Lebenshaus Schwäbische Alb - Gemeinschaft für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Ökologie e.V.

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Diese Wirtschaft tötet

Ein Aufruf an die derzeit in Karlsruhe zusammengekommene Vollversammlung des Ökumenischen Rats der Kirchen 2022

Von Martin Gück und Franz Segbers

Die Welt brennt an vielen Orten: Der Klimawandel lässt überall Wälder brennen, Getreide wird verbrannt, das unzählige Menschen vor Hunger bewahren könnte. Die Corona-Pandemie verändert alle Agenden. Im Krieg um die Ukraine wird der Konflikt um eine neue Weltordnung ausgetragen. Die Reichen werden immer unverschämter und die Armen immer mehr beschämt. Den vielen Krisen liegt eine einzige Frage zugrunde: Wo ist dein Bruder? Wo deine Schwester?

Deshalb richten wir den nachfolgend dokumentierten Appell an die Delegierten und an die Gäste der Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) aus allen Teilen der Welt, die in diesen Tagen in Karlsruhe versammelt sind. Er ist zustande gekommen nach Konsultationen mit Ökumeniker:innen aus Afrika, Asien, Europa und Nord- wie Lateinamerika. Wir haben gelernt, dass es notwendig ist, auf die Mutter Erde und die Armen zu hören, denn sie sie leiden am meisten unter dem globalisierten Kapitalismus.

Unser Aufruf steht in der Tradition der ökumenischen Bewegung: So verurteilte der Lutherische Weltbund auf seiner Vollversammlung in Winnipeg 2003 den neoliberalen Kapitalismus als Götzendienst. Nicht anders der Reformierte Weltbund im Jahr 2004 auf seiner Generalversammlung in Accra. Die Vollversammlung des ÖRK 2013 in Busan stellte fest: "Die wirtschaftliche Globalisierung hat den Gott des Lebens durch Mammon ersetzt, den Gott des freien Marktkapitalismus, der die Macht für sich beansprucht, die Welt durch die Anhäufung unmäßigen Reichtums und Wohlstands zu retten". Papst Franziskus verurteilt den Kapitalismus als eine "Wirtschaft, die tötet". Die Kirchen haben in ihren offiziellen Dokumenten zu einer für die Geschichte der Kirchen wichtigen Einmütigkeit gefunden: Der herrschende Kapitalismus ist eine destruktive Religion; er ist als Götzendienst abzulehnen.

Indes verschärft sich die Weltlage immer weiter, die angekündigten Katastrophen sind längst da. Die Frage ist nicht nur: Wo ist dein Bruder, wo deine Schwester? Wir müssen fragen: Wer ist Dein Bruder, wer deine Schwester? Unser Aufruf ist ein Appell für eine universale Geschwisterlichkeit als Kern einer gemeinsamen Utopie von Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung.

In Anbetracht der dramatischen globalen "Zeichen der Zeit" sind für die Tage der während der ÖRK-Vollversammlung in unserer "Casa Comun" www.casa-comun-2022.de ein umfassendes Programm und Orte der Begegnung organisiert worden. Die dortigen Veranstaltungen sollen unser Verständnis der prophetischen Rolle von Kirche und engagierten Christ:innen im Blick auf die zentralen (Überlebens-)Fragen von Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung stark machen.

Martin Gück & Franz Segbers (Kairos Europa https://kairoseuropa.de/ )


Der Aufruftext:

"Diese Wirtschaft tötet – Den Schrei der Erde und der Armen hören und die Ketten der Ungerechtigkeit für die ganze Schöpfung lösen (Jesaja 58,6)"

(1.) Einleitung

Inmitten der Covid-19-Pandemie und einer neuen Spirale militärischer Gewalt und Aufrüstung sowie die Kipppunkte der Klimakatastrophe vor Augen, lesen wir zurückliegende Beschlüsse der ökumenischen Bewegung. Die Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes 2003 in Winnipeg brandmarkte die Unterordnung unter einen absolut gesetzten neoliberalen Markt als Götzendienst. Im Jahr 2004 bekannte die Generalversammlung des Reformierten Weltbundes in Accra in Reaktion auf die (damalige) globale wirtschaftliche Ungerechtigkeit und ökologische Zerstörung in einer "Glaubensverpflichtung", dass die Integrität des Glaubens auf dem Spiel steht, wenn man sich gegenüber einem zerstörerischen (neo-)imperialen Wirtschaftssystem ausschweigt oder untätig verhält. Die Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) 2013 in Busan erklärte in ihrer Missionserklärung, dass die Herrschaft des Marktes "ein globales vom Mammon bestimmtes System" ist, das durch endlose Ausbeutung allein das grenzenlose Wachstum des Reichtums der Reichen und Mächtigen schützt und mittlerweile den gesamten Öko-Haushalt Gottes bedroht: "Das Reich Gottes steht der Herrschaft des Mammons diametral entgegen." Papst Franziskus charakterisierte den Kapitalismus zur selben Zeit als einen "Tanz um das Goldene Kalb" und stellte fest: "Diese Wirtschaft tötet". Es gibt also eine ökumenische Übereinstimmung in der klaren Ablehnung der herrschenden Wirtschaftsordnung. Diese große Ökumene ist von kirchengeschichtlicher Bedeutung.

Seitdem hat sich die Weltlage dramatisch verschärft. Wir leben heute in einer anderen Welt. Sie ist eine Welt am Abgrund. Deshalb wollen wir mit Blick auf die 11. Vollversammlung des ÖRK 2022 in Karlsruhe eine Bestandsaufnahme der "Zeichen der Zeit" vornehmen, sie theologisch und ethisch reflektieren und die ökumenische Bewegung zum Handeln aufrufen. Die Vollversammlung sollte den Gott des Lebens in einer Welt bekennen, die "unter die Räuber gefallen" (Lukas-Evangelium 10,29) ist: Alle sollen ein "Leben in Fülle" (Johannes-Evangelium 10,10) haben, denn es ist genug für alle da.

(2.) Eine Welt im Ausnahmezustand – Menschen sterben, die Erde brennt

Mit der Finanzkrise von 2008/9 und der Rezession infolge der Covid-19-Pandemie haben sich in der jüngeren Vergangenheit weltweite ökonomische Verwerfungen bislang ungekannten Ausmaßes eingestellt. Beide Male konnte die Weltwirtschaft nur dank beispielloser staatlicher Interventionen vor einem Kollaps bewahrt werden. Die Kosten dieser extremen Krisenhaftigkeit haben vor allem die Schwachen und die natürliche Umwelt zu tragen. Dies rückt nicht nur die Verwirklichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen (SDGs) in weitere Ferne, sondern vergrößert gar Not und Elend.

Zudem erwachsen auch aus den veränderten Realitäten der "Weltordnung" gravierende Bedrohungen für die menschliche Sicherheit. Nicht zuletzt auch der Krieg in der Ukraine ist Ausweis wachsender hegemonialer Rivalitäten zwischen imperialen Mächten im Konflikt um die Neuaufteilung geopolitischer Machtsphären. Eine chaotische, widersprüchliche und militarisierte Weltunordnung, die die Interessen der Wenigen schützt, breitet sich aus. Die Welt steckt in einer globalen Vielfachkrise:

  • Das globale Finanzsystem ist nach wie vor völlig unzureichend reguliert und der nächste Crash nur eine Frage der Zeit;
  • die Digitalisierung privatisiert öffentliche Güter und macht sie zur Ware: Internet-Giganten wie Google, Amazon oder Facebook verschärfen Rationalisierung und Ausbeutung und spalten die Gesellschaft mit hochqualifizierten, gut bezahlten IT-Jobs einerseits und prekären, schlecht bezahlten "Lieferando-Jobs" andererseits;
  • der Raubbau an der Natur nimmt dramatisch zu; vor allem im globalen Süden geht er allzu oft mit schweren Menschenrechtsverletzungen wie der illegalen Aneignung von Land, Vertreibungen und der Ermordung von Aktivist:innen einher;
  • die soziale Spaltung zwischen Arm und Reich nimmt global wie auch national immer skandalösere Formen an: Das Vermögen der acht reichsten Menschen entspricht dem der ärmeren Hälfte der Weltbevölkerung, und selbst während der Corona-Krise konnten die zehn reichsten Menschen der Welt mehr Gewinne erzielen, als die Impfungen aller Menschen auf der Welt zusammen kosten würden;
  • die ökologische Krise ist die Kehrseite der sozialen Krise: Das reichste 1 Prozent (63 Millionen Menschen) hat zwischen 1990 und 2015 mehr als doppelt so viel klimaschädliches CO₂ ausgestoßen wie die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung zusammen. Gegenwärtig konsumiert ein Viertel der Weltbevölkerung vorwiegend des globalen Nordens drei Viertel der Ressourcen und erzeugt drei Viertel des Abfalls und der Emissionen;
  • die Covid-19-Pandemie ist Ausdruck des zerstörerischen Übergriffs auf die Natur, die ökologischen Verwüstungen wachsen sich zu weltweiten Seuchen aus;
  • durch die wachsende Unwirtlichkeit der Erde sehen sich immer mehr Menschen zur Migration aus ihren Ländern gezwungen;
  • etwa 40 Prozent des Weltsozialproduktes und zwei Drittel des Welthandels befinden sich in der Hand von gerade einmal 500 Konzernen; deren auch politisch wachsende Macht vergrößert Demokratiedefizite und untergräbt öffentliche Interessen;
  • der Populismus von Rechts ist weltweit auf dem Vormarsch, wodurch sich autoritäre Regime ausbreiten und das Vertrauen der Bürger:innen in die Demokratie schwindet;
  • Gewalt, Krieg und Aufrüstung sind erneut zu Mitteln geworden, mit denen eine neue Weltordnung, die nicht auf den Regeln des Rechts sondern auf Macht basiert, durchgesetzt werden soll.

Die Menschheit steht zweifelsohne am Scheideweg – zumal das Zeitfenster, in dem die schlimmsten Folgen der globalen Erwärmung verhindert werden könnten, sich schnell schließt und der Militarisierungsschub im Windschatten des Krieges in der Ukraine die Bekämpfung der Klimakatastrophe an die zweite Stelle rückt.

(3.) Das Scheitern der neoliberalen Globalisierung und die mangelnde Zukunftsfähigkeit des Kapitalismus

Die grundsätzliche Kritik der ökumenischen Bewegung am neoliberalen Kapitalismus hat sich bewahrheitet. Wir sehen: Die Globalisierung mit ihrem Credo des Vorrangs des Marktes vor der Politik hat sich als irrig erwiesen. Die Corona-Krise hat die Verletzlichkeit und krisenhafte Abhängigkeit der weltweiten Wertschöpfungsketten offengelegt.

Angesichts des Scheiterns des Neoliberalismus fordern die Eliten nun eine Rückkehr des Staates als Akteur, um den Kapitalismus in seiner Grundstruktur erhalten zu können. Dieser Staatsinterventionismus neuen Typs soll den Kapitalismus "retten" und zum Geburtshelfer eines "Kapitalismus mit menschlichem Gesicht" werden. Dabei wird ignoriert, dass die ökologisch-soziale Krise der Gegenwart sich fundamental von den bisherigen Krisen des Kapitalismus unterscheidet. Denn der Kapitalismus steckt in einem strukturellen Dilemma: Was ökologisch erwünscht ist – eine nachhaltige Wirtschaft –, erzeugt im Kapitalismus soziale Verwerfungen wie Massenarbeitslosigkeit und skandalöse Ungleichheit. Und was sozial erwünscht ist, forciert die ökologischen Krisen. Dieses sozial-ökologische Dilemma wird jedoch durch die Wiedererlangung eines Primats der Politik nicht beseitigt. Deshalb muss die Politik mit den Triebfedern kapitalistischen Wirtschaftens, nämlich der Maximierung von Profit und Wachstum, brechen.

(4.) Das Gebot der Stunde: Umkehr zu einer Ökonomie des Lebens und der Gerechtigkeit

Die Eliten wollen mit einem "Green New Deal" Ökonomie und Ökologie versöhnen: Erneuerbare Energien sollen zu einer umweltpolitischen Kehrtwende und einem Beschäftigungsschub führen. Sie versprechen eine "Win-win-Situation". Aber dieses Versprechen ist irrig, denn auch der grüne Kapitalismus braucht das Wirtschaftswachstum – und die Klimakrise ist die Kehrseite des Wirtschaftswachstums. Deshalb lässt sich das sozial-ökologische Dilemma im Kapitalismus nicht auflösen. Nötig ist ein radikaler Neuansatz, der soziale und ökologische Nachhaltigkeitsziele mit dem polit-ökonomischen Funktionsmechanismus kombiniert.

Die Politik darf sich nicht länger dem Diktat der Märkte unterwerfen; sie muss die Märkte in Dienst nehmen. Nötig ist ein Staat, der für Gesundheit, gute Arbeit und Bildung, nachhaltigen Verkehr und die Bewahrung der Schöpfung sorgt und die Wirtschaft so reguliert, dass diese lebensdienlich wird. Maßstab muss das Leben sein, besonders der Armen und der Schöpfung:

  • Der Mensch ist nicht der Herr und Beherrscher der Natur, sondern Teil der Schöpfung;
  • Geld ist ein öffentliches Gut und hat allein dem Allgemeinwohl zu dienen;
  • Vorrang hat die gemeinsame Bestimmung der Güter vor dem privaten Gebrauch, denn Gott hat die Welt für alle erschaffen;
  • Gute Arbeit, Gesundheit und Bildung sind Menschenrechte und keine Ware.

Das Gebot der Stunde ist eine globale, sozial eingebettete Nachhaltigkeitsrevolution, damit eine Ökonomie des Genug für alle entstehen kann. Eine solch elementare Kehrtwende ist aber keine Win-Win-Situation. Sie muss im Konflikt mit denen erkämpft werden, die von der herrschenden Ordnung profitieren. Der Kampf für Gerechtigkeit und die Bewahrung der Schöpfung ist immer Teil gesellschaftlicher Klassenkonflikte.

(5.) Die neue Logik einer universellen Geschwisterlichkeit: Die Erde ist des Herrn und alles, was darinnen ist, der Erdkreis und die darauf wohnen (Ps 24,1)

Der Konflikt um die Durchsetzung einer neuen Weltordnung erinnert an das biblische Bild des Propheten Jesaja, der seine Botschaft vom Verhängnis des Volkes in die Metapher eines Risses kleidet, der sich, zunächst kaum sichtbar, immer weiter in eine hohe Mauer frisst "wie ein von oben sich öffnender und sich verbreiternder Riss in einer hoch aufragenden Mauer, deren Zusammenbruch plötzlich, urplötzlich kommt" (Jes 30,13). Die Risse werden größer und machen die Folgen der weltweiten Klimakatastrophe sichtbar: Wirbelstürme und Sturzfluten unterspülen die Grundfesten, Dürren und Feuersbrünste zerstören das Leben.

Angesichts dessen, dass die Mauer bald zu brechen und alles Leben unter sich zu begraben droht, erkennen wir: Diese Wirtschaft schändet Mutter Erde. Sie zwingt alles Leben unter ein Verderben bringendes System. "Unsere ganze derzeitige Realität ist so voll von Tod und Zerstörung, dass wir keine nennenswerte Zukunft haben werden, wenn das vorherrschende Entwicklungsmodell nicht radikal umgewandelt wird und Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit zur treibenden Kraft für die Wirtschaft, die Gesellschaft und die Erde werden" ("Aufruf zum Handeln für eine Ökonomie des Lebens, Gerechtigkeit und Frieden für alle" des ÖRK von 2012). Unser Zeitalter des Mammons ist ein Katastrophen-Kapitalismus. Er bedroht das Leben der Menschheit und den Planeten insgesamt.

Wir bekräftigen, dass die neoliberale Globalisierung, die die Güter der Erde für eine Minderheit privatisiert, den Grundsatz der universellen Geschwisterlichkeit verletzt; denn alle haben ein Recht auf eine gemeinsame Nutzung der Erdengüter.

Angesichts dessen, dass der globale Kapitalismus die zum System gewordene Ausbeutung der Menschen und Zerstörung der Schöpfung ist und die Reichen sich einen übergroßen Anteil von den Gütern dieser Erde nehmen, die allen gehört, erkennen wir: Wir sind alle im selben Sturm, aber nicht im selben Boot. Es sind die Reichen und die von ihnen zentral beeinflussten wirtschaftlichen und politischen Akteure und Institutionen, die zu einem großen Teil die Zerstörung der Erde, die Ausbeutung der Menschen und die Klimakatastrophe zu verschulden haben. Die destruktive Logik der herrschenden Ordnung muss überwunden werden.

Wir bekräftigen, dass die Menschen Teil der Schöpfung sind und nicht ihre Herren. Wir brauchen eine neue Logik: von der Logik der Herrschaft, die das Leben auf der Erde bedroht, zur Logik einer universellen Geschwisterlichkeit, die alle einbezieht, mit denen die Menschen das Leben im Haus der Schöpfung teilen (vgl. Galater-Brief 3,26-28).

Angesichts dessen, dass rasch gehandelt werden muss, da bald Kipppunkte drohen und die Entwicklung  unbeherrschbar und irreversibel wird, erkennen wir: Im Widerstand gegen Situationen, die hoffnungslos und zum Verzweifeln scheinen, enthüllen die apokalyptischen Schriften der Bibel: Die Katastrophe ist da, doch es gibt Hoffnung, die Bestie zu besiegen. Apokalypse heißt "Enthüllen". Denn: "Gefallen, gefallen ist Babylon" (Jesaja 21,9). Die Bestie, die auf Erden ihr Unwesen treibt (Apokalypse 13), ist das Kapital. Die apokalyptischen Schriften enthüllen, dass das herrschende System am Ende ist.

Wir bekräftigen, dass die Katastrophe nicht das letzte Wort hat. Es gibt eine Hoffnung auf eine Zukunft jenseits der von den Mächtigen erzeugten Katastrophen. Die Macht der gierigen Weltreiche wird zusammenbrechen. Eine andere Welt ist möglich. Wir erwarten einen neuen Himmel und eine neue Erde (Apokalypse 21,1-8). Das ist keine bloße Utopie, sondern eine Herausforderung zum Handeln, damit die grundlegenden Rechte der Mutter Erde und der Völker akzeptiert werden, die aus der unverlierbaren Menschenwürde aller hervorgehen. Eine Geschwisterlichkeit, die jeden Menschen als Bruder oder Schwester anerkennt, ist Ansporn, sie möglich zu machen.

(6.) Eine Ökumene der Kirchen und aller Religionsgemeinschaften zur Überwindung unserer zerstörerischen Weltordnung

Der globale Kapitalismus stellt "nicht nur für das wirtschaftliche, sondern auch für das spirituelle Leben der Menschen, nicht nur für die Menschheit, sondern auch für die ganze Schöpfung eine Bedrohung" dar (Missionserklärung des ÖRK). Diese Bedrohung erfährt nun durch den Krieg in der Ukraine und die aus ihm resultierende globale Aufrüstungsdynamik eine zusätzliche Verschärfung. Aus der Todeslogik kriegerischer Gewalt und des herrschenden Kapitalismus zu desertieren, ist das Gebot der Stunde. Doch dazu braucht es eine neue internationale Rechtsordnung mit entsprechenden internationalen Institutionen und Organisationen, die auf der Überzeugung einer universellen Geschwisterlichkeit basieren.

Papst Franziskus kritisiert in der Enzyklika "Laudato si", dass der Mensch sich als Herrscher und Eigentümer fühlt, "berechtigt, die Erde auszuplündern. Wir vergessen, dass wir Teil der Schöpfung sind. Unser eigener Körper ist aus den Elementen des Planeten gebildet" (LS Ziff. 2).

Angesichts dessen, dass die Sorge um die Schöpfung Kirchen und Religionsgemeinschaften eint, erkennen wir, dass der gemeinsame Glaube alle Gläubigen inspiriert und ihnen Kraft gibt, den Schrei der Armen und der Mutter Erde zu hören und gütiger, respektvoller und weiser mit der Erde umzugehen. Diese Spiritualität verbindet die christlichen Kirchen mit den Schwestern und Brüdern im Judentum, im Islam, dem Buddhismus und vielen anderen Religionen weltweit.

Wir bekräftigen unseren Glauben an Gott, den Schöpfer des Himmels und der geschändeten Mutter Erde. Die Kirchen müssen die Zeichen der Zeit aus der Perspektive des gekreuzigten Volkes und der geschändeten Schöpfung lesen. Sie müssen den Konflikt mit den Mächtigen und den Plünderern der Schöpfung wagen, damit alle das Leben haben. Darum müssen die Kirchen den konziliaren Prozess für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung neu beleben und in den Mittelpunkt ihrer Aktivitäten stellen. Dabei müssen sie ihre Kirchenmauern unverzüglich überwinden und Allianzen bilden mit den Opfern und den mit diesen solidarischen Bewegungen.

Wir rufen die Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) in Karlsruhe dazu auf, einen Bund gegen die herrschende Weltordnung zu schließen und in Wort und Tat entschieden Widerstand zu leisten. Deshalb erneuern wir zurückliegende Beschlüsse der ökumenischen Bewegung und fordern im Einklang mit Papst Franziskus: Wir brauchen eine Ökumene der Religionen, Glaubensgemeinschaften und aller Menschen zum Schutz der Mutter Erde und aller, die diese schöne Erde bewohnen. Die Zeit drängt.

Erstunterzeichner:innen: Bischof Antonio Ablon (Philippinen), Prof. Dr. Sigurd Bergmann (Norwegen), Prof. Dr. Arturo Blatezky (Argentinien), Dr. Karen L. Bloomquist (USA), Prof. Dr. Allan Boesak (Südafrika), Prof. Dr. Nancy Cardoso Pereira (Brasilien), Dr. Beat Dietschy (Schweiz), Prof. Dr. Ulrich Duchrow, Rev. Dr. Chris Ferguson (Kanada), Dr. Aruna Gnanadason (Indien), Dr. David L. Gosling (Großbritannien), Martin Gück, Rev. Dr. Jooseop Keum (Singapur), Prof. Dr. Mathew Koshy Punnackadu (Indien), Dr. Marthie Momberg (Südafrika), Dr. Rogate R. Mshana (Tansania), Dr. Nicolás Panotto (Chile), Fr. Wilfredo Ruazol (Philippinen), Prof. Dr. Franz Segbers, Prof. Dr. Seong-Won Park (Südkorea), Rev. Dr. Tioti Timon (Kiribati), Dr. Rob van Drimmelen (Belgien), Antonella Visintin (Italien)

Der Aufruf wurde zudem unterzeichnet u.a. von: Prof. Dr. Jörg Arnold, Lisa & Pfr. i.R. Rudolf Atsma, Rev. Henk Baars (Niederlande), Basisgruppen-Bewegung Schweiz, Christa Maria Bauermeister, Prof. Dr. Dieter Becker, Dipl.-Theol. Winfried Belz, Giovanni Bernardini (Italien), Gregor Böckermann, Dr. Ulrich Börngen, Dr. Gerhard Breidenstein, Dr. Elisabeth Bücking, Dipl.-Theol. Peter Bürger, Christlicher Initiativkreis anders wachsen, Corporación de Educación e Incidencia Pública Otros Cruces (Chile), Dr. Harm Dane (Niederlande), Han Dijk (Niederlande), Pfr. i.R. Hartmut Dreier, ECOLIFE-Centre (Tansania), Prof. Dr. Moritz Fischer, Pfr. Reiner Fröhlich, Hartmut Futterlieb, Claudia Goltzsch-Knittel, Hanna Götte, Udo Grotz, Pfr. Reinhard Hauff, Prof. Dr. Martin Hoffmann (Costa Rica), Pfr. i.R. Martin Huhn, Institut für Theologie und Politik, Interreligiöse Gemeinschaft für Frieden Stuttgart, Kairos Europa, Jacqueline Keune (Schweiz), Dr. Hans-Gerhard Koch, Dr. Utz Ingo & Thirza Küpper, Dr. Volker David Lambertz, Landesarbeitsgemeinschaft Christ:innen Die Linke Bayern, Dr. Julia Lis, Movimiento Ecuménico por los Derechos Humanos (Argentinien), Dr. Eberhard Müller, Dr. Uwe Müller, Niederländische Ökumenische Gemeinde zu Berlin, Pfr. i.R. Erhard Nierstenhöfer, Kees Nieuwerth (Niederlande), Prof. Dr. Gottfried Orth, Ökumenisches Zentrum Oldenburg, Rev. Harry Pals (Niederlande), Dr. Michael Ramminger, Rev. Dr. Eleuterio Revollido (Philippinen), Dipl-Theol. Clemens Ronnefeldt, Christoph Rinneberg, MdL Hermann Schaus, Pfr. i.R. Heinrich Schmid, Pfr. i.R. Ulrich Schmitthenner, Prof. Dr. Hans-Jörg Schneider, Pfrn. i.R. Friederike Schulze, Ilse Staude, Dr. Elisabeth Steffens, Pfrn. Sonja Straub (Costa Rica), Pfrn. i.R. Angelika Sylla, Pfr. i.R. Reinhold Sylla, Prof. Dr. Christian Thielscher, Pfr. Helmut Törner-Roos, Arianne van Andel (Chile), KR i.R. Ernst-Ludwig Vatter, Christine Voss (Schweiz), Dr. Reinhard J. Voss, Dr. Klaus Wazlawik, Dr. Paul Wee (USA), Jochi Weil-Goldstein (Schweiz), Dr. Simon Wiesgickl, Andreas Wiesner, Markus Zahno (Schweiz).

Veröffentlicht am

02. September 2022

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