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Versuchsballons über Iran

Von Karl Grobe

Das Gemurmel über ein paar Dinge, die Washington als störend in der iranischen Politik empfindet, wird allmählich deutlicher. Einmischung in innerirakische Angelegenheiten - das darf nicht sein, dafür hat man Irak ja nicht mit dem beschenkt, was in charmanter Übertreibung “Weg zur Demokratie” heißt. Asyl für Leute, die man mit Al Qaeda in Verbindung bringen könnte - gewiss, es ist eine laut dahingedachte Vermutung, aber es gibt Präzedenzfälle. Ein Atomprogramm, das vielleicht gar nicht zivil ist - sollten sich die in Irak unauffindbaren Massenvernichtungswaffen vielleicht im Land nebenan befinden? Ein Regime, welches das Volk gegen sich hat - muss man da nicht was tun?

Das alles mag unverbindlich sein; Verteidigungsminister Rumsfeld erklärt, seines Wissens werde da gar kein Krieg geplant, und sein Präsident, qua Amt auch Oberbefehlshaber im so genannten Verteidigungsfall, sagt schlicht: no. Was er in einer dieser beiden Eigenschaften verkündet, gilt; wenn er morgen anderes sagt, gilt das auch. Glauben darf man da nur, was handfest bewiesen ist. Nicht einmal das; die beiden höchsten Vertreter des Pentagon haben eingestanden, dass selbst das von ihnen für beweisbar erklärte Waffenpotenzial Saddam Husseins eine zweckgerichtete Erfindung war.

So drängt sich der Verdacht auf, dass es mit den Iran-Bemerkungen eine eigene Bewandtnis haben könnte. Es könnten rhetorische Versuchsballons sein, die darauf getestet werden, welcher am spätesten platzt, also als Argument für eine Aktion taugt, die man dann als unabweisbare Notwendigkeit darstellen kann. Kann sein; vielleicht ist solcher Verdacht aber nur dem Misstrauen jener Alt-Europäer entsprungen, denen man nur alle halbe Jahre einmal die Hand zu geben genötigt ist.

Die US-Fernsehgesellschaft ABC hat am Wochenende einiges veröffentlicht, das dem vorsichtigen Misstrauen Nahrung zuführt. Da heißt es, das Pentagon plane ein “massives verdecktes Programm” zum Sturz der Herrschaft der Ayatollahs. Iranischer Dissidenten werde man sich bedienen und auf die Volksmudschaheddin zurückgreifen; schließlich hätte diese Vereinigung in den vergangenen dreißig Jahren den USA ja nichts zu Leide getan. Dass sie von den Präsidenten bis einschließlich Bill Clinton und vom Außenministerium bis wenigstens Anfang 2003 als fester Bestandteil der Welt-Terroristenliga angesehen worden seien, stört da nicht. Die Volksmudschaheddin sind entwaffnet worden, aber ihre Waffen liegen in der Nähe ihrer bisherigen irakischen Stützpunkte sozusagen in Reichweite. Falls ihnen die Rolle einer “West-Allianz” zugedacht werden sollte, wäre das recht praktisch.

Ein Blick auf die strategischen Veränderungen seit dem letzten Irak-Krieg, also in den vergangenen zwei Monaten, ist ebenso lehrreich. Die US-Luftwaffe hat sich in vier Stützpunkten in Irak Start- und Landebahnen gesichert, deren Benutzung keine vorstellbare Bagdader Regierung untersagen könnte; bevor es die gibt, gilt ohnehin das Recht der besetzenden Macht. Diese hat sich vergleichbare Positionen in Usbekistan, Kirgisien und Pakistan gesichert, hat Flugzeugträger in der Nähe und hofft auf die Basis Incirlik zurückgreifen zu können, falls das türkische Parlament sich nicht wieder einmal allzu demokratisch anstellt. Iran ist geostrategisch eingekreist. Was natürlich nur als Situationsbeschreibung zu verstehen ist, (noch) nicht als Hinweis auf irgendwelche Absicht.

Doch vieles hört sich seltsam bekannt an. Die Staatslenker George W. Bush und Wladimir Putin haben in Sankt Petersburg die Teheraner Regierung gerade ermahnt, schärferen Inspektionen ihrer Nuklearanlagen zuzustimmen. Moskaus Außenminister Igor Iwanow wünscht dringend eine iranische Unterschrift unter ein einschlägiges Protokoll, damit die Internationale Atomenergiebehörde genauer nachsehen kann. Unter Bedingungen würde Teheran sogar zustimmen. Die USA drängen Russland, in Buschehr nicht weiter an den Atomreaktoren zu werkeln, welche sowohl Russen als auch Iraner als ausschließlich zivile Projekte bezeichnen. Für Moskau hat das nukleare Unterfangen jedoch auch politische Bedeutung: Es soll die Zusammenarbeit beider Staaten kräftigen.

Die hat jedoch auch mit dem nicht nuklearen Teil der Energiewirtschaft zu tun. Iran bietet sich als Transferstaat für Öl- und Gasexporte aus Zentralasien an, als wirtschaftlich sinnvollere Alternative zu der aserbaidschanisch-georgisch-türkischen Pipeline. Und wieder wird es politisch: Das Projekt soll die Zentralasiaten unabhängig von Russland machen.

Die “Drohkulisse” gegen Iran gehört in diesen Zusammenhang. Die USA wollen erst einmal zeigen, dass sie ihre Strategie durchsetzen können, Russland aber nicht. Krieg muss darum nicht sein. Ein vom Pentagon inspirierter Volksaufstand in Iran genügt einstweilen für den edlen Zweck.

Quelle: Frankfurter Rundschau vom 03.06.2003. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Autors.

Veröffentlicht am

05. Juni 2003

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