionen Menschen an armutsbedingten Ursachen - zwei Drittel von ihnen Kinder unter fünf Jahren. Jährlich kommen 18 Millionen Menschen hinzu, ein Drittel aller Todesfälle. Knapp die Hälfte aller Menschen lebt unterhalb der Armutsgrenze von zwei Dollar pro Tag. Rund ein Fünftel der Menschheit lebt durchschnittlich 30 Prozent unterhalb der Armutsgrenze von einem Dollar pro Tag. 800 Millionen Menschen sind chronisch unterernährt, eine Milliarde verfügt nicht über sauberes Trinkwasser. 880 Millionen müssen ohne jede Gesundheitsfürsorge auskommen. Zwei Milliarden Menschen haben keinen elektrischen Strom, eine Milliarde ist obdachlos. Unter solchen Bedingungen kann man beileibe nicht menschenwürdig leben, vielfach eben nicht einmal überleben.

Darf man mit solchen schlechten Nachrichten einen Artikel beginnen? Hören nicht die meisten ganz schnell auf mit dem Weiterlesen? Kann sein! Ich hoffe es allerdings nicht. Denn das größte Verbrechen gegen die Menschlichkeit findet heute mit dieser Weltarmut statt. Wir wirken mit und schauen weg!? Soviel Toleranz gegenüber dem Elend anderer ist unmoralisch.

“Ordnung der Wölfe” zerreißt soziale wie ökologische Dämme

Wir wirken mit! Wir reichen Staaten haben die Welt gemäß unseren Interessen eingerichtet und es ist gar keine Frage, dass die heutige Armut durch eine gerechtere Weltordnung vermeidbar wäre. Wir tragen also zur Weltarmut nicht nur passiv bei, indem wir die angemessene Hilfe verweigern, sondern aktiv: Indem wir eine ungerechte Weltordnung aufrechterhalten, die das unvorstellbare Elend der armen Hälfte der Menschheit erzeugt. Sind wir wirklich so tolerant?

Gleichwohl trifft nicht jede und jeden in den reichen Ländern diese Verantwortung in gleichem Maße. Auch in unseren Gesellschaften nimmt Armut zu. Momentan droht aufgrund der globalen neoliberalen Wirtschaft das soziale Netz zu zerreißen, die Kluft zwischen Reich und Arm tiefer zu werden. Von einem der Gründungsväter der neoliberalen Wirtschaft, dem US-Amerikaner Milton Friedman, stammt der Satz: “The business of business is business.” Das meint: “Der Unternehmer oder die Unternehmerin ist nur dazu da, den Unternehmenswert zu maximieren und zwar mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln.” Die nicht gerade als links bekannte Wochenzeitung “Die Zeit” hat diese aus dem Neoliberalismus erwachsende Ordnung eine “Ordnung der Wölfe” genannt.

Wer in diesen Markt nichts einzubringen hat, bleibt außen vor und droht unter die Räder zu kommen. Und das sind zunehmend mehr Menschen. Wenn die soziale Marktwirtschaft so etwas wie einen sozialen Damm gegen das Ertrinken von Menschen darstellte, so ist dieser Damm durch dieses neoliberale Hochwasser in größter Gefahr zu zerreißen.

Gleichzeitig steht der ökologische Damm in Gefahr zu bersten. In einer aktuell bekannt gewordenen aufrüttelnden Studie warnt das Pentagon, dass der Klimawandel viel größere Gefahren bereits für die nahe Zukunft birgt als der Terrorismus. Und dieser ökologische Damm ist für die nächsten Generationen noch bedeutsamer als heute. Der Schriftsteller Carl Amery sagt: “Die am meist ausgebeuteten Menschen unserer Gesellschaft sind die nächsten und übernächsten Generationen. Wir schmeißen ihnen den Dreck vor die Tür und sie müssen einmal schauen, wie sie diesen wieder wegbringen.”

Wir leben also in unserem Wohlstand auf Kosten der heutigen Armen sowie auf Kosten der nächsten Generationen. Wir haben aber eine Verantwortung für die Menschen in unserer Welt von heute, die leiden. Und wir haben auch eine Verantwortung dafür, dass die Menschen der nächsten Generation gut und würdig leben können.

Wenn “Das Haus der Welt” überleben soll

Martin Luther King hat 1967 einen Artikel “Das Haus der Welt” geschrieben. Er meint, das sei das große neue Problem der Menschheit: Wir hätten ein großes “Haus der Welt”, in dem wir zusammen leben müssen - Schwarze und Weiße, Morgenländer und Abendländer, Juden und Nichtjuden, Katholiken und Protestanten, Moslems und Hindus - eine Familie, die in Ideen, Kultur und Interessen zu Unrecht getrennt sei, die, weil wir niemals wieder getrennt leben könnten, irgendwie lernen müsse, in Frieden miteinander auszukommen. Als Ergebnis der modernen wissenschaftlichen und technologischen Revolution sei eine weltweite Nachbarschaft entstanden. King schloss schon vor fast 40 Jahren daraus: “Jede Gesellschaft hat ihre Beschützer des Status quo und ihre Bruderschaften der Gleichgültigkeit, die dafür bekannt sind, Revolutionen zu verschlafen. Aber heute hängt unser Überleben selbst von unserer Fähigkeit ab, wach zu bleiben, uns neuen Ideen anzupassen, wachsam zu sein und uns der Aufforderung zum Wandel zu stellen. Das große Haus, in dem wir leben, verlangt, dass wir diese weltweite Nachbarschaft in eine weltweite Geschwisterlichkeit verwandeln. Gemeinsam müssen wir lernen, als Geschwister zu leben, oder wir werden gemeinsam gezwungen sein, als Toren zu sterben.”

Die ernsthaftesten Probleme, die gelöst werden müssen, wenn wir in unserem Welthaus überhaupt überleben und gar noch schöpferisch leben wollen, sah King in den drei Übeln Rassismus, Armut und Krieg. Und der Kampf gegen diese drei Übel ist noch immer so aktuell wir vor 40 Jahren. Allen die in diesem baufällig gewordenen Weltenhaus wohnen, kann die Renovierung nicht gleichgültig sein. Alle sind aufgerufen, ihren Beitrag zu leisten. Auch die nächsten Generationen sollen in diesem Haus noch wohnen können.

Wir können die Welt positiv verändern

Wir tendieren leicht dazu, uns gegenüber diesen großen Problemen ohnmächtig zu fühlen, zu resignieren. Um die notwendige Kraft zur Umkehr zu bekommen, ist es für gläubige Menschen wichtig zu beten, zu meditieren, sich eine spirituelle Kraftquelle zu erschließen und lebendig zu halten. Das ist das eine. Das andere ist aber unser Handeln. Unser Handeln kann vor allem darin bestehen, selbst bewusst zu leben und eine stärkere Sensibilität für eine nachhaltige Ökologie zu entwickeln. Unser Handeln kann aber auch darin bestehen, Widerstand zu leisten und uns zu solidarisieren mit allen, die für eine menschen- und naturgerechte Wirtschaft eintreten. Unser Handeln kann darin bestehen, uns gewaltfrei für die Entfaltung einer Kultur des Friedens einzusetzen, um Gewalt und Krieg überwinden zu helfen. Wenn viele kleine Menschen viele kleine Schritte machen, dann wird sich die Welt verändern und dann werden sie unsere Welt positiv verändern.

Von dem italienischen Atheisten und ehemaligen Kommunisten Luigi Pintor stammt der Satz: “Es gibt im Leben nichts Wichtigeres zu tun, als dich zu bücken, damit ein kraftlos am Boden Liegender deinen Hals umfassen kann und wieder hochkommt, wenn du dich aufrichtest.”

So kann es auch für uns sein. Indem wir uns aufrichten, können sich andere aufrichten und sich wieder oder überhaupt zum ersten Mal auf ihren Weg machen. Deshalb ist das Ermutigen und Stärken anderer Menschen eine wichtige, vielleicht sogar die stärkste aller Lebensaufgaben, der wir uns stellen können.

Ich bin dankbar dafür, dass uns mit dem Lebenshaus die Möglichkeit gegeben ist, manche Menschen dabei zu unterstützen und zu begleiten, sich wieder aufrichten zu können. Das ist eine wichtige und schöne Aufgabe. Gleichzeitig können und dürfen wir uns mit diesem kleinen Projekt an den weltweiten Protest-, Such- und Aufbruchbewegungen beteiligen, um am Bau einer weltweit gerechten, solidarischen, friedvollen und ökologisch verantwortbaren Gesellschaft mitzuarbeiten. Auch in diesem Zusammenhang bin dankbar über den großen Kreis von Menschen, welche dieses Projekt mit ihren guten Wünschen und durch ihre finanzielle Unterstützung begleiten und fördern und so das Engagement ermöglichen.

Kontakt: Lebenshaus Schwäbische Alb - Gemeinschaft für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Ökologie e.V., Bubenhofenstr. 3, 72501 Gammertingen, Tel. 07574-2862, Fax 07574-91110, E-Mail info@lebenshaus-alb.de , Internet www.lebenshaus-alb.de

Veröffentlicht am

08. März 2004

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