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Zaudern und Zögern

Irak- und Iran-Politik der USA: Die Demokraten wollen Präsident Bush nicht wirklich in die Parade fahren

Von Konrad Ege

Die Zeiten, die Akteure und die politischen Umstände haben sich drastisch verändert: 1998 erhob das republikanisch kontrollierte Repräsentantenhaus eine Impeachment-Anklage gegen den demokratischen Präsidenten: Bill Clinton habe über seine Affäre mit der Praktikantin Monica Lewinsky gelogen. 2007 sind die Demokraten im Kongress in der Mehrheit: Ein Impeachment gegen den republikanischen Präsidenten - zum Beispiel wegen Informationsmanipulation zur “Begründung” des Irak-Krieges, Lauschangriffen ohne richterliche Genehmigung und Autorisierung von Folter (laut US-Gesetz verboten) - steht nicht auf der Tagesordnung der sich staatstragend gebenden Oppositionspartei. Wenigstens an der innen- und sozialpolitischen Front erfüllen die Demokraten seit ihrem Wahlsieg im November viele Versprechen. Der Kongress stimmte für die Erhöhung des gesetzlichen Mindeststundenlohnes von 5,15 auf 7,25 Dollar. Man votierte für Gelder für embryonale Stammzellenforschung, leitete Klimaschutzmaßnahmen in die Wege und startete sozialpolitische Vorstöße für höhere Studiendarlehen, Krankengeld und eine bessere staatliche Krankenversicherung für Senioren. Nach Jahren der Stagnation unter republikanischer “Herrschaft” ist nun Raum für Reformen oder zumindest für Debatten darüber.

Bei der Kriegsfrage allerdings sitzen die Demokraten ganz im Schatten des Präsidenten. George W. Bush wird zwar heftig kritisiert, umstritten bleibt aber, was der Kongress tun soll und kann, ist der Präsident doch der Oberkommandierende der Streitkräfte. Verfassungsrechtlich kann nur der Kongress einen Krieg erklären, hat der aber einmal begonnen, entscheidet der Präsident über den Einsatz der Armee. Der Kongress muss alle Gelder bewilligen, die von der Regierung ausgeben werden, könnte also den Geldhahn zudrehen und so Bush stoppen. Die Abgeordneten Lynn Woolsey, Barbara Lee und Maxine Waters bezwecken genau das mit einem Gesetzentwurf: Nach einer Frist von sechs Monaten gäbe es kein Geld mehr für den Krieg; die Streitkräfte müssten folglich abgezogen werden. Doch eine Mehrheit findet sich dafür nicht - man fürchtet, für das Desaster verantwortlich gemacht zu werden, das ein Irak-Abzug heraufbeschwören könnte, und zieht das vorhandene Desaster vor. Auch wenn der gerade veröffentlichte National Intelligence Estimate-Report, in dem die Geheimdienste ihre kollektiven “Weisheiten” zum Irak vorlegen, Bushs Politik skeptisch bewertet: Es gebe die “starke Möglichkeit” einer Steigerung von Gewalt und Chaos. Im Fall eines Ausstiegs sei allerdings mit “zahlreichen” zivilen Todesopfern zu rechnen.

Doch schon bald müssen die Demokraten - und die Republikaner, von denen sich viele zusehends von ihrem Präsidenten distanzieren - Farbe bekennen. George Bush hat in dieser Woche seinen Haushaltsentwurf vorgelegt. Für das Fiskaljahr 2007, das im September zu Ende geht, soll der Kongress hundert Milliarden Dollar für Irak und Afghanistan bewilligen, zusätzlich zu den 70 Milliarden, die bereits in der Pipeline sind. Wer da mit Ja abstimmt, tut wohl nicht das, was den Wählern vorschwebte, die im November für die Demokraten stimmten, um den Krieg zu beenden. Schon zweimal in der jüngeren Geschichte hat der Kongress einem kriegesorientierten Präsidenten Gelder verwehrt: Ende 1970 beschloss eine Mehrheit, nichts mehr für US-Bodentruppen in Kambodscha zu bewilligen, und im Juni 1973 legte der Kongress fest, ab wann die Mittel für Operationen in Indochina überhaupt gesperrt sein würden.

Gut bleiben die Zeiten für die Rüstungsfirmen. Der Wert einer Lockheed Martin-Aktie hat sich seit 2000 verdreifacht, und die Erdölmultis haben noch nie so große Gewinne eingefahren wie heute. Während die Firmen absahnen und die Demokraten zum Irak unschlüssig sind, legt die Regierung den Grundstein für einen möglichen weiteren Krieg in Nahost. Von New York Times bis CBS häufen sich - unter Berufung auf Regierungsbeamte - die Berichte über iranische Interventionen im Irak, über Trainingscamps und Waffenlieferungen für dortige Milizen. Und man findet kaum Demokraten, die auf Parallelen zu den Monaten vor dem Irak-Krieg aufmerksam machen.

Quelle: Freitag   - Die Ost-West-Wochenzeitung 06 vom 09.02.2007. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Konrad Ege und des Verlags.

Veröffentlicht am

09. Februar 2007

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