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Weder feministisch noch menschlich: Die Baerbocksche Afghanistan-Doktrin

Wird für die Frauen in Afghanistan alles besser, weil Deutschland jetzt eine feministische Außenpolitik betreiben möchte? Offenbar nicht, erklärt Emran Feroz.

Von Emran Feroz

Wir erinnern uns an den August 2021: Während die NATO-Truppen chaotisch und besiegt Afghanistan verließen, zogen die militant-islamistischen Taliban zwanzig Jahre nach ihrem Sturz abermals in Kabul ein und übernahmen die Macht in der afghanischen Hauptstadt. Viele westliche Journalisten schworen sich daraufhin, Afghanistan nicht abermals zu vergessen, sondern einen kritischen Blick auf die Situation im Land zu bewahren.

Dies war auch in zahlreichen deutschen Medienhäusern der Fall, die plötzlich ungewohnt viele Ressourcen lockermachten und ihre Korrespondenten an den Hindukusch entsandten.

"We just want to get out"

Dann kamen die Bundestageswahlen. Trotz der Tatsache, dass weiterhin ungewohnt viele Berichte in der hiesigen Berichterstattung zu finden waren, war das westliche Scheitern in Afghanistan schnell vergessen. Hinzu kam, dass der Blick auf das Land in vielen Fällen kein selbstkritischer war. Stattdessen hing man sich abermals in gewohnt orientalistischer Art an die gewohnten Floskeln auf: Taliban. Frauenunterdrückung. Steinzeitislamismus.

Dabei hätte man glatt vergessen können, dass es Washington selbst war, das im Jahr zuvor, sprich, im Februar 2020, mit den militanten Frauenhassern ein politisches Abkommen unterzeichnet hat, den Doha-Deal, der jahrelang im Golfemirat Katar ausgehandelt wurde. Der Deal wurde nicht nur von den Amerikanern mitgetragen, sondern auch von allen anderen NATO-Partnern, einschließlich Deutschlands, das 2001 in den Antiterror-Kreuzzug George W. Bushs mitgezogen ist.

Wohlgemerkt, was Ende 2001 geschah, passierte gewiss nicht aus ideologischen Gründen, sondern weil man irgendwie einfach musste. Ein fragwürdiger NATO-Bündnisfall – kein einziger Afghane war an die Anschläge des 11. Septembers 2001 beteiligt – sowie der allgemeine Kriegstenor führten dazu. Ähnliches war auch im Kontext des Abzugs der Fall. Man musste Afghanistan verlassen, weil Washington wortwörtlich keinen Bock mehr hatte. "We just want to get out", sagte mir ein Grenzbeamter am Flughafen Chicago, als ich im Jahr 2018 zuletzt die USA besuchte. Natürlich wollte er mich, einen muslimischen Mann afghanischer Abstammung, der obendrein noch alleine reist, kurz "verhören". Doch aus der Befragung wurde ein ehrliches Gespräch, indem ich ihm meine eindeutige Meinung über das amerikanische Scheitern im "längsten Krieg" mitteilte. Er stimmte mir zu und brachte mit seiner Antwort die damalige Stimmung innerhalb der Gesellschaft auf den Punkt.

Von einer Aufarbeitung ist man bis heute weit entfernt

Dieser Stimmung konnte man sich auch in Berlin nicht entziehen. Dort wusste man ohnehin nicht mehr, was der Sinn und Zweck des Bundeswehreinsatzes am Hindukusch war. Die meiste Zeit verbrachten die Truppen nämlich hinter den Mauern des Camp Marmal bei Mazar-e Sharif, wo man etwa unter anderem ausländische Journalisten empfing, die im Anschluss aufgrund von "Sicherheitsbedenken" nicht die Basis verlassen durften. Es war auch diese Art des "embedded journalism", die zu einer völlig verzerrten Wahrnehmung des Krieges geführt hat. Die Schauplätze westlicher Kriegsverbrechen, die in Afghanistan tagtäglich stattfanden, wurden kaum aufgesucht. Wie diese ausgesehen haben, wurde auch in den chaotischen Tagen des Abzugs deutlich als die Hellfire-Raketen einer US-Drohne in Kabul einschlugen und zehn Zivilisten, darunter sieben Kinder, töteten. Entgegen der Narrative des Weißen Hauses war das Ziel des Angriffs, Emal Ahmadi, kein IS-Terrorist, sondern für eine amerikanische NGO tätig.

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Quelle:  Overton Magazin - 12.04.2023.

Veröffentlicht am

15. April 2023

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