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Irans Unglaubwürdigkeit

Von Karl Grobe - Kommentar.

Iran nimmt einige Atomprogramme wieder auf. Aber - so beteuert der Programmchef Mohammad Saidi - die Herstellung von Nuklearbrennstoff bleibt suspendiert. Zwei Herren, die maßgebender sind als Saidi, wollen jedoch auf gar keinen Fall auf den “geschlossenen Kreislauf”, also die Brennstoffproduktion mit der impliziten militärischen Komponente, verzichten. Diese sind Ayatollah Ali Khamenei, der oberste aller Geistlichen, und Ali Akbar Rafsandschani, den manche für einen wesentlich konzilianteren Politiker halten.

Die geistlichen Herren in Teheran haben oft genug Anlass gegeben, ihnen nicht zu glauben. Welchen nachprüfbaren Grund gibt es, jetzt ihrer Beteuerung zu glauben, es gehe nur um erlaubte Forschung und nicht um verbotene Produktion? Wenn Vertreter der IAEO zusehen, wie in Isfahan und Natanz die Siegel entfernt werden, bedeutet das noch nicht, dass die Beobachter darüber glücklich und zufrieden sind. Zumal ihr Chef, Mohamed El Baradei, nach drei Jahren des Taktierens und Fintierens nun eingestandenermaßen die Geduld verliert.

Es muss aber auch auf den für Jahrzehnte ausreichenden Vorrat an Misstrauen hingewiesen werden, den die Mullahs angehäuft haben. Die “Operation Merlin”, über die der Fachmann der New York Times, James Risen, gerade ein Buch geschrieben hat, ist nicht gerade vertrauensbildend. In Wien, schreibt Risen, habe ein russischer Wissenschaftler im CIA-Auftrag den Iranern russische Baupläne für wichtige Teile von Atomwaffen zugespielt. Diese hätten absichtlich eingestreute Fehler enthalten. Der treuherzige Russe aber habe die Teheraner Kunden schriftlich auf die Sollbruchstellen hingewiesen. Die mitgelieferte Pannenhilfe also hätte Iran möglicherweise die Fähigkeit verschafft, die Bombe zu bauen.

Die CIA kommentiert dies nicht, was auf rote Ohren schließen lässt. Ihre iranischen Kollegen kommentieren dies auch nicht; sie können aber zu der Folgerung gekommen sein, weil die USA sowieso den Krieg wollten, müsse man erst recht Nuklearwaffen haben. Oder weil Israel ihn vorbereitet, wie die Londoner Sunday Times vor vier Wochen meinte belegen zu können. Wer gegen wen welches Spiel mit echten Indiskretionen, mit gezielten Desinformationen oder auch mit arglistiger Täuschung treibt, lässt sich kaum mehr durchschauen.

Sichtbar ist das Misstrauen aller gegen alle. Es droht eine Vertiefung bestehender Glaubwürdigkeitslücken, durch die die Vertreter dieser oder jener “gerechten Sache” direkt in den Krieg stiefeln. Immerhin gibt es mehr Indizien für eine nukleare Aufrüstung Irans, als es jemals in den vergangenen fünfzehn Jahren Indizien - auch gefälschte - für ein irakisches Waffenprogramm vergleichbarer Art gegeben hat.

Die fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats der UN haben in seltener Einstimmigkeit, aber getrennt voneinander, Iran vor den Konsequenzen gewarnt. Sie forderten Teheran auf, das Naheliegende zu tun, nämlich mit der Euro-Troika Britannien, Frankreich und Deutschland umgehend weiter zu verhandeln. Es fragt sich, ob die EU-3 davon begeistert sind; es fragt sich auch, ob die IAEO das Tempo bestimmt, indem sie den Vorgang dem Sicherheitsrat übergibt, bevor Teheran zum Schluss kommt, Einlenken und Verhandlungen seien doch angeraten.

Auf die vermeintlichen Unterstützer China und Russland kann Iran nicht mehr bauen. Politische Isolation plus Misstrauen können aber eine explosive Mischung erzeugen. Die Lunte glimmt.

Quelle: Frankfurter Rundschau vom 11.01.2006. Wir veröffentlichen den Artikel mit freundlicher Genehmigung von Karl Grobe.

Veröffentlicht am

11. Januar 2006

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