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Anmerkungen zur “Initiative EKD-Friedensethik”

Von Ullrich Hahn

Eine von Theodor Ziegler initiierte Arbeitsgruppe verfolgt derzeit das Ziel, die Leitungsgremien der EKD zu bewegen, von der 1700 Jahre dauernden theologischen Rechtfertigung des Militärs abzurücken. Dabei sind es vor allem friedenstheologische, auf Aussagen der Bibel gestützte Argumente, die die Kirche zur Umkehr bewegen sollen.

Seit seiner Gründung vor mehr als 100 Jahren war es ein Anliegen des Versöhnungsbundes (jedenfalls für die christlich geprägten Zweige), die Kirche auf den Weg des Friedens zu fuhren.

Dietrich Bonhoeffer hat es 1934 in Fanö plastisch ausgedrückt: Die Kirche Christi solle ihren Söhnen die Waffen aus der Hand nehmen und ihnen den Krieg verbieten.

Viele von uns, deren Friedensengagement durch die Botschaft und das Leben Jesu motiviert ist, teilen diese Anliegen bis heute.

Auch mich hat die Bergpredigt vor über 50 Jahren zur Kriegsdienstverweigerung gebracht, zugleich aber auch zur Erkenntnis, dass das in dieser Botschaft vertretene Recht des Menschen auf ein unversehrtes und erfülltes Leben über jede Religion hinaus Allgemeingültigkeit besitzt und keiner spezifisch theologischen Begründung bedarf.

Mich hat damals die Bergpredigt zur Vernunft gebracht.

Ich will mich deshalb als Mitglied des Versöhnungsbundes und der (Evangelischen) Kirche weiter mit der letzteren über den Weg des Friedens streiten, aber nicht theologisch, sondern auf eine Art, die "zur Sache" kommt.

Deshalb die nachfolgenden Thesen:

1. Das Bemühen, die Kirche mit friedenstheologischen Argumenten zu einer Revision ihrer Haltung zu militärischer Gewalt zu bewegen, halte ich für verfehlt.

2. Unmoralisches Unrecht zu erkennen und zu verwerfen, bedarf es der Argumente praktischer Vernunft (im Sinne Kants) und nicht der - allenfalls für Christen verpflichtenden - theologischen Einsichten.

3. Es käme heute jedenfalls (auch in der Kirche) wohl niemand mehr auf die Idee, die moralische Verwerfung von Folter und Todesstrafe, Sklaverei und Leibeigenschaft, körperlicher Züchtigung von Kindern und Unterdrückung der Frau theologisch begründen zu müssen.

4. Im Gegenteil: Die theologische Argumentation hat sich und damit auch die Kirche für die moralische Bewertung solcher Unrechtsstrukturen diskreditiert, weil diese Strukturen über Jahrhunderte mit theologischen Argumenten gerechtfertigt und damit überhaupt aufrechterhalten wurden.

5. Wo Kirche sich von diesen Menschheitsverbrechen distanziert hat, geschah dies immer erst im Nachhinein als Folge einer vorangegangenen säkularen Aufklärung, nicht als Licht, sondern als Rücklicht der Welt.

6.  Wo wir uns mit weiterhin bestehenden staatlichen und gesellschaftlichen Unrechtsstrukturen auseinandersetzen (Militär, wirtschaftliche Ausbeutung, Klimazerstörung etc.), sollten wir dies mit sachlichen Argumenten tun und - nach dem jahrhundertelangen Missbrauch der biblischen Botschaft zu diesen Themen - auf die Anrufung göttlicher Autorität verzichten.

7. Der für mich sehr wichtige christliche Glaube hat seine Bedeutung nicht als moralische Instanz, sondern für die Sinnstiftung des Lebens durch die Vision des schon angebrochenen Reiches Gottes und für die Ermutigung, sich dorthin auf den Weg zu machen.

Der Glaube ersetzt also nicht die Notwendigkeit einer rational begründeten Umkehr aus den Strukturen von Gewalt und Unrecht, sondern ist Motivation und Kraftquelle auf dem Weg nach vorangegangener Umkehr, die die Kirche - zumindest in Bezug auf das Militär - noch vor sich hat.

Quelle:  Internationaler Versöhnungsbund - deutscher Zweig - in: Versöhnung 1/2022.

Veröffentlicht am

25. März 2022

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