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Würde auch Jesus foltern?

Scheich Mohammeds Geständnis: Wahrheitsfindung und “Waterboarding” in Guantánamo


Von Konrad Ege

Mit seiner “gesegneten rechten Hand” habe er 2002 den “amerikanischen Juden” Daniel Pearl enthauptet, prahlt al-Qaida-Anführer Chalid Scheich Mohammed vor dem Militärtribunal in Guantánamo. Die vom US-Militär inszenierte Vorführung stellt freilich nicht nur al-Qaidas bekanntermaßen brandgefährlichen Fanatismus zu Schau. Die Anhörung hinter verschlossenen Türen demonstriert, dass die USA ein gutes Stück abgerutscht sind von zivilgesellschaftlichen Normen.

Denn Scheich Mohammeds “Geständnisse” von 31 (!) Attentatsplänen und Anschlägen (unter anderem auf das World Trade Center) wurden teilweise unter der Folter abgelegt, wovon CIA-Beamte US-Journalisten schon 2005 in Kenntnis setzten. Unter anderem sei Waterboarding eingesetzt worden, bei dem Wasser über ein Tuch auf dem Gesicht des Opfers gegossen wird und der Verhörte kaum mehr atmen kann. Nach Angaben der CIA habe Scheich Mohammed die Prozedur ungewöhnlich lang ausgehalten, zwei bis zweieinhalb Minuten, berichteten Reporter des Senders ABC. CIA-Offiziere hätten Waterboarding an sich selbst ausprobiert und es durchschnittlich 14 Sekunden lang ausgehalten.

Sollten prinzipielle ethische Einwände gegen Folter nicht genügen in der überheizten Terrorismusdebatte: Dem “geständigen” Scheich droht nun die Todesstrafe - in seiner Zelle kann er aber auch zu dem Schluss kommen, dass er “gewonnen” hat in Guantánamo. Er hat den Mythos seiner führenden Rolle beim Kampf gegen die ungläubigen USA aufgebauscht. Er hat so viel zugegeben, dass gar nicht alles stimmen kann und möglicherweise andere entlastet. Selbst Daniel Pearls Eltern bezweifeln die Geschichte von der “gesegneten Hand”. Scheich Mohammed war 2003 in Pakistan aufgegriffen worden. Bis zu seiner Verlegung nach Guantánamo hielt ihn die CIA in Geheimgefängnissen fest. Bei seiner Aussage vor dem Militärtribunal soll der Scheich von Quälereien gesprochen haben. US-Sicherheitskräfte hätten auch seine Kinder vier Monate lang eingesperrt und misshandelt, berichtet die Washington Post und beruft sich auf ein anscheinend versehentlich freigegebenes Protokoll dieser Aussagen.

In den vom US-Verteidigungsministerium publizierten Mitschriften sind die Misshandlungspassagen aus “Sicherheitsgründen” geschwärzt. Die Senatoren Carl Levin und Lindsey Graham, die beim Tribunal zugegen waren (freilich nicht im Tribunalraum selber) wollen nun nachfassen und wissen, was die CIA mit ihrem Starhäftling angestellt hat. Das Wort “Folter” wird in den USA nur selten ausgesprochen; man redet und schreibt lieber von “harten Verhörmethoden”. Gerade hat eine evangelikale christliche Menschenrechtsgruppe eine Resolution gegen Folter verabschiedet und ist von Glaubensgenossen prompt zurückgepfiffen worden: Er könne sich “bestimmte Umstände” vorstellen, bei denen Folter notwendig sei, erklärte der bekannte Baptistentheologe Albert Mohler, ein Anhänger des vom imperialen Rom zu Tode gefolterten Dissidenten Jesus Christus.

Die Geständnisse des tatsächlich einem Terrorverband angehörenden Chalid Scheich Mohammed sollen offenbar der Weltöffentlichkeit die umstrittenen Militärtribunale gegen Guantánamo-Häftlinge schmackhaft machen. Knapp 400 Gefangene sind derzeit noch in diesem Lager. Die Existenz - und der laufende Ausbau - der nach Ansicht vieler Rechtsexperten extralegalen Haftanstalt ist in den USA kein großes Thema, denn die Demokraten halten sich bedeckt. Allein ihr Versuch, den Krieg im Irak unter Kontrolle zu kriegen, verlangt große Kompromisse. In der Partei selbst ist man sich nicht einig, und die demokratische Mehrheit im Senat ist hauchdünn. So werden die Demokraten wohl erst einmal für mehr Geld im Irak stimmen, um böse Beschuldigungen zu kontern, die “liberalen” Politiker entzögen den inzwischen 160.000 Soldaten dort (mehr als jemals zuvor) die lebensnotwendige Ausrüstung. Repräsentantenhaussprecherin Nancy Pelosi hat denn auch einen Entwurf gestrichen, wonach kein Geld für einen Krieg gegen den Iran ausgegeben werden dürfe. Knapp zwei Jahre ist der republikanische Präsident George W. Bush noch im Amt. Der nächste Präsident oder die nächste Präsidentin erbt dann den Irak-Krieg und Guantánamo.

Quelle: Freitag   - Die Ost-West-Wochenzeitung 12 vom 23.03.2007. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Konrad Ege und des Verlags.

Veröffentlicht am

23. März 2007

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