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Thesen zum gewaltfreien Widerstand gegen den Anspruch der USA auf Weltherrschaft

Von Wolfgang Sternstein

Diese Thesen wurden bei der Perspektivkonferenz “Mit neuer Energie für den Frieden” der Pressehütte Mutlangen vorgetragen, die vom 6.-8.12.2002 in Schwäbisch Gmünd stattfand und damit noch unmittelbar am Vorabend der Irak-Invasion; die Thesen sind aber weiter aktuell.

Das Selbstbild der USA:
“Die Vereinigten Staaten sind die einzige Supermacht der Welt. Sie verbinden überlegene Militärmacht, globale technologische Führung und der Welt größte Volkswirtschaft. Zudem steht Amerika an der Spitze eines Systems von Bündnissen, das die anderen führenden demokratischen Mächte der Welt einschließt. Gegenwärtig steht den Vereinigten Staaten kein globaler Rivale gegenüber. Amerikas strategisches Ziel sollte darin bestehen, diese vorteilhafte Position soweit als irgendmöglich in die Zukunft auszudehnen. Es gibt jedoch potenziell mächtige Staaten, die mit der derzeitigen Situation unzufrieden sind und danach streben, sie, sofern sie es können, in einer Richtung zu verändern, die den verhältnismäßig friedlichen, gedeihlichen und freien Zustand, dessen sich die Welt heute erfreut, gefährden. Bis jetzt wurden sie durch die Schlagkraft und die globale Präsenz der amerikanischen Militärmacht abgeschreckt. Doch werden die erfreulichen Zustände, die daraus resultieren, in dem Maße, wie diese Macht relativ und absolut abnimmt, unweigerlich unterminiert werden.”

Rebuilding America’s Defenses. Strategy, Forces and Resources for a New Century. A Report of the Project for the New American Century. September 2000, P. i (Der Report empfiehlt eine Steigerung des amerikanischen Militärhaushalts auf 3,5 bis 3.8 Prozent des Bruttoinlandprodukts.)

1. Die USA erstreben die militärische, wirtschaftliche, politische und kulturelle Weltherrschaft im 21. Jahrhundert.

2. Die derzeitige US-Regierung akzeptiert keine Beschränkungen ihrer Handlungsfreiheit durch internationale Verträge oder durch das Völkerrecht.

3. Die derzeitige US-Regierung legt sich bei der Durchsetzung nationaler Interessen (z.B. Rohstoffversorgung und Offenhaltung von Märkten) keine Selbstbeschränkung auf.

4. Der “Krieg gegen den Terrorismus” ist der Vorwand, mit dem der innenpolitische Widerstand gegen eine Politik der Militarisierung, der Aushöhlung der Demokratie sowie des Abbaus der Rechts- und Sozialstaatlichkeit geschwächt werden kann. Er ist zugleich der Vorwand für eine imperialistische Außenpolitik, die alle Staaten der Welt vor die Alternative stellt: entweder Anerkennung oder Ablehnung der amerikanische Vorherrschaft. Wer sie anerkennt wird zum Bündnispartner ohne Mitspracherecht in der Koalition gegen den Terrorismus. Wer sie ablehnt wird zum Gegner und früher oder später zum Feind der USA erklärt nach der Devise: “Wer nicht für uns ist, ist gegen uns!” Eine neutrale, selbständige und selbstbewusste Haltung den USA gegenüber wird nicht länger geduldet.

5. Der Krieg gegen den Terrorismus kann nicht gewonnen werden. Der Hydra “Terrorismus” wachsen für jeden abgeschlagenen Kopf zwei neue nach. Militärpolitisch ist dieses Problem nicht zu lösen, sondern nur sozialpolitisch durch Austrocknung des Sumpfes, der die Hydra nährt. Das geschieht durch eine Politik des Ausgleichs zwischen Reich und Arm, Mächtig und Machtlos, Hoch und Niedrig.

6. Das Römische Reich ging, wie andere Imperien auch, an “imperialer Überdehnung” (Paul Kennedy) zugrunde. Es konnte die Barbaren an seinen Rändern auf die Dauer nicht abwehren. Der Terrorismus und die ihn unterstützenden (vorwiegend islamischen) Gesellschaften sind für das amerikanische Imperium, was die Barbaren für das Römische Reich waren.

7. Wir müssen künftig mit regionalen Kriegen im Nahen Osten, zwischen Indien und Pakistan, Nord- und Südkorea, China und Taiwan usw. rechnen, bei denen das “American Empire” sich mittelbar oder unmittelbar einmischt. Wir müssen aber auch mit Kriegen rechnen, die den Gegnern der amerikanischen Überlegenheit (Irak, Iran, Nordkorea, China, Indien usw.) gelten. Selbst die Russische Föderation bleibt ein Unsicherheitsfaktor.

8. In all diesen Kriegen kann es zum Einsatz von Atomwaffen als strategischen oder als taktischen Waffen (Gefechtsfeldwaffen) mit verheerenden Folgen kommen. Auf lange Sicht ist ein atomarer Weltkrieg, der große Teile der Menschheit, wenn nicht gar die ganze Menschheit und alles höhere Leben auf der Erde vernichtet, unvermeidlich, es sei denn, es gelingt, diese Waffen rechtzeitig abzuschaffen.

9. In der Nachkriegzeit haben wir uns geweigert, zwischen “guten” und “schlechten” Atomwaffen zu unterscheiden, gleichgültig ob die Kommunisten uns einreden wollten, die sowjetischen und chinesischen Atomwaffen seien gut, oder die Antikommunisten, die amerikanischen, französischen und englischen Atomwaffen seien gut. Desgleichen weigern wir uns, zwischen “guten” Atomwaffen in der Hand der USA und “schlechten” Atomwaffen in der Hand der “Schurkenstaaten” zu unterscheiden.

10. Gibt es Gegenkräfte? Zweifellos. Einmal die beliebig verlängerbare “Achse des Bösen” aus Iran, Nordkorea, Syrien. Sodann die höchst instabilen islamischen Staaten sowie China und Indien, möglicherweise auch die Russische Föderation und schließlich in engen Grenzen Frankreich, Deutschland und andere europäische Staaten.

11. Die Bundesregierung schwankt in ihrer Haltung zum immer offenkundiger werdenden Weltherrschaftsanspruch der USA zwischen Anpassung und Widerstand, “bedingungsloser Solidarität” mit den USA und “bedingungslosem Nein” zu einer deutschen Beteiligung an einem Krieg gegen den Irak. Die Situation des Schwankens und der Unsicherheit eröffnet sozialen Bewegungen die Chance, Einfluss auf die Regierungspolitik zu nehmen.

12. Die Ökologie- und Friedensbewegung sollte mit dem “Pfund” der Ablehnung der Atomkraft und der Atomwaffen in der deutschen Bevölkerung wuchern. Es geht darum, die schweigende Mehrheit der Deutschen, die einer Forsa-Umfrage aus dem Jahre 1999 zufolge Atomanlagen und Atomwaffen zu neun Zehnteln ablehnt, zu einer redenden und schließlich einer handelnden Mehrheit zu machen.

13. Dieses Ziel sollte durch eine Kampagne der Information, Organisation, Mobilisierung und Aktion erreicht werden.

14. Das meines Erachtens durchaus erreichbare Nahziel dieser Kampagne sollte eine atomwaffenfreie Bundesrepublik als Deutschlands Beitrag zu einer atomwaffenfreien Welt sein. Die Bundesregierung sollte ihre verfassungs- und völkerrechtswidrige Politik der nuklearen Teilhabe aufgeben und sich der “Initiative der Mittelmächte” anschließen, die die völlige Abschaffung der Atomwaffen zum Ziel hat. Die zehn gewaltfreien Aktionen am EUCOM seit 1990 (8 “Entzäunungsaktionen” und 2 Blockaden) sowie die fünf gewaltfreien Aktionen am Fliegerhorst Büchel (5 “Inspektionen” bzw. Entzäunungsaktionen) dienten diesem Ziel.

15. Die gewaltfreien Aktionen sollten ein integraler Bestandteil der oben genannten Kampagne sein. Sie setzen auf vier Ebenen an: 1. der personalen Ebene. Sie zielt auf die Veränderung der Akteure sowie deren Verwandte, Bekannte, Sympathisanten, 2. auf die bewegungsinternen Medien (Friedensforum, Publik-Forum, graswurzelrevolution, gewaltfreie aktion usw.), 3. auf die Medienöffentlichkeit, 4. die politische Ebene (Abgeordnete, Regierungspolitiker, Ministerialbürokartie usw.), 5. die juristische Ebene, angefangen bei den Amtsgerichten bis hinauf zum Bundesverfassungsgericht.

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Wolfgang Sternstein ist Friedens- und Konfliktforscher, seit 1975 in der Bürgerinitiativen-, Ökologie- und Friedensbewegung aktiv, Teilnahme an mehr als fünfzig gewaltfreien Aktionen, ein duzendmal vor Gericht wegen Aktionen des zivilen Ungehorsams, zuletzt wegen mehrerer Entzäunungsaktionen am EUCOM, der Kommandozentrale für die amerikanischen Streitkräfte in Europa, achtmal im Gefängnis, weil er sich weigerte, die Geldstrafen zu bezahlen, insgesamt ein Jahr und zwei Monate.

Veröffentlichungen zur Theorie und Praxis der gewaltfreien Aktion.

Wolfgang Sternstein ist Mitglied im Lebenshaus Schwäbische Alb e.V.

Mehr Informationen über Wolfgang Sternstein finden sich:
> Lebenshaus-Website unter Sternstein, Wolfgang und
> auf der Website von UWI e.V. Online - Institut für Umweltwissenschaft und Lebensrechte e.V.

Veröffentlicht am

24. September 2003

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