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Wird China 100 Atomkraftwerke bauen?

Von Franz Alt

Warum will China unbedingt die Hanauer Atomfabrik von Siemens? Weshalb spielt Gerhard Schröder bei diesem Geschäft den billigen Jakob und warum schweigen die grünen Bundesminister zu diesem Deal? Und welches Interesse hat Siemens daran, eine Mox-Brennelemente-Fabrik, deren Bau 700 Millionen Euro gekostet hat, für 50 Millionen zu verscherbeln?

Am einfachsten ist die Antwort bei Gerhard Schröder. Er hat sich wohl am wenigsten dabei gedacht - außer: Wenn dadurch die deutsche Wirtschaft langfristig ins große Chinageschäft einsteigt, dann soll eine kleine Exportgenehmigung dabei gerne den Türöffner spielen. Und die Grünen sind in der Bundesregierung einfach zu hasenfüßig, um auf die große Chance der Erneuerbaren Energien für Chinas künftige Energieversorgung aufmerksam zu machen. Auch die Grünen übersehen, dass China inzwischen weltweit führend ist bei der Produktion von Sonnenkollektoren. Allein im Jahr 2002 wurden auf Chinas Dächern 10 Millionen Quadratmeter Sonnenkollektoren installiert - in Deutschland eine halbe Million. In der Zwei-Millionen-Stadt Kunming zum Beispiel sieht man fast kein Haus mehr ohne Sonnenkollektoren. In Chinas Regierung tobt ein Machtkampf zwischen einer Sonnenenergie- und einer Atomenergiefraktion. Vor diesem Hintergrund war Schröders flotte Zusage in China nicht nur leichtfertig, sie war leichtsinnig.

China mit acht bis 10 Prozent jährlichem Wirtschaftswachstum braucht in den nächsten Jahrzehnten pro Jahr zusätzlich Energie aus drei weiteren großen Kraftwerken. Heute befriedigt das Riesenreich seinen wachsenden Energiehunger zu 80 Prozent mit Energie aus Kohle. Diese Quelle ist aber aus Klimaschutzgründen ausgereizt und steht ebenso wie Öl und Gas in wenigen Jahrzehnten ohnehin nicht mehr zu Verfügung, weil die Vorräte verbraucht sein werden.

Wer 2003 in Chinas Millionenstädten unterwegs war, hat die katastrophale Luftqualität erlebt und erfahren können, dass die Proteste dagegen aus der Bevölkerung zunehmen. Schon heute fehlt es im Reich der Mitte hinten und vorn an Energie. Besonders an der wachstumsstarken Ost- und Südostküste Chinas gibt es zunehmend Stromausfälle, auch in Chinas Boom-Town Shanghai mit 14 Millionen Einwohnern. Ganze Fabriken müssen wegen Stromausfall oft tagelang stillgelegt werden. Bleiben also langfristig nur die Erneuerbaren Energien oder die Atomenergie als Zukunftsoption übrig. Aber auch die weltweiten Uranvorkommen zum Betrieb von AKWs - so der Weltenergierat in Paris - werden in etwa 45 bis 50 Jahren aufgebraucht sein.

Es gibt eine vage Möglichkeit, das Atomzeitalter zu verlängern. Atomfreunde, die langfristig denken, müssen auf den Schnellen Brüter setzen. Damit lässt sich das atomare Brennstoffpotenzial verlängern. Zudem hat die Atomfabrik aus Hanau auch noch den Vorteil, dass die Atommacht China kostengünstig Atomwaffenmaterial produzieren kann. Dafür ist die MOX-Brennelemente-Technologie aus Deutschland bestens geeignet. Für den schnellen Brüter aus Hanau 50 Millionen Euro zu bezahlen - das ist geschenkt. Der SPD-Energieexperte Hermann Scheer vermutet, dass eine solche Anlage selbst zu konstruieren die Chinesen das Zwanzigfache kosten würde.

Die Endlichkeit der fossilen Energiequellen ist so wenig bestreitbar, wie die Gefährlichkeit von Atomanlagen durch das atomare Restrisiko - also jenes Risiko, das uns täglich “den Rest” geben kann. Ebenso ungeklärt und wahrscheinlich niemals zu klären ist die Frage der Entsorgung des Atommülls, der viele 10.000 Jahre strahlt. Hinzu kommt, dass Terroristen in ihrer zunehmenden Verzweiflung damit spekulieren, dass die heutigen 430 Atomkraftwerke weltweit 430 Angriffsziele für sie sind. Sollen in dieser Situation in China tatsächlich nochmal 100 AKWs gebaut werden? Muss, wer gegen die Pest des Treibhauseffektes ist, wirklich für die Cholera der Atomenergie sein? Jedes AKW irgendwo auf der Welt, ist eine Gefahr für die ganze Welt. Wollen wir den Lernprozess aus Tschernobyl so rasch vergessen und verdrängen? Nur weil 16 Jahre nichts oder fast nichts passierte?

Atom oder Sonne? Das wird die Schicksalsfrage des 21. Jahrhunderts werden. Sie wird in China beantwortet. Japan hat in den letzten 10 Jahren gezeigt wie rasch der Markt für direkten Solarstrom aus photovoltaischen Anlagen wachsen kann, Österreich hat dank eines Volksentscheides vor 25 Jahren kein einziges AKW und gewinnt heute schon 23 Prozent seiner Primärenergie aus erneuerbaren Quellen; hauptsächlich aus Wasserkraft und Biomasse. Deutschland ist Windenergie-Weltmeister und hat schon heute mehr Arbeitsplätze durch Technologien zur Gewinnung von Erneuerbaren Energien als bei Kohle und Atom zusammen. 15.000 Windmühlen ersetzen fünf AKWs.

Soeben - am 1. Januar - hat die Bundesregierung ihr Erneuerbare-Energien-Gesetz für den Bereich Photovoltaikstrom nochmals verbessert - mit Zustimmung der CDU/CSU. Das ist ein Hoffnungszeichen. Und in diesen Tagen schaltet die Bundesregierung deutschlandweit diese Anzeige zugunsten der Erneuerbaren Energien: “Deutschland hat unendlich viel Energie: Wasserkraft, Biomasse, Sonnenenergie, Geothermie, Windenergie.” Das gilt für alle 200 Länder dieser Welt. Allein die Sonne schickt uns 15.000 mal mehr Energie als zur Zeit alle Menschen verbrauchen. Und das macht sie noch viereinhalb Milliarden Jahre kostenlos. Wir haben beste Voraussetzungen für eine solare Weltwirtschaft und eine solare Weltkultur. Damit würde die ganze Welt erneuerbar.

Seit acht Wochen macht ausgerechnet Arnold Schwarzenegger in Kalifornien Furore mit seiner Ankündigung, bis zum Jahr 2020 bereits 33 Prozent des Stroms im Sonnenstaat der USA aus erneuerbaren Quellen produzieren und solaren Wasserstoff für Autos im großen Stil einführen zu wollen. Der überraschend grüne Schwarzenegger hat beim Ausbau der Erneuerbaren Energien ehrgeizigere Ziele als rot-grün in Berlin. Sein Hauptargument neben dem Klimaschutz: Neue zukunftsfähige Arbeitsplätze.

Sonne, Wind, Wasser, Biomasse, Biogas, Geothermie sowie Wellen- und Strömungsenergie der Ozeane können schon in wenigen Jahrzehnten den Energiebedarf Chinas und der ganzen Menschheit nicht nur für einige Jahrzehnte, sondern für alle Zeit decken: Preisgünstiger als heute, wenn die Folgekosten der alten Energieträger mitberechnet werden. Umweltfreundlich, ohne gefährliche Atomenergie und ohne Kriege um Öl.

China mit beinahe einem Viertel der Menschheit wird bei der Energiewende eine zentrale Rolle spielen. Es ist kein Zufall, dass die Welt-Windkonferenz 2004 in Peking stattfindet. In China könnten 150.000 Windräder 100 Atomkraftwerke ersetzen. Noch sind Pekings Weichen nicht endgültig in Richtung Atomstaat gestellt. Vor allem vor diesem Hintergrund sollte die rot-grüne Bundesregierung ihr Geschäft mit China nochmals überdenken. Welche Fraktion innerhalb der chinesischem Regierung will Rot-Grün unterstützen: Die Freunde der Erneuerbaren Energien oder tatsächlich die Atomfraktion?

Dieser Text wird hier mit freundlicher Genehmigung von franz alt - www.sonnenseite.com veröffentlicht.

Ausführlich zum Thema Export der Hanauer Atomfabrik auf der Lebenshaus-Website >> Nein zum Export der Hanauer Atomfabrik nach China

Veröffentlicht am

24. Januar 2004

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