Recht siegt gegen Rechtsruck - Bundesregierung muss menschenrechtliche Aufnahmen von gefährdeten Afghan:innen fortsetzenFür den 1. September wird die Einreise von 50 Personen erwartet, darunter auch eine Hauptantragstellerin, für die der Tübinger Verein move on den Antrag eingebracht hatteEnde August hat die Bundesregierung ihre Blockadehaltung gegen die Aufnahme von Menschen, die bereits seit Längerem eine Aufnahmezusage im Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan (BAP) und parallelen Programmen hatten, aufgegeben. Bereits am 1. September wird die Ankunft von etwa 50 Menschen am Flughafen Hannover erwartet (12 Hauptantragsteller:innen und Angehörige) Auch eine Frauenrechtlerin und Politikerin, für die der Verein move on - menschen.rechte Tübingen e.V. bereits im Jahr 2022 einen Antrag im BAP eingebracht hatte, hat das Aufnahmevisum erhalten und wird in Deutschland ankommen. Die Ampelregierung hatte Ende April die Aufnahmeflüge aus Pakistan eingestellt und der neuen Regierung das Weitere überlassen. Diese hatte im Koalitionsvertrag vereinbart, alle sogenannten freiwilligen Aufnahmeprogramme "soweit wie möglich" zu beenden. Als eine seiner ersten Amtshandlungen zog der neue Innenminister Dobrindt (CSU) das Sicherheitspersonal aus Pakistan ab und erklärte die weitere Aufnahme von Afghan:innen für ausgesetzt. "Das Umdenken kam jetzt nicht aus Einsicht in die menschenrechtliche Verantwortung, sondern aufgrund zahlreicher erfolgreicher Gerichtsurteile", sagt Andreas Linder, Geschäftsführer von move on - menschen.rechte Tübingen e.V. Über 20 Eilrechtsschutzklagen am Verwaltungsgericht Berlin mit dem Ziel der Zuerteilung des Visums und der Zulassung der Einreise wurden angenommen - darunter auch zwei Fälle des Tübinger Vereins. Über zahlreiche weitere Eilrechtsklagen stehen die Entscheidungen noch aus. Bei der Klientin des Tübinger Vereins hat sich herausgestellt, dass das Visum bereits Ende April erteilt, aber nicht ausgegeben wurde. Zum damaligen Zeitpunkt war das gesamte Verfahren bereits erfolgreich abgeschlossen und die Einreise nach Deutschland hätte zugelassen werden können, doch aus (migrations-)politischen Gründen geschah dies nicht. Es wird davon ausgegangen, dass bei allen Fällen, bei denen jetzt die Einreise zugelassen wird, ein erfolgreiches gerichtliches Eilrechtsverfahren vorliegt. In vielen anderen Fällen wird das Verfahren weiter andauern und es besteht auch weiterhin die Gefahr der (politisch motivierten) Rücknahme der Aufnahmezusage. Genauso entscheidend für das Umdenken dürften die Vorgänge ab 12. August in Pakistan gewesen sein. Bei tagelangen Abschieberazzien gegen afghanische Geflüchtete verhafteten die Behörden des pakistanischen Staats, der sich bekanntlich nicht an das internationale Flüchtlingsrecht hält, über 400 Personen aus den deutschen Aufnahmeprogrammen, um diese nach Afghanistan abzuschieben. 210 dieser Personen wurden tatsächlich nach Afghanistan abgeschoben, darunter auch eine Familie, für die unser Verein einen Antrag gestellt hatte. Für diese Menschen hat die Deutsche Botschaft jetzt in Kabul eine Unterkunft angemietet, von wo aus die Wiedereinreise nach Pakistan betrieben werden soll. Bei weiteren 200 Personen, die bereits in Haftcamps in Pakistan gebracht wurden, konnten die deutschen Stellen die Abschiebung nach Afghanistan gerade noch verhindern. Diese Menschen konnten zum Teil wieder in die Unterkünfte in Islamabad zurückkehren. Nach diesen Vorkommnissen zog auch das Auswärtige Amt die Eilbedürftigkeit der Klagen nicht mehr in Zweifel und verzichtete auf die Einreichung von Beschwerden beim Oberverwaltungsgericht. Laut Medienberichten habe das Bundesinnenministerium jetzt wieder Personal für die Bearbeitung von Sicherheitsüberprüfungen nach Pakistan geschickt, um die Aufnahmeverfahren der dort noch verbleibenden rund 2.300 Personen mit Aufnahmezusage für Deutschland fortzusetzen. Das Auswärtige Amt soll eine Absprache mit der pakistanischen Seite getroffen haben, dass bis Ende dieses Jahres weitere Übergriffe auf diesen Personenkreis ausbleiben sollen. Gleichwohl ist bekannt, dass der pakistanische Staat die Abschieberazzien gegen afghanische Geflüchtete bereits ab Anfang September massiv fortsetzen will. "Wir Meldestellen und NGOs haben immer wieder vor den drohenden Abschiebungen gewarnt und haben darauf hingewiesen, dass diesen Menschen im Fall von Abschiebungen schwere Menschenrechtsverletzungen in Afghanistan drohen", sagt Andreas Linder. "Statt weiter Menschenleben zu gefährden, muss die Bundesregierung jetzt so schnell wie möglich die Verfahren fortsetzen und die Visa für die Menschen mit Aufnahmezusage erteilen." Als Fakt kann angesehen werden, dass die Bundesregierung nicht nur von den geplanten Abschiebungen durch die pakistanischen Behörden wusste (vgl. FR 30.8.25 ), sondern solche Ereignisse bewusst in Kauf genommen hat und auch weiterhin keine Eile sieht. So ließ sich Dobrindt am Rande des Tags der Offenen Tür des BMI mit folgendem Satz zitieren: "Ich mache es ordentlich und deswegen wird es auch dauern." [nbsp](RND 25.8.25) Doch je länger es dauert, desto höher ist die Gefahr weiterer Abschiebungen, ein zynischer Wettlauf auf Kosten der Betroffenen. Kritische Stimmen haben dies bereits als "bürokratische Folter" bezeichnet (vgl. Hannoversche Allgemeine 25.8.25). Zahllose Menschen, darunter politisch aktive Frauen, die gegen das Taliban-Regime kämpfen und von diesem verfolgt und misshandelt werden, werden sowieso im Stich gelassen, wenn nicht die Zivilgesellschaft den Schutz auch solcher Menschen wieder erkämpft. "With a heavy heart and after years of suffering, I find it extremely difficult to express the depth of the pain and injustice we continue to endure. For over four years, my family and I like so many others have been trapped in a cycle of trauma and displacement. The persecution we fled from in Afghanistan has now followed us across borders, and it feels as though we have no safe place left to turn. …On Wednesday, August 13, our guesthouse in Islamabad … was raided aggressively by Pakistani police. The situation escalated so quickly and so intensely that I had no opportunity to contact you or even gather basic necessities, such as clothing, for my family. We were told it was a brief biometric procedure and that we would return shortly but this turned out to be false. At approximately 12:30 pm, everyone in the guesthouse, including us, was forcibly detained and transferred to Haji Camp. We were held there for two days and two nights in extremely inhumane conditions. Without any due process or explanation, we were then deported via the Torkham border. …" BAP-Antragsteller und Familienvater nach der Abschiebung von Pakistan nach Afghanistan (E-Mail 18.8.25) Siehe auch:
Quelle: move on - menschen.rechte Tübingen e.V. - Pressemitteilung 31.08.2025. Veröffentlicht amArtikel ausdruckenWeitere Artikel auf der Lebenshaus-WebSite zum Thema bzw. von |
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