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USA: Sein Ernst

Trumps Präsidentschaft nimmt Fahrt auf: mit einem Rollback, "alternativen Fakten" und Fake News

Von Konrad Ege

Im Wahlkampf wurde Donald Trump unterschätzt. Das war verständlich. So jemand hatte noch nie kandidiert. Jetzt heißt es aufpassen, dass man die Fehleinschätzung nicht wiederholt unter dem Eindruck der großen Protestkundgebungen und der bizarren Auftritte des Präsidenten und seines Pressesprechers. Es ist vieles in Bewegung in den USA.

Das Corps der Hauptstadtjournalisten war baff bei der ersten Pressekonferenz von Trumps neuem Sprecher Sean Spicer. Dieser behauptete, die Medien hätten absichtlich falsch über die Zahl der Zuschauer bei der Amtseinführung vorm Kapitol berichtet und sie zu Unrecht verglichen mit den Zahlen bei der Vereidigung von Barack Obama 2009. Bereits vor der Pressekonferenz bekannte Luftaufnahmen widerlegten Spicer. Trump-Beraterin Kellyanne Conway sprach trotzdem von "alternativen Fakten" der Regierungsseite.

Baff waren die Medienleute auch wegen Trumps Performance im CIA-Hauptquartier. Die Journalisten, sagte der Präsident da, gehörten zu den "verlogensten Menschen auf Erden". Sie hätten Geschichten erfunden, dass er Streit mit den Geheimdiensten habe. Dabei war es Trump gewesen, der sich zuvor auf Twitter über Zustände wie in "Nazi-Deutschland" beschwert hatte, weil US-Dienste ein Dossier mit kompromittierenden Informationen über seine angeblichen Russland-Kontakte geleakt hätten. Die Dienste dementieren dies.

Es erinnerte an Trumps dünnhäutige Wahlkampfsprüche über seine Hände, die keinesfalls klein seien, und an seinen Widerspruch zu Anspielungen auf andere Körperteile, die möglicherweise auch klein seien. Ohne psychologischen Fachbeistand lässt sich Donald Trump kaum verstehen. Für so jemanden ist die Diagnose Narzissmus wohl erfunden worden. Doch es geht nicht nur um die Persönlichkeit. Der medienwendige Mann und ihm nahestehende Publizisten bauen schon lange an einer alternativen Realität. Vor Jahren setzte Trump den "Fakt" in die Welt, Obama verfüge nicht über eine US-Geburtsurkunde. Geglaubt wurde das von vielen Republikanern. Seine Unterstützer haben nach wie vor großes Vertrauen in Trump - das konnte man auch bei Gesprächen mit Zuschauern während der Amtseinführung sehen. Der neue Mann "spricht aus der Hüfte", lobte ein Kosovo-und-Irak-Veteran aus Tennessee. Von Trump kriege man nicht durchgestyltes Gerede wie bei anderen Politikern. Vier Mittzwanzigern aus St. Louis in Missouri war es egal, "dass Trump viel Scheiß redet". Die USA bräuchten einen Neuanfang. Und der trage den Namen Trump.

Ein Catering-Unternehmer aus Greensboro in North Carolina versicherte, das Geschäftsklima sei besser seit Trumps Wahl. Seine Tochter habe jetzt Chancen auf ein College-Stipendium. Unter Obama hätten die Illegalen das Geld kassiert. Eine Wählerin aus Idaho meinte, Gott habe Trump geholfen gegen Wahlbetrug. Sie habe mit eigenen Augen ein Foto gesehen von Kisten mit gefälschten Stimmen für Clinton.

Das sind die Menschen, die Spicer ansprach mit Beschwerden über die Medien. Und Trump mit seinem Versprechen bei der Amtseinführungsrede, er gebe Macht von der Elite zurück "an euch, das Volk". Seine Wähler seien "Teil einer historischen Bewegung". Von nun an werde es "nur noch ,Amerika zuerst’ heißen".

Die Macht der Realität

"Wir werden … amerikanisch kaufen und Amerikaner anheuern", verkündete der Mann, dessen Mar-a-Lago Club und andere Unternehmen laut Washington Post seit Mitte 2015 Arbeitsvisa für mehr als 250 Arbeitskräfte aus dem Ausland beantragt haben. Auf Trumps Weingütern sind Arbeiter aus Mexiko beschäftigt. Doch diese Realität hat keinen Einfluss auf die alternativen Fakten.

Chefstratege im Weißen Haus ist nicht umsonst Stephen Bannon, der die Plattform Breitbart News bis August 2016 geleitet hat, ein Medienunternehmen der alternativen Realität. Trumps Kampagne gegen Medien ist erfolgreich, denn sie bestärkt seine Wähler in der Haltung, sie seien Opfer der Elite. Zudem lenken vom Zaun gebrochene "Kontroversen" ab. Streit über Zuschauerzahlen kommt gelegen, wenn "die Medien" gleichzeitig über Interessenkonflikte des Präsidenten berichten, über die Zivilklage mehrerer Juristen wegen ausländischer Zahlungen an Trumps Unternehmen sowie über FBI-Ermittlungen gegen Sicherheitsberater Michael Flynn. Autokraten haben anscheinend kaum Probleme, Gefolgsleute zu finden, die dafür sorgen, dass das Staatsschiff fährt. Die Lakaien machen mit aus Überzeugung, Opportunismus, aus Angst oder vielleicht weil sie hoffen, das Schlimmste abzuwenden. Trump hat eine Mischung zusammengestellt von Loyalisten, Milliardären, Ideologen, kompetenten Politmanagern und Verwaltern.

Im Trump-kritischen Journalismus erscheint häufig die These, was im Wahlkampf funktioniert habe, funktioniere nicht unbedingt beim Regieren. Denn irgendwann werde sich zeigen, ob Trump die Hoffnungen der Wähler erfüllt. Politik und Wirtschaft würden sich querstellen, wenn es zu autokratisch wird. Am Montag unterzeichnete Trump unter dem Beifall von Bernie Sanders einen Erlass zum Ausstieg aus dem transpazifischen Freihandelsabkommen TPP. Und er traf sich mit Konzernchefs und mit Gewerkschaftsvertretern aus der Baubranche, dem eher konservativen Flügel der US-Gewerkschaftsbewegung. Der Pressepool wollte den Raum schon verlassen, da wurden die Reporter von Trump zurückgerufen für einen Kommentar des Präsidenten der Zimmerergewerkschaft, Doug McCarron. Der lobte Trumps Antrittsrede. Sie sei angekommen "bei den Leuten, denen es nicht gut geht".

Mit einer neuen "Executive Order" stoppte Trump Entwicklungshilfe für Kliniken und Familienplanungsorganisationen, die bei Beratungen Schwangerschaftsabbruch erwähnen. Und allgemein werde er 75 Prozent aller Regierungsvorschriften streichen, sagte Trump. Spicer versicherte am Montag, er habe die Intention, Reporter nie zu belügen. Nach Medienberichten behauptete Trump beim Treffen mit führenden Politikern aus dem Kongress, er habe weniger Stimmen bekommen als Clinton, weil drei bis fünf Millionen Menschen illegal abgestimmt hätten.

Quelle: der FREITAG vom 26.01.2017. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Konrad Ege und des Verlags.

Veröffentlicht am

26. Januar 2017

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