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Ein Denkanstoß: Gründe für und Elemente eines Strategiewandels des Westens für den Krieg in der Ukraine

Von Thomas Nielebock

Seit gut 20 Jahren beobachten wir in der internationalen Politik eine Regression hin zu einer auf militärische und ökonomische Gewalt gestützte national-orientierte Machtpolitik. Sie geht mit der Bereitschaft einher, auch auf Krieg als Mittel der Entscheidungsfindung zurückzugreifen. Die Kriegsmittel wurden nach 1990 allen Behauptungen einer "Friedensdividende" zum Trotz - weder in Europa noch in der Welt - wirklich abgebaut oder umfassend eingehegt. Vielmehr wurden die Chancen zum Aufbau einer europäischen Friedensordnung verpasst sowie die wenigen Begrenzungen der Kriegsmittel durch Rüstungskontrolle aufgekündigt. Damit einher ging, dass die Rivalität der Großmächte um Vorherrschaft zunahm. Diese überlagert heute wieder verstärkt lokale und regionale Konflikte und blockiert die unabdingbar notwendige Kooperation zur Bewältigung globaler Krisen und die Handlungsfähigkeit der dafür geschaffenen Institutionen und Foren.

Ein Ausdruck dieser regressiven Entwicklung in der internationalen Politik ist auch der - aufgrund der völkerrechtswidrigen Invasion der russischen Armee und der militärischen Gegenwehr der Ukraine - seit über eineinhalb Jahren tobende Krieg in diesem Land. Die Opferzahlen sind unbekannt, gehen aber wohl in die Hunderttausende; die Kriegsschäden sind immens, so dass schon jetzt von Wiederaufbaukosten in Höhe von 800 Mrd. Euro gesprochen wird; zur Flucht vor dem Krieg sind bisher rund 13 Millionen Menschen aus und in der Ukraine aufgebrochen; mehr als 18 Millionen Menschen in der Ukraine sind auf humanitäre Hilfe angewiesen; die seelischen Leiden und der Grad von Feindschaft, Hass und Verrohung sind nicht zu quantifizieren, aber tiefgreifend und nachhaltig und wirken deshalb heute schon und auch künftig verheerend auf das Zusammenleben der Menschen und Gesellschaften in den kriegsführenden und den mit ihnen verbündeten Ländern.

Es gibt nur wenige, die sich nicht ein Ende des Krieges in der Ukraine wünschen würden. Jedoch hat man den Eindruck, dass die politischen Entscheidungsträger so stark in einem "Weiter-so" verfangen sind, dass ein aktives Bemühen nicht zu beobachten ist, diesen Krieg zu beenden. Es erscheint deshalb nochmals sinnvoll, die Annahmen einer Politik des "Weiter-so" zum einen zu reflektieren und zum Zweiten im Hinblick auf deren Risiken zu bewerten. Zum Dritten wirft die Forderung nach einer diplomatischen Beendigung des Krieges die Frage auf, welche Möglichkeiten die eigene Regierung hätte, einen solchen Weg zu befördern, und welche Strategie und welche konkreten Schritte eine Chance für eine Kriegsbeendigung eröffnen könnten. Diesen drei Themen soll im Folgenden nachgegangen werden. Es soll ein erster analytischer und konzeptioneller Denkanstoß zur Diskussion sein. Die Bedingungen dafür, dass er politik-mächtig wird, können hier nicht diskutiert werden. Aber konzeptionelle Alternativen zur derzeitigen Politik sind gefragt, auch wenn deren Diskussion eher unerwünscht erscheint. Das Wesen der Demokratie besteht konstitutiv darin, sich gerade in verfahrenen Krisen mit anderen Wegen zu befassen und ggf. dafür zu werben.

Quelle:  Beueler Extradienst - 25.11.2023.

Veröffentlicht am

21. Dezember 2023

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