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Geliebter Feind

Ohne Gegner ist das Leben nicht halb so sinnvoll

Von Karl Grobe

Colin Powell mag einen sehr einfachen, aber sehr amerikanischen Witz ausgesprochen gern. Er hat ihn gerade wieder im Fernsehen erzählt. Der Witz geht so: “Was soll ich bloß machen? Wir haben unseren besten Feind verloren, seit die Sowjetunion abgegangen ist.”

Ohne einen Lieblingsfeind ist das Leben schwer für einen Außenminister, der eigentlich General gelernt hat. Er dient derzeit ausgerechnet unter einem Präsidenten, dessen Lieblingssatz zwar nicht witzig ist, aber doch sehr amerikanisch. Der Satz lautet: “Wer nicht für uns ist, der ist gegen uns.” Es würde alles zweifellos leichter machen, wenn es einen Feind gäbe.

Früher hatte man in den Vereinigten Staaten zu diesem Zweck die Indianer. Die Sache ist eigentlich verjährt, aber um der Selbstgerechtigkeit willen erinnert man sich doch daran, dass sie heimtückisch, und zwar schon sehr lange, in den Wäldern und Prärien herumlatschten, welche die Vorsehung doch den weißen Pionieren zugedacht hatte. Die Indianer waren nicht sehr für die Weißen, also waren sie gegen die Weißen. Der Rest ist bekannt. Heute taugen die paar überlebenden Rothäute nicht mehr als Ersatz für den verloren gegangenen Feind, der zwar ebenfalls rot war, aber mehr in politischer Hinsicht. Amerikaner, zumal wenn sie Grundsätze verinnerlicht haben, sind erfinderisch. So verfielen sie darauf, eine andere Gruppe von Menschen zu Feinden zu erklären, die ebenfalls Rauchzeichen von sich geben, wenngleich sie nicht mit Tomahawks um sich werfen. Es sind jene Leute, die böswillig Tabak verbrennen. Gegen die Raucher also wurde der neue Indianerkrieg geführt, was den Vorteil hatte, dass sie leicht zu finden sind. Nun, auch dieser Feind ist so gut wie besiegt. Es muss ein neuer her, einer, der sich nicht so rasch verflüchtigt wie jener Osama bin Laden, der gemeinerweise nicht wiederzufinden ist. Und Saddam Hussein hat sich nicht einmal richtig gewehrt, als Uncle Sam mit den neuen Hi-Tech-Tomahawks auf ihn warf.

Nein, solche Feinde lohnen die Mühe nicht, die man sich vorher in Washington mit ihnen gegeben hat, damit sie groß und stark wurden. Sie sind Enttäuschungen, diese Typen; was ein richtiger Feind ist, der muss ausdauernd sein.

Da kam dem Colin Powell eine Idee. Zugegeben, ein Fernsehbefrager hat ihn auf die Spur gebracht; aber wozu hält man sich denn Massenmedien? Charlie Rose, der Befrager, hatte den eingangs erzählten Witz gut behalten und warf ein Stichwort auf den Mikrofontisch. Frankreich.

Powell begriff. “Frankreich hat gesagt, wir könnten nichts zu Papier bringen, gegen das sie nicht ein Veto einlegen würden.” Den Lieblingssatz von George W. Bush zitierte er nicht; den kennt jeder auswendig. Es genügte die Fortsetzung: “Wir müssen in diesem Lichte alle Aspekte unserer Beziehungen zu Frankreich überprüfen.” Der Befrager begehrte nun zu wissen, ob es Konsequenzen nach sich ziehe, wenn jemand wie der Franzose gegen die Vereinigten Staaten von Amerika aufstehe. Powell sagte: “Ja”.

Das ist knapp gesagt und gut überlegt. Der Franzmann wird nicht so rasch wie die erwähnten Schurken von der Bildfläche verschwinden. Sich einen Feind in Paris und Umgebung aufzubauen ist eine Investition, die sich auf lange Zeit lohnt.

PS. Hier hätte eigentlich eine satirische Betrachtung stehen sollen. Aber die Realität war wieder mal schneller. KARL GROBE

Quelle: Frankfurter Rundschau vom 24.04.2003. Wir danken Karl Grobe-Hagel für die freundliche Veröffentlichungsgenehmigung.

Veröffentlicht am

25. April 2003

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