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Sprengsatz für Pakistan

Von Karl Grobe

Seit Pakistans Parlament ohne Diskussion der Einführung islamischen statt bürgerlichen Rechts in einem Bezirk zugestimmt hat, ist vom Verfall des Staates die Rede, wenn nicht gar von seinem Zerfall.

In der Tat haben alle Parteien, ob als islamisch oder säkular angesehen, kopf- und kampflos vor der Islam-Bewegung im Swat-Tal kapituliert - mit der Ausnahme der auf die Hafenmetropole Karatschi konzentrierten Partei MQM (Muttahida Qaumi Movement), die von einer Vertretung nicht integrierter Flüchtlinge und Vertriebener zum Machtinstrument korrupter, auch krimineller Lokalgranden degeneriert ist. Dass diese Partei als einzige gegen den Scharia-Sonderweg in Swat stimmte, ist ein Beleg für die ethische und moralische Verelendung der politischen Klasse Pakistans. Die beiläufig erfolgte Veränderung der Gesetze, durch die Gotteslästerung zum todeswürdigen Verbrechen wird, bestätigt das nur.

Der Niedergang des Staates hat allerdings tiefere Ursachen, die nicht alle hausgemacht sind. Und die Folgen - Hillary Clinton bezeichnete sie vor einigen Tagen bei einem Besuch in Islamabad als tödlich gefährlich - gehen nicht nur Pakistan an.

Die Sorge geht um, das Atomwaffenpotenzial des zerfallenden Staates könnte in die Hände von Terroristen fallen. Wohl kann man nur wenig Vertrauen in die Zusicherungen von US-Militärs setzen, sie würden diese Waffen im Zweifelsfall bergen; es ist ja offenbar nicht genau bekannt, wie viele davon es gibt und wo sie sind. Doch die pakistanische Armee wird sie nicht aus der Hand geben und bietet insofern Sicherheit.

Politisch tut sie das gerade nicht, ebenso wenig wie der Geheimdienst ISI. Beide unterhalten, teils insgeheim, enge Beziehungen zu bewaffneten Verbänden in jenem Geflecht kämpfender Gruppen, das unscharf als Taliban zusammengefasst wird. In beiden den Staat lange zusammenhaltenden Institutionen halten sich interne Netzwerke, welche die Umpolung zur Anti-Terror-Allianz nach dem September 2001 als Unterwerfung unter den Willen Washingtons während der acht Bush-Jahre missbilligen.

Auch deswegen haben sie sich in der Auseinandersetzung in den paschtunischen Stammesgebieten sehr zurückgehalten. Was wiederum die USA veranlasst hat, sich stärker auf den Einsatz von unbemannten Kampfflugzeugen (Drohnen) gegen vermutete Taliban- und Kaida-Stützpunkte zu verlassen. Jedem der rund sechzig Drohnen-Einsätze seit August sind Unbeteiligte zum Opfer gefallen; jeder dieser Einsätze hat daher dem Widerstand neue Kräfte zugeführt. Mangels anderer Möglichkeiten orientiert dieser sich an den diversen islamistischen Kräften - die ja auch einmal Ziehkinder von USA und ISI (sowie Saudi-Arabien) waren.

Da verzahnt sich der Afghanistan-Krieg mit der pakistanischen Krise zu einem Komplex, den Barack Obamas Regierung als "Afpak" zusammenfasst. Die Behandlung der Paschtunen-Gebiete beiderseits der Grenze als ein Gemeinsames sprengt aber gerade diese aus dem restlichen Pakistan hinaus und trägt zur Destabilisierung des Landes bei. Andererseits könnte eine auf Aufbau und Entwicklung gerichtete Afghanistan-Politik Friedensprozesse auch in der pakistanischen Innenpolitik kräftigen.

Die USA begreifen die Krise unter vorwiegend militärischen Begriffen. Die daraus entwickelten Maßnahmen sind untauglich.

Quelle: Frankfurter Rundschau vom 29.04.2009. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Karl Grobe.

Veröffentlicht am

06. Mai 2009

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