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Den Amerikanern wachsen Öko-Muskeln

USA: Nun sind wir alle Klimaschützer - Schwarzenegger, Walmart und ExxonMobil steuern die grüne Wendeboje an


Von Konrad Ege

Dramatischer hätten die Warnungen des UN-Klimarates (IPCC) kaum ausfallen können. Nach den nun vorliegenden drei Teilen des IPCC-Reports bleiben noch acht Jahre, um eine Klimakatastrophe abzuwenden. Gefordert sind besonders die Staaten mit dem größten Ausstoß an Treibhausgasen. Allen voran die USA. Bisher haben sie den Kyoto-Vertrag mit einem Veto bedacht, doch sind Zeichen eines Sinnenswandels nicht zu übersehen.

Muskelmann Arnold Schwarzenegger, der US-Gouverneur mit dem Hummer-Geländewagen, hat George Bushs Umweltschutzbehörde verklagt, weil diese nicht genug tue gegen Treibhausgase. Walmart, der weltgrößte Einzelhandelskonzern, setzt einen weitreichenden Energiesparplan um. Der Erdölkonzern ExxonMobil - bekannt als Verleugner der menschenverursachten Klimaerwärmung - räumte im April ein, das Verbrennen fossiler Energieträger sei mit schuld am Temperaturanstieg.

Der Senat votierte mit 95 : 0

In den USA ist die Stimmung zur Klimafrage in der politischen Elite und in der Wirtschaft gekippt. Angeblich sind nun alle Klimaschützer. Der Präsident hat in seinem Jahresbericht zur “Lage der Nation” im Januar die Worte “global climate change” in den Mund genommen. Ein Programm ist das noch nicht, aber die Fühlungnahme mit den Realitäten durch einen Politiker, der als junger Mann im Ölgeschäft Geld verdienen wollte, später unter anderem mit Petrodollars Präsident wurde und schließlich Energiepolitik von dem Ex-Chef des Erdölservice-Konzerns Halliburton schreiben ließ. Für die Zeit nach Bush - ab Januar 2009 - zeichnet sich wohl eine “grüne Wende” ab.

Bis vor kurzem verstaubten in Washington die Berichte des UN-Weltklimarates auf den Regalen. Bill Clinton legte Ende der neunziger Jahre dem Senat das Kyoto-Protokoll gar nicht erst zur Ratifizierung vor. Vizepräsident Al Gore hatte seine grüne Seele noch nicht entdeckt, die Republikaner lehnten Kyoto grundsätzlich ab, sei es doch “darauf ausgerichtet, die Energiepreise in den Vereinigten Staaten in die Höhe zu treiben”. Der Senat votierte mit 95 : 0 Stimmen für eine Resolution gegen internationale Abkommen, “die die US-Wirtschaft gefährden”.

In den ersten Jahren des 21. Jahrhunderts erlebten die USA das Zeitalter der Sprit fressenden Geländewagen, die Mann anscheinend brauchte, ob es nun ein “Gelände” zum Fahren gab oder nicht. Mit Unterstützung demokratischer Politiker, die der Autoindustrie und den Gewerkschaften nicht in die Quere kommen wollten, schwächte Bush Vorschriften ab, die Automobilhersteller zum Bau sparsamerer Wagen zwingen sollten. Der Demokrat John Kerry versuchte es im Präsidentschaftswahlkampf 2004 zaghaft mit ein paar Ökothemen und ging baden.

New Orleans schimmelt vor sich hin

Als Ronald Reagan und ein neuer konservativer Republikanismus Anfang der achtziger Jahre in Washington Einzug hielten, waren viele Amerikaner links von der Mitte überrascht: Wie konnte der Ex-Schauspieler Millionen und Millionen begeisterte Anhänger finden? Kritiker akzeptierten widerwillig, dass die belächelten Konservativen eine Bewegung geschaffen hatten - eine Bewegung mit internen Widersprüchen unter anderem zwischen den rechten Christen und der Wirtschaft, aber eine Bewegung mit bemerkenswerter Standfähigkeit. Herangewachsen war diese in Kirchen, Schusswaffenclubs, Veteranenverbänden, Elternorganisationen, in Dörfern und Kleinstädten, in den “heilen” weißen Suburbs und auch in verunsicherten Arbeitervierteln, wo man sich Sorgen machte um die wirtschaftliche Zukunft und bereit war, die Rhetorik von angeblich fehlender Moral und Frömmigkeit als Begründung für den drohenden Niedergang zu akzeptieren.

Für die Mitstreiter der Rechten war das Erstarken ihrer Bewegung freilich keine Überraschung. Man hatte sie in mühsamer Kleinarbeit aufgebaut. Bei dem jetzt in den USA zum Vorschein tretenden Umweltbewusstsein ist es ähnlich: Überrascht sind nur die, die nicht aufgepasst haben. Schon seit Jahrzehnten sind Grüne unterschiedlicher Schattierungen tätig in den USA - die Solardachbastler, die Aktionsgruppen zur Rettung des einen oder anderen Waldstückes sowie des Roten Mount-Graham-Eichhörnchens und anderer bedrohter Tierchen. Es gibt die Spaziergänger, die Müll am Bach einsammeln, die Fahrradwegebauer, die Kleingärtner ohne Kunstdünger, die Vegetarier, die vor Umweltschäden durch Massenrinderzucht warnen. Verspottet wurden Umweltschützer oft als “Tree huggers” - Bäume-Umarmer - oder als “naiv”. Oder sie galten mit ihrer impliziten oder expliziten Kritik an den materiellen Wunschträumen des kapitalistischen Wirtschaftssystems als irgendwie unamerikanisch.

Die Realität hat die Spötter wie auch die Ignoranten des Klimawandels eingeholt, selbst die professionellen in den freimarktwirtschaftlichen Think Tanks. Der Irak-Krieg führt vor, dass ein Teil der politischen Elite durchaus in einer Fantasiewelt lebt - aber beim Klimawechsel kann man den Kopf nicht länger in den Sand stecken. New Orleans schimmelt vor sich hin. Nur noch ein intellektueller Saurier bestreitet wissenschaftliche Daten, wonach die Temperatur steigt.

Weil das Weiße Haus unter Bush mauerte, beschlossen Hunderte Städte und etliche Bundesstaaten ihre eigenen Gesetze und Vorschriften. Zehn Staaten haben nach EU-Modell ein Handelssystem für Treibhausgase ins Leben gerufen. Im April gab das Oberste US-Gericht einer Klage von zwölf Staaten statt, darunter Schwarzeneggers Kalifornien: Entgegen der Interventionen von Bush habe die US-Umweltbehörde das Recht, Autoabgase zu regeln, urteilte der - überwiegend mit konservativen Juristen besetzte - Gerichtshof. Die zwölf Staaten wollen Autoabgase bis zum Jahr 2016 um 30 Prozent reduzieren. Schwarzenegger rüstet seine Hummers auf Bio um.

Dass die amerikanische Elite nun mehrheitlich eingesehen hat, dass Klimaschutz auch in ihrem Interesse ist, sieht man im Präsidentschaftswahlkampf. Der Demokrat Barack Obama hat die Glühbirnen bei sich zu Hause umgetauscht. Hillary Clinton macht auf alternative Energieforschung. Drei der insgesamt zehn republikanischen Anwärter “glauben” zwar nicht an Evolution, wie sie bei ihrer ersten Debatte bekannt machten, aber auch George Bushs Partei hat kapiert, dass die Wähler Öko verlangen. Mitt Romney und Rudy Giuliani haben grüne Bekenntnisse abgelegt. John McCain versicherte, die Erwärmung sei keine “hysterische” Erfindung Hollywoods. Ein paar Dutzend Generäle veröffentlichten kürzlich ein Papier, dass der Klimawandel die Sicherheit der USA gefährde. Al Gores Film über die “unbequeme Wahrheit” gibt den Bürgern Anleitungen zum Handeln.

Die Wahrheit darf nicht zu unbequem sein

Die ökologische Wende hat in den USA wegen der Macht der fossilen Energieindustrie länger gedauert als in Europa. Während Umweltschützer der ersten Stunden sich auch über neue Lebensformen Gedanken machten, steht im Zentrum der Umweltbemühungen freilich die Suche nach Wegen, um die alten Lebens- und Konsummuster dank neuer umweltfreundlicher Technologien beibehalten zu können. Und man hofft auf einen Stopp des Erwärmungstrends durch einen nach mittelalterlichen Ablassgeschäften stinkenden Handel mit Treibhausgasen.

Die Wahrheit darf einfach nicht zu unbequem sein. John Kerry und Teresa Heinz Kerry betonten in ihrem neuen Umweltbuch, man könne seine Lebensqualität im “neuen Environ-Mentalismus” behalten. Die beiden behalten ihre drei Autos, rüsten aber um auf benzinsparsame. “Wir nehmen den Leuten nicht die Geländewagen weg”, versicherte auch Schwarzenegger. Es komme darauf an, den Geländewagen “Ökomuskeln” zu geben.

Bei all diesen Bemühungen können auch Unternehmen mitmachen. Walmart, mit seinen nahezu 4.000 Filialen der größte private Arbeitgeber, ist grün orientierten Amerikanern ein Gräuel. Der Konzern baut einen Big Box Laden nach dem anderen, planiert Wälder und Wiesen für seine Parkplätze und Zufahrtsstraßen, importiert billig hergestellte Waren, zahlt seinen Angestellten Hungerlöhne. Aber: Walmart investiert Hunderte Millionen Dollar im Jahr, um den Ausstoß seiner Treibhausgase bis 2012 um 20 Prozent zu verringern. Und wenn Walmart mit seinen 1,3 Millionen Mitarbeitern das tut, hat das Gewicht.

Die US-Umweltschützer haben jedenfalls ein erstes großes Ziel erreicht: Die Nation mit fünf Prozent der Weltbevölkerung und 25 Prozent der Treibhausgasemissionen hat die Realität des Klimawandels akzeptiert. Angesichts der im jüngsten Bericht des UN-Klimarates dargelegten Dringlichkeit wird man nicht allzu wählerisch sein können bei der Auswahl von Mitstreitern. Im März hat die Zeitung Los Angeles Times von einem internen Bericht des Weißen Hauses erfahren, dass die USA - würde dem nicht Einhalt geboten - im Jahr 2020 um rund 20 Prozent mehr Treibhausgase ausstoßen würden als 2000.

Quelle: Freitag   - Die Ost-West-Wochenzeitung 19 vom 11.05.2007. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Konrad Ege und des Verlags.

Veröffentlicht am

11. Mai 2007

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