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Ukraine: Verschärfte Rekrutierung, aber kein Recht auf Kriegsdienstverweigerung

Connection e.V. und DFG-VK protestieren gegen Gesetzentwurf

Mit dem gestern vom ukrainischen Parlament in 1. Lesung beschlossenen Entwurf zur Änderung des Militärdienstgesetzes wird die Rekrutierungspraxis im Land geändert. Connection e.V. und die Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) wenden sich gegen diese Verschärfung und fordern sowohl die ukrainische Regierung wie auch die Europäische Union auf, den Schutz von Kriegsdienstverweiger*innen sicherzustellen.

"Kriegsdienstverweigerung ist ein Menschenrecht", erklärt Rudi Friedrich von Connection e.V. "Das hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in einer Grundsatzentscheidung festgestellt. Die Ukraine hält sich nicht daran, schickt Verweiger*innen an die Front oder unterwirft sie langen Haftstrafen. Das ist nicht hinnehmbar."

"Allen, die sich dem Krieg verweigern, muss Schutz gewährt werden - sowohl aus der Ukraine als auch aus Russland", ergänzt der politische Geschäftsführer der DFG-VK, Michael Schulze von Glaßer: "Deutschland darf keine Geflüchteten, denen Zwangsrekrutierung droht, abschieben."

Mit der Gesetzesänderung soll eine umfassende Meldepflicht im Militärregister eingeführt werden, die auch für Frauen in medizinischen Berufen gilt. Über eine elektronische Datenbank soll es möglich sein, Musterungs- und Einberufungsbescheide auch online verbindlich zuzustellen, um damit auch auf im Ausland lebende Ukrainer*innen zuzugreifen. Zugleich drohen Militärdienstpflichtigen, die Vorladungen nicht folgen, der Entzug des Führerscheins und das Einfrieren ihrer Konten.

Der Menschenrechtsbeauftragte des ukrainischen Parlaments, Dmytro Lubinets, hatte im Vorfeld den Entwurf kritisiert , unter anderem weil dort kein Recht auf einen alternativen Dienst vorgesehen ist. Später zog er diese Kritik zurück. "Der Druck des Militärs ist enorm", sagte Yurii Sheliazhenko von der Ukrainischen Pazifistischen Bewegung dazu. Die Gruppe setzt sich in der Ukraine für das Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung ein.

Da das Recht auf Kriegsdienstverweigerung ausgesetzt ist, werden Kriegsdienstverweiger*innen seit Beginn des Krieges zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt, zum Teil auf Bewährung. In einigen Fällen wurden Kriegsdienstverweiger*innen ohne Verfahren ins Kriegsgebiet geschickt. Yurii Sheliazhenko von der Ukrainischen Pazifistischen Bewegung schreibt dazu in einer ausführlichen Stellungnahme : "Unsere Recherche ergab, dass in jüngster Zeit acht Urteile ergangen sind, mit denen Kriegsdienstverweigerer bestraft wurden. Ihnen wurde das Recht auf Zugang zu einem Alternativdienst verweigert."

Kriegsdienstverweiger*innen werden in der Regel als Militärdienstentzieher nach Art. 336 des Strafgesetzbuches wegen Umgehung der Einberufung während der Mobilisierung verfolgt. Dies kann mit einer Gefängnisstrafe von drei bis fünf Jahren sanktioniert werden, die zur Bewährung ausgesetzt werden kann. Eine Bewährung hat zur Folge, dass bei einer erneuten Einberufung und Verweigerung die Haftstrafe anzutreten ist.

Die Ukrainische Pazifistische Bewegung weist darauf hin, dass in der Ukraine die Zahl der Strafverfahren wegen Militärdienstentziehung, Unerlaubter Abwesenheit und Desertion zwischen 2022 und 2023 erheblich gestiegen ist. So wurden zwischen Januar und September 2023 fast 19.000 Strafverfahren wegen Militärstraftaten durchgeführt.

Nach Schätzungen von Connection e.V. befinden sich über 325.000 militärdienstpflichtige Ukrainer*innen in der Europäischen Union, davon etwa 100.000 Personen in Deutschland. Sie erhalten durch die Anwendung der Massenzustromrichtlinie bis zum 4. März 2025 einen befristeten humanitären Aufenthalt. Unklar ist, ob ukrainische Geflüchtete anschließend zurückkehren müssen. In diesem Fall würde Militärdienstpflichtigen die Rekrutierung oder Strafverfolgung drohen.

"Schon jetzt wenden sich viele Ukrainer*innen an Connection e.V.," so Rudi Friedrich, "um zu erfahren, wie sie einer Rekrutierung und Strafverfolgung entgehen können. Sie sind beunruhigt über die Forderungen der ukrainischen Regierung, sie auszuliefern. Und hier ist klar zu sagen: Für diese Forderungen gibt es keine rechtliche Handhabe. Eine Auslieferung wegen Militärstrafvergehen ist aufgrund des Europäischen Auslieferungsabkommens ausgeschlossen."

"Niemand darf gezwungen werden", mahnt Michael Schulze von Glaßer, "eine Waffe in die Hand zu nehmen und andere Menschen zu ermorden - und niemand darf gezwungen werden, sich den tödlichen Gefahren an der Front auszuliefern."

Das Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung, so Connection e.V. und DFG-VK ist ein für alle Menschen gültiges und unveräußerliches Menschenrecht, das auch in Zeiten eines Krieges zu gelten hat. "Daran ist die Ukraine zu messen", ergänzt Schulze von Glaßer. "Forderungen aus der deutschen Politik, auf die Forderungen der Ukraine einzugehen und zum Beispiel das Bürgergeld zu kürzen, verurteilen wir scharf. Sie dürfen nicht schlechter behandelt werden als andere Geflüchtete. Vielmehr ist es angesichts der Lage der Kriegsdienstverweigerer aus der Ukraine notwendig, ihnen dauerhaften Schutz zu gewähren."

Weitere Informationen unter:

Quelle: Connection e.V. und Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) - Pressemitteilung vom 08.02.2024.

Veröffentlicht am

08. Februar 2024

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