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Frieden auf Sand gebaut

Von Franz Alt

Sind die Argumente gegen einen Krieg falsch nachdem er geführt und scheinbar gewonnen wurde? Eine Regierung, die 1000-mal mehr Geld und Waffen hat als ihr Gegner, kann militärisch leicht gewinnen, moralisch hat sie mit dem ersten Toten verloren. Dieser Krieg war keine Heldentat.

Auch der dritte Golfkrieg hat tausenden Menschen das Leben gekostet, Zehntausende körperlich verstümmelt und Millionen psychisch traumatisiert. Auch dieser Krieg war ein Hochverrat an der Menschlichkeit. In den arabischen Ländern haben die Menschen das Leid und Elend dieses Krieges durch Fernsehbilder über die Kriegsopfer viel intensiver und bewusster wahrgenommen als die Menschen im Westen. Ich habe die drei Kriegswochen in Korea, Japan und China erlebt. Kein Einziger meiner Gesprächspartner - Journalisten, Politiker, Bürgerrechtler, Verleger - konnte diesem Krieg irgendeinen Sinn abgewinnen. Alle waren entsetzt. Für sie ist George W. Bush der schlimmste Anti-Amerikaner auf diesem Globus. Wieder einmal haben die weiße Vormacht nichtweiße Menschen bombadiert, drangsaliert und gedemütigt: Korea, Vietnam, Afghanistan, Irak. Und wer ist der Nächste?

Die Konsequenzen eines Krieges werden im Augenblick des militärischen Erfolges gerne vergessen und verdrängt. Langfristig aber gilt erbarmungslos ein geistiges Gesetz: Wir können nur ernten, was wir säen. Ägyptens Präsident Mubarak zum Beispiel befürchtete: “In jeder Stunde dieses Krieges wird ein Osama Bin Laden geboren.” Und die Befreiung von Bagdad? Erst in einigen Jahren werden wir wissen, wie frei die Iraker wirklich sind.

Wie hießen noch die Kriegsziele?

Erstens: Saddam Hussein muss weg. Er ist weg. Aber wo ist er? Bis jetzt sind nur seine Denkmäler gefallen. Bin Laden ist der US-Regierung schon entkommen. Jetzt auch noch Saddam Hussein?

Es muss ein Albtraum für US-Sicherheitsexperten sein, dass der Diktator irgendwo weiter lebt oder sein Tod nie einwandfrei nachgewiesen werden kann. Beide Varianten würden den Mythos vom “unbesiegbaren Führer” fördern. Noch jagen US-Soldaten im Irak ein Phantom. Doch die entscheidende moralische Frage an George W. Bush nach dem Krieg heißt: Herr Präsident, wie viele Menschen darf man töten, um einen Diktator zu beseitigen?

Zweitens: Die USA wollten dem Irak die Demokratie bringen. Wer das Land wirklich demokratisieren will, muss der Mehrheit der Schiiten im Süden die Herrschaft überlassen und die Kurden im Norden an der Macht beteiligen. Doch viele irakische Schiiten wollen eine Annäherung an den Iran. Und genau dies stört Washingtons Pläne um das irakische Erdöl. Die Besatzungsmacht USA wird deshalb einen demokratischen Machtwechsel in Irak zu Gunsten der Mehrheit verhindern und nur irakische Politiker dulden, die sich - wie schon vor 20 Jahren beim ersten Golfkrieg - Amerikas Sicht gegenüber dem “Schurkenstaat” Iran unterordnen. Eher werden die USA das irakische Militär an die Spitze putschen als ihre demokratischen Versprechen einlösen. Baldige demokratische Wahlen sind unwahrscheinlich. Und so soll im Irak Frieden entstehen und Freiheit wachsen?

Historisch gibt es keinen einzigen Beleg dafür, dass es den USA im Nahen Osten um Demokratie geht, aber viele Belege dafür, dass die Ölinteressen der USA grundsätzlich an erster Stelle stehen. Eine unabhängige irakische Regierung würde als erstes die Kontrolle über das irakische Öl beanspruchen. Und daran soll ausgerechnet eine Regierung Bush interessiert sein? Dafür wurde George W. Bush von der US-Energiewirtschaft nicht an die Macht gebracht!

Drittens: Die entscheidende Rechtfertigung dieses Krieges war die Behauptung der US-Regierung, Saddam Hussein verfüge über Massenvernichtungswaffen. Doch wo sind sie geblieben? Hätte er sie nicht eingesetzt, wenn er sie gehabt hätte? Warum werden sie jetzt nicht gefunden?

Vor dem UN-Sicherheitsrat hatte US-Außenminister Powell am 5. Februar 2003 noch behauptet, die irakische Regierung verfüge über 500 Tonnen chemische Kampfstoffe. Deshalb Krieg. Doch wo sind diese gefährlichen Kampfstoffe jetzt? Und wo sind die gefährlichen Biowaffen im Irak, von denen auch Präsident Bush mehrmals sprach? Bush sagte, dass “mehrere Millionen Menschen” durch “25.000 Liter Anthrax” getötet werden könnten. Wo sind diese gefährlichen Giftstoffe? Oder ging es ganz banal nicht doch nur um Öl, Mister Bush?

Schon am zweiten Kriegstag haben die britischen und amerikanischen Truppen zunächst einmal die großen Ölförderanlagen im Irak besetzt. Als die Plünderungen in Bagdad begannen, haben US-Militärs überall tatenlos zugeschaut. Nur ein Ministerium haben sie vor Plünderungen geschützt: das Ölministerium! Am Funktionieren dieser Machtzentrale besteht ein US-Interesse der besonderen Art. Die Ölfördermengen im Irak sollen möglichst rasch um das zehnfache gesteigert werden, verlangen US- und britische Energiekonzerne. In den USA haben die Energiekonzerne vor zwei Jahren den Staat übernommen. Ihre Befehlsempfänger sind George W. Bush und seine engsten Mitarbeiter.

Solange sich die Washingtoner Regierung nicht von ihrer Ölfixierung befreit, wird Frieden nicht möglich. Diese Befreiung aber können nur die Wählerinnen und Wähler bewerkstelligen.

Das ist die eigentliche Lehre der Kriegskatastrophe dieser Wochen: Die USA haben die Regierung, die sie verdienen. Eine Regierung, die das Völkerrecht ignoriert, muss in einer Demokratie so rasch wie möglich abgewählt werden. Und eine Opposition in Deutschland, die den offensichtlichen Völkerrechtsbruch eines Angriffskrieges unterstützt, darf sich ebenfalls keine Hoffnung auf die nächsten Wahlen machen.

Die CSU hat einen katholischen Vorsitzenden und die CDU eine evangelische Chefin. Aber beide christliche Kirchen haben sich ohne Wenn und Aber gegen diesen Krieg ausgesprochen. Wann, wenn nicht bei einer Frage, wo es um Krieg oder Frieden geht, muss nach der Glaubwürdigkeit des “Hohen C” im Parteinamen der Christdemokraten und Christsozialen gefragt werden? Ist die Bergpredigt ein Heimatroman, Frau Merkel und Herr Stoiber?

Führende deutsche Christdemokraten haben Jahrzehnte für das ungeborene Leben gekämpft. Aber wenn es um das Leben tausender Geborener geht, ist die “Solidarität” mit der US-Regierung oberstes politisches Prinzip. Prinzipienloser geht es gar nicht.

Angela Merkel, warum haben Sie als Vorsitzende einer großen “C”-Partei Ihre Gesprächspartner in den USA nicht daran erinnert, dass der KSZE-Prozess in Europa vor 30 Jahren der Anfang vom Ende einer ganzen Reihe von Diktaturen und Diktatoren war? Die Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa war der Startschuss für den großen Europäischen Dialog und die Politik der Runden Tische, welche den gewaltlosen Weg für mehr Frieden und Freiheit ermöglichte. Warum also jetzt nicht einen Versuch für eine KSZN (Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit im Nahen Osten) mit Israelis, Palästinensern, Jordaniern, Irakern und allen anderen?

Es gibt immer Alternativen zum Massenmord und Flüchtlingselend. Irak anzugreifen, weil Saddam Hussein ein Diktator ist, war vergleichbar mit dem Abschuss eines vollbesetzten Zivilflugzeugs, weil der Kapitän ein Verbrechen begangen hat.

Zwischen 1994 und 2001 haben 54 Nationen einen Vertrag über die effiziente Zerstörung von biologischen Waffen ausgehandelt. Nur eine Regierung hat den Vertragsabschluss verhindert, die Bush-Administration. Warum, Angela Merkel haben Sie Ihren Freunden nicht gesagt, dass sie eine weit bessere Position hätten beim Verlangen nach Abrüstung von biologischen Waffen im Irak, wenn die USA jetzt diesen Vertrag doch noch unterzeichnen würde? Warum stellen Sie sich so bedingungslos auf die Seite der Krieger?

Die UNO hat eine Reihe von Kriegen beendet, indem sie erfolgreich demokratische Wahlen organisierte. Zum Beispiel in Kambodscha, Namibia und Osttimor. Das schien damals so aussichtslos wie heute im Irak und gelang dennoch! Warum nicht wenigstens ein Versuch auch im Irak? Keine Besatzungsmacht - nur das irakische Volk hat das Recht, seine eigene Regierung zu bestimmen.

Der Irak-Krieg war ein Krieg um Öl und weitere Kriege um die zu Ende gehenden Ressourcen werden folgen, wenn die Industriestaaten nicht eine andere Energiepolitik betreiben. Die wichtigste Frage der Weltpolitik für die nächsten Jahrzehnte ist: Krieg um Öl oder Frieden durch die Sonne. Ohne eine Energie-Effizienz-Revolution und ohne eine komplette solare Energiewende kann es keinen Frieden mehr geben. Dass diese Alternative weltweit möglich und nötig ist, hat soeben der Umweltbeirat der Bundesregierung in einem eindrucksvollen Bericht aufgezeigt. Allein die Sonne schickt uns 15.000mal mehr Energie als die Menschheit zur Zeit verbraucht. Eine 100prozentige Energieversorgung über Sonne, Wind, Biomasse, Wasserkraft, solaren Wasserstoff Erdwärme, Wellen- und Strömungsenergie der Ozeane ist möglich. Es gibt einen Fluchtweg aus dem Treibhaus. Der Krieg gegen die Natur und die Kriege zwischen Gesellschaften können überwunden werden. Kein Kind auf dieser Welt muss in Zukunft verhungern. Eine bessere Welt ist möglich.

Buchtipp: Franz Alt: “Krieg um Öl oder Frieden durch die Sonne” , Riemann-Verlag - EURO 17,90

Dieser Text wird hier mit freundlicher Genehmigung von franz alt - www.sonnenseite.com veröffentlicht.

Veröffentlicht am

21. April 2003

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