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Harald Kujat: “Die Ukraine kann diesen Krieg nicht gewinnen”

Politiker stellten die Lage zu rosig dar. "Hunderttausende ukrainische Soldaten wurden getötet oder gefechtsunfähig verletzt". 

Von Urs P. Gasche.

Hauptaufgabe der Regierung in Kiew sollte sein, die Bevölkerung des Landes maximal zu schützen. Stattdessen opfere man Hunderttausende von Männern und einen großen Teil der Infrastruktur des Landes, um Land zurückzuerobern.

Beim Land handelt es sich um den Donbas und die Krim, wo eine russischsprachige Bevölkerung stets für eine Autonomie kämpfte und im Zweifelsfall eher zu Russland neigte.

"Der Krieg hätte verhindert werden können"

Kujat gab sich überzeugt, dass der Krieg "hätte verhindert werden können", aber der Westen nicht verhandlungsbereit gewesen sei. Seit dieser Aussage wird Kujat von großen Medien als Gesprächsteilnehmer stark gemieden. General a.D. Harald Kujat war Generalinspekteur der Bundeswehr und als Vorsitzender des Nato-Militärausschusses von 2002 bis 2005 der höchste Befehlshaber der NATO.

Man dürfe den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands auf keinen Fall schönreden. "Aber man hat nichts getan, um zu versuchen, ihn zu verhindern." In einem Interview im Kanal HKCM vom 5. November erinnerte Kujat daran, dass Präsident Putin den USA und der NATO am 17. Dezember 2021 Vorschläge für Verhandlungen zustellte, welche die Sicherheitsinteressen aller Seiten berücksichtigen sollten. Es ging um den in Aussicht gestellten NATO-Beitritt der Ukraine und um die russischsprachige Bevölkerung im Donbas, denen das Minsker Abkommen eine Autonomie versprach, die Kiew jedoch nie gewährte.

Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock habe jedoch wie die USA darauf beharrt, dass jedes Land das Recht habe, der NATO beizutreten: "Man hat nicht ernsthaft versucht, diesen Krieg zu verhindern."

"Der Krieg hätte frühzeitig beendet werden können"

Sechs Wochen nach dem russischen Überfall hätte man den Krieg nach Meinung von Kujat beenden können. In Istanbul sei ein Verhandlungsergebnis vorunterzeichnet (paraphiert) worden. Kujat hielt den ausgehandelten Vorschlag für akzeptabel. Es sei deshalb "besonders bedauerlich", dass der britische Premierminister Boris Johnson nach Kiew geflogen sei, um eine Unterzeichnung zu verhindern.

Auch im Sommer 2022, bevor Russland im September eine Teilmobilmachung beschloss, habe Putin seine Verhandlungsbereitschaft wiederholt, sofern die beidseitigen Sicherheitsbedürfnisse anerkannt würden.

Im März 2023 plädierte Kujat dafür, die sich abzeichnende militärische Pattsituation für Verhandlungen auszunützen. Infosperber hatte darüber informiert.

"Die Ablehnung kam stets vom Westen", sagte jetzt Kujat. Präsident Selensky habe sogar ein Dekret unterschrieben, das jegliche Verhandlungen mit Russland verbietet. Doch eine weitere Möglichkeit für Verhandlungen wäre laut Kujat die gegenwärtige Entschleunigung des Kriegs wegen des Winters: "Der Entscheid muss in Washington fallen."

Kriegsziele nicht erreichbar

Verhandlungen würden sich angesichts des Leids und der Zerstörungen aufdrängen, auch weil keine der involvierten Mächte ihre Kriegsziele erreichen könne. Russland nicht, weil die NATO mit Finnland und Schweden erweitert werde. Die Ukraine nicht, weil die Krim und der Donbas nicht zurückerobert werden könnten. Und die USA nicht, weil Russland nicht wie gewünscht stark geschwächt werde und Allianzen mit China und anderen Gegnern der USA schließe.

Deshalb ist für Harald Kujat klar: "Niemand kann diesen Krieg gewinnen." Der Ukraine werde es nicht gelingen, die Halbinsel Krim vom Festland abzuschneiden, was strategisch wichtig wäre. In Richtung der Hafenstadt Mariupol, eine Strecke von 86 Kilometern, hätten die Ukrainer "fast jeden zurückeroberten Quadratmeter gefeiert, der jeweils einen hohen Blutzoll verlangte". Doch sie seien nicht weit gekommen.

Folgen einer Eskalation

Die Ukraine werde versuchen, auf dem Territorium Russlands Militärstützpunkte und symbolische Zentren anzugreifen. Deutschland liefere wohl die Luft-Boden-Marschflugkörper Taurus mit einer Reichweite von über 500 Kilometern.

Zu einer weiteren Eskalationsstufe werde es kommen, wenn die Ukraine um westliche Soldaten bitte, welche die komplexen westlichen Waffensysteme bedienen können.

Nach Kujat erliegen deutsche Politikerinnen und Politiker einem "Fanatismus" und einer "Scheuklappenhaltung", wenn sie sagen "die Ukraine muss gewinnen, weil sie gewinnen muss". Dies, ohne die Folgen einer Eskalation anzusprechen für das Wohlergehen der ukrainischen Bevölkerung und das Wohlergehen der deutschen Bevölkerung.

Kujat zeigte sich besorgt darüber, dass Stimmen wie seine in einer offenen, pluralistischen Gesellschaft unterdrückt würden. Es dominiere ein Informations- und Wirtschaftskrieg.

Abschließend meinte Kujat, ein Umdenken könnte zuerst von den Medien kommen.

Präsident des Verfassungsschutzes: "‹Russlands Sicherheitsinteressen verletzt› ist ‹russisches Narrativ›"

Wer verbreitet, dass Russland den Krieg gegen die Ukraine unter anderem deshalb führt, weil der Westen mit der NATO-Osterweiterung Russlands Sicherheitsinteressen verletzt habe, verbreite russische "Propaganda" und ein "russisches Narrativ" weiter. Das hatte der Präsident des deutschen Verfassungsschutzes, Thomas Haldenwang im Morgenmagazin der ARD erklärt. Diese Propaganda erreiche auch in Deutschland eine gewisse Reichweite, bedauerte Haldenwang.

Am 17. Oktober 2023 reichte der Kölner Anwalt Peter Schindler gegen das Bundesamt für Verfassungsschutz eine Klage ein. Er verlangt den Widerruf, dass es sich bei obiger Aussage um ein "russisches Narrativ" handle. Denn dies erwecke den falschen Eindruck, dass diese Aussage bedeutet, "Putins Lied zu singen" und "rechtsextrem" und "AfD-nah" zu sein.

Das fast einstündige Gespräch mit General a.D. Harald Kujat:

 Quelle: Infosperber.ch - 12.11.2023.

Veröffentlicht am

15. November 2023

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