Lebenshaus Schwäbische Alb - Gemeinschaft für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Ökologie e.V.

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Anregende Tagung “We shall overcome!” in Gammertingen

Gammertingen: Der Verein "Lebenshaus Schwäbische Alb - Gemeinschaft für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Ökologie" hatte auch in diesem Jahr für den 16. Oktober 2021 zu seiner bereits 9. Tagung "’We shall overcome!’ Gewaltfrei für die Vision einer Welt ohne Gewalt und Unrecht" ins evangelische Gemeindehaus nach Gammertingen eingeladen. Dabei haben Klaus Pfisterer, Thomas Gebauer und Karen Hinrichs über ihr jahrzehntelanges Engagement berichtet. Die trotz Corona-Bedingungen über 50 Teilnehmenden meldeten zurück, dass sie die Tagung als sehr anregend, bewegend und ermutigend empfunden hätten.

Mit dieser Veranstaltungsreihe verfolgt der Verein das Ziel, Menschen, die seit vielen Jahren für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Ökologie eintreten, ausführlich mit ihren Lebensgeschichten, mit ihren Aktivitäten und Erfahrungen zu Wort kommen zu lassen und damit anderen Hoffnung und Mut zum eigenen Handeln zu machen. Auch wenn die bei diesen Tagungen referierenden Personen in der Öffentlichkeit wenig bekannt sind, so tragen sie aus Sicht des „Lebenshauses“ doch durch ihr kontinuierliches Engagement in unterschiedlichen Organisationen wesentlich dazu bei, dass Gerechtigkeit, Frieden und Ökologie weiter entwickelt werden können.

Den Auftakt bei der Tagung machten Katrin Warnatzsch und Michael Schmid vom „Lebenshaus Schwäbische Alb" und berichteten, veranschaulicht durch zahlreiche Bilder, über die verschiedenen Arbeitsfelder und Erfahrungen des Vereins.

Umrahmt wurde die Tagung in bewährter Weise von einem wundervollen, bunten und ausdrucksstarken musikalischen Programm mit Gesang, Cello und Gitarre, dargeboten von Gabriele Lang und Bernd Geisler und weiteren Mitgliedern des Aktionsorchesters „Lebenslaute“, die immer wieder gewaltfreie Aktionen unterstützen.

Als erster Referent konzentrierte sich Klaus Pfisterer auf seine Schwerpunkte Kriegsdienstverweigerung, Atomwaffen abschaffen und Friedensbildung.
Motiviert seit seiner eigenen Kriegsdienstverweigerung 1973 engagiert sich der gebürtige Mannheimer seitdem in der Beratung und Unterstützung von Kriegsdienstverweigerern im Rahmen der „Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK)“. Für viele der Zuhörer wurden eigene Erinnerungen wach, als er sehr anschaulich und lebendig über die zahlreichen Schwierigkeiten und Vorurteile berichtete, mit denen in dieser Zeit Kriegsdienstverweigerer und Zivildienstleistende konfrontiert waren.
1983 war er mehrere Monate im Aktionsbüro der Friedensbewegung gegen die Stationierung neuer Pershing II-Raketen aktiv, um dort am Gelingen der Menschenkette von Stuttgart nach Neu-Ulm mitzuwirken, an der rund 400.000 Menschen teilnahmen. So konnte er auch über wenig bekannte, sowohl spannende als auch witzige Einzelheiten aus diesem Stück Zeitgeschichte berichten.
Kaum bekannt sein dürfte auch der Einfluss des Verteidigungsministeriums auf die Bildung, vor allem in den Schulen. Zu diesem Thema gilt Klaus Pfisterer, studierter Sonderpädagoge, als ausgewiesener Fachmann und konnte seinen Zuhörenden eindrucksvoll und detailreich über Gespräche und Verhandlungen im Kultusministerium berichten. Ziel dabei sei, die Bundeswehr aus der Schule zu verdrängen. Solange dies nicht zu erreichen sei, sollen Aktive der Friedensbewegung mindestens einen Zugang in die Schulen bekommen, wie ihn derzeit Vertreter der Bundeswehr haben, um Alternativen zur militärischen Verteidigung im Unterricht vorstellen zu dürfen. Und noch wichtiger sei der Ausbau der "Servicestelle Friedensbildung" mit mehr Geld und Personal sowie die Einrichtung eines Lehrstuhls für Friedensbildung an einer Universität in Baden-Württemberg.

Der zweite Referent, Thomas Gebauer, Diplom-Psychologe, kam Ende der 1970er Jahre während seines Zivildienstes zu der sozialmedizinischen Entwicklungshilfe- und Menschenrechtsorganisation „medico international“. Dort war er jahrelang als Geschäftsführer tätig und ist auch heute noch dort aktiv. Mit seinem umfassenden Verständnis von globaler Gerechtigkeit und seinem Wissen über den mitunter durchaus zwiespältigen Charakter von Hilfe zog er das Auditorium in seinen Bann. Er schilderte, wie er zu seinem Engagement kam und welche Erlebnisse und Erfahrungen in den verschiedensten Kriegs- und Katastrophengebieten der Welt ihn prägten. So erlebte er u.a., wie sehr Menschen unter ihren Kriegsverletzungen leiden und musste dabei erkennen, dass eine praktische Hilfe, wie z.B. eine Prothese für die Betroffenen, zwar sehr wichtig und hilfreich ist, aber letztlich all diese Hilfen nichts an den Ursachen von Krieg ändern. So initiierte er zusammen mit Freunden die „Internationale Kampagne zum Verbot von Landminen“, die für ihre Aktivitäten 1997 den Friedensnobelpreis erhielt. Mit all diesen Erfahrungen schätzt Thomas Gebauer es heute als sehr wichtig ein, dass sich Menschen und Gruppen weltweit vernetzen und sich als eine Art Weltöffentlichkeit für gemeinsame Projekte einsetzen.

Als dritte Referentin berichtete Karen Hinrichs sehr persönlich über ihren familiären Hintergrund und ihren Werdegang als Pfarrerin bis hin zur Oberkirchenrätin der Evangelischen Landeskirche in Baden und ganz aktuell als Leiterin des neugeschaffenen Friedensinstituts der Evangelischen Hochschule Freiburg. Ihr Friedensengagement begann 1978 mit der Unterzeichnung der Selbstverpflichtungserklärung von „Ohne Rüstung Leben“. Mit ihrem Beitrag machte sie am eigenen Beispiel deutlich, wie wichtig es ist, sich persönlich weiterzuentwickeln, beharrlich zu bleiben und einem Friedensengagement langfristig zu folgen. Sie verdeutlichte das am Beispiel von Veränderungen im Selbstverständnis und in der Praxis der badischen Landeskirche, die im Zuge eines von ihr mitgeprägten „friedensethischen Konsultationsprozesses“ angeregt und weiterentwickelt wurden. Nachfragen und Meinungsäußerungen aus dem Publikum verdeutlichten, wie wichtig Menschen wie Karen Hinrichs in ihren jeweiligen Kirchen sind, und dass man doch, auch entgegen mancher Erfahrung und Sorge, Einfluss im Sinne eines Konziliaren Prozesses von Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung nehmen kann.

Szenische Lesung "Run Soldier Run"

In einer Collage zu Krieg, Desertion, Verweigerung und Asyl wechselten Talib Richard Vogl und Rudi Friedrich zwischen Texten von Verweigerern und Verweigerinnen ab mit Szenen, Gedichten und Liedern. In dem Programm „Run Soldier Run“ standen vier Personen für viele andere: Sie widersetzen sich dem Gehorsam, dem Militär, dem Krieg. Die dargebotenen Geschichten machten deutlich, was es bedeutet, Nein zu sagen. In Ländern wie Türkei, Ukraine, USA oder auch Eritrea werden Armee, Militärdienst oder Wehrpflicht als etwas scheinbar Selbstverständliches hingenommen. Doch Friedrich und Vogl machten Brüche und Risse in diesem Bild sichtbar, denn jeden Tag geschehen Kriegsdienstverweigerung und Desertion. Mit ihrem neuen Programm "begeisterten sie das Publikum und lösten nicht enden wollenden Applaus aus", so ein Teilnehmer der Tagung "We shall overcome!" in Gammertingen.

Veröffentlicht am

20. Oktober 2021

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