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Gustav Landauer: Abschaffung des Kriegs durch Selbstbestimmung

Ein neues Lesebuch mit ausgewählten Texte 1895-1919 – herausgegeben in Kooperation mit dem Lebenshaus Schwäbische Alb

Von Redaktion der Schalom-Bibliothek.org

Gustav Landauer: Abschaffung des Kriegs durch Selbstbestimmung. Ausgewählte Texte 1895-1919. Bearbeitet von Peter Bürger und Jan Rolletschek. (= edition pace 41 ǀ Regal: Pazifisten & Antimilitaristen aus jüdischen Familien 14). Hamburg: BoD 2025. (ISBN: 978-3-8192-4282-3; Paperback; 376 Seiten; 15,99 €).
https://buchshop.bod.de/abschaffung-des-kriegs-durch-selbstbestimmung-gustav-landauer-9783819242823

In seinem Aufsatz "Vom Krieg" brachte der anarchistische Schriftsteller Gustav Landauer (1870-1919) seine Fundamentalkritik 1913 prägnant zur Sprache: "Die Lungenentzündung beizubehalten, das Fieber aber abzuschaffen, geht nicht; die Staaten existieren zu lassen, mit dem Krieg aber aufzuhören, ist unmöglich." In Kooperation mit dem Lebenshaus Schwäbische Alb hat die "Schalom-Bibliothek" in der Reihe "Pazifisten und Antimilitaristinnen aus jüdischen Familien" jetzt ein Lesebuch mit Texten Landauers zu Kriegs- und Friedensdiskursen herausgebracht ( Digitalband ).

Im Zentrum der von Peter Bürger und Jan Rolletschek bearbeiteten Auswahl steht der Band "Rechenschaft". Unter diesem Titel hat Gustav Landauer im März 1918 seine seit 1909 gegen den Krieg geschriebenen Aufsätze zusammengefasst, um sie gleich nach dessen Ende erscheinen zu lassen.

Zwei kleinere Abteilungen gehen voran. Zum einen vier ‚Wegtexte‘ aus den Jahren 1901 bis 1915, in denen Landauer Fragen von Gewalt und Gewaltlosigkeit diskutiert, sich mit seinem Judentum auseinandersetzt oder in gedrängter Form sein antipolitisches Projekt umreißt; zum anderen einige Texte, welche die Themen Gewaltlosigkeit, Militarismus und Militärdienst behandeln, aber außerhalb der Sammlung "Rechenschaft" stehen und zudem durch einen direkten oder indirekten Bezug auf Tolstoi zusammengehalten werden. In einem weiteren Abschnitt werden exemplarische Wortmeldungen und Briefe Landauers aus den Zeiten von Krieg und Revolution dargeboten.

Ein Anhang enthält u.a. Gedichte von Landauers Lebensgefährtin Hedwig Lachmann (1865-1918), Texte von Erich Mühsam (1920) und Emil Julius Gumbel (1924) sowie eine "Chronologie zu Leben und Werk Gustav Landauers" von Dr. Siegbert Wolf. Die Einleitung hat Jan Rolletschek verfasst.

Martin Buber über Gustav Landauer (1919) ǀ "Da kam der Krieg. Landauer hatte von 1909 an diesen Krieg vorhergesagt. Er hatte gezeigt, daß der Gewaltstaat nach außen hin nichts anderes sein kann als ‚eine Kampforganisation zur Behauptung und Eroberung gegen die anderen Staaten‘. Er hatte gezeigt, daß das aus diesem Wesen des Staates hervorgegangene System des bewaffneten Friedens zum Krieg der großen Staaten gegeneinander führen muß; er hatte in zwanzig denkwürdigen Aufsätzen und Flugschriften die nahende Katastrophe beschrieben. Er hatte unablässig gewarnt und gemahnt; aber nicht zur Erhaltung des Friedens gemahnt: er wußte, daß es zwischen den Staaten keinen Frieden geben kann; nicht zu internationalen Vereinbarungen: er wußte, daß sie nur durch Phrasen und Gesten die öffentliche Lüge verdecken können; er mahnte zu dem einzigen wahren Kampf gegen den Krieg, zum Kampf gegen den Staat; er mahnte zu einem Generalstreik der Arbeiter, der aber nicht ein Nein, sondern den Anfang eines neuen Ja bedeuten würde. Aber sein Wort hatte die in der Parteidogmatik und Parteitaktik befangenen Massen nicht ergriffen. Was er angesagt hatte, traf ein. Und damit fiel zusammen, was er in Jahren stiller Arbeit aufgerichtet hatte. Denn unter der Militärdespotie konnte es keine wahrhaft sozialistische Sache mehr geben, keinen sozialistischen Bund, keine sozialistische Schrift, keine sozialistische Rede. – Im Anfang des Krieges, ehe Landauer seiner Sache verstummte, sprach er noch als erster das wesenhafte Wort, das in späteren Jahren viele nachgesprochen haben, das damals aber unempfangen und unerwidert blieb: ‚Keiner ist schuldig, alle sind schuldig. Alle – auch wir sind schuldig.‘ Fortan trug er durch die Jahre des Krieges in schweigsamem Herzen ‚das unstillbare Verlangen nach der Stunde, wo dieser Riese, der Krieg der andern, rasselnd zu Boden bricht und, nach einem Augenblick zauberhafter Verwandlung und Erneuerung, aufsteht als mein Krieg um die Durchsetzung und den Umschwung‘. Diesem Augenblick entgegenharrend, schwieg er fortan von seiner Sache. […] Seiner Ausgabe von Briefen aus der französischen Revolution schickte er im Juni 1918 den Wunsch voraus, ‚die intime Kenntnis des Geistes und der Tragik der Revolution möchte uns in den ernsten Zeiten, die vor uns stehen, eine Hilfe sein‘. Und wieder traf es ein: der Augenblick, dem er entgegengeharrt hatte, kam. Der Krieg endete, wie er enden mußte, und in dem besiegten Deutschland brach die Revolution aus, oder ein Etwas, das sich Revolution nannte." (Martin Buber: Gustav Landauer und die Revolution (1919). In: Martin Buber – Werkausgabe. Bd. 11. Schriften zur politischen Philosophie und zur Sozialphilosophie. Teilband 1: 1906–1938. Hg. & kommentiert von Stefano Franchini, eingeleitet von Franceso Ferrari. Gütersloh 2019, S. 172-183, hier S. 174-175.)

Zur Biographie ǀ Gustav Landauer (geboren am 7. April 1870 in Karlsruhe; ermordet am 2. Mai 1919 im Gefängnis Stadelheim in München): Anarchist, Schriftsteller, Publizist, Übersetzer, Philosoph, Antipolitiker und Antimilitarist. Er gilt als bedeutendster Vertreter des anarchistischen Sozialismus im deutschsprachigen Raum. Bis 1917 war er als Redakteur, Redner und Organisator zahlreicher libertärer Projekte hauptsächlich in Berlin aktiv. Landauer war Mitbegründer u.a. der Neuen freien Volksbühne (1892), der Konsumgenossenschaft "Befreiung" (1895), des Sozialistischen Bundes (1908) und der Zentralstelle Völkerrecht (1916). Im November 1918 ging er nach München, wo er in den Revolutionären Arbeiterrat kooptiert wurde. Während der ersten Räterepublik vom 7. bis 13. April 1919 war er "Volksbeauftragter für Volksaufklärung" (ehem. Kultusminister). Im Zuge der Niederschlagung der zweiten, kommunistischen Räterepublik wurde Landauer verhaftet und am 2. Mai bei seiner Einlieferung in das Gefängnis Stadelheim von einer Soldateska gelyncht.

Bibliotheksportal | Alle Publikationen des Regals "Pazifisten und Antimilitaristinnen aus jüdischen Familien" erscheinen zunächst als Digitale Erstausgaben und sind frei abrufbar auf dem Projektportal www.schalom-bibliothek.org – dort auch alle Informationen zu den bisherigen Buchangeboten.

Veröffentlicht am

17. Dezember 2025

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