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Gewaltfreie Blockadeaktion Großengstingen 1982: Renate Mang

Vom 1. bis 8. August 1982 fand bei Großengstingen auf der Schwäbischen Alb unter dem Motto "Schwerter zu Pflugscharen" eine einwöchige Blockadeaktion des Atomwaffenlagers statt. Rund 750 Menschen beteiligten sich an dieser gewaltfreien Aktion. Für viele Beteiligte hatte dies auch juristische Folgen.

Seit dieser gewaltfreien Aktion sind nun 40 Jahre vergangen. Wir haben Menschen eingeladen, die damals bei dieser Aktion dabei waren, sich nach dieser langen Zeit zurück zu erinnern.

Hier findet sich eine Übersicht über alle Beiträge: Einwöchige gewaltfreie Sitzblockade vor dem Atomwaffenlager bei Großengstingen Sommer 1982 - Beteiligte erinnern sich

Nachfolgend ein Interview mit Renate Mang.

  • Wie blickst Du heute mit dem Abstand von vier Jahrzehnten auf diese Aktion zurück?

Ich bin stolz darauf, an der Blockade teilgenommen zu haben. Ich finde es immer noch richtig, dass es keine Atomwaffen gibt. Weder hier noch anderswo. Und es war eine tolle Erfahrung: das Leben im Camp, die Art der Entscheidungsfindung und natürlich die Sitzblockade selbst mit allem drum herum, dem Lieder singen, Diskussionen mit Polizisten, das Gefühl, die Spannung, wenn die Militärlaster und die Polizeikolonne angefahren kamen. Und ich dachte, ich bin ein kleines Körnchen Sand im Getriebe der Rüstungsmaschinerie. Es war eine gute und wichtige Erfahrung in meinem Leben, die ich nicht missen möchte.

  • Wie ist es zu Deiner Teilnahme überhaupt gekommen und was waren Deine Gründe? Was hat es für Dich dabei bedeutet, dass es sich um eine Aktion des Zivilen Ungehorsams gehandelt hat?

Meine Eltern und Großeltern waren Flüchtlinge nach dem 2. Weltkrieg. Und sie haben ihre Heimat und ihren bescheidenen Besitz verloren und haben auf der langen und beschwerlichen Flucht Schreckliches erlebt. Der Krieg und seine Folgen hatte ihr ganzes bisheriges Leben zerstört. Das habe ich schon als Kind begriffen und deshalb habe ich mich später in der Friedensarbeit engagiert.

Es war mir sehr wichtig, selbst etwas gegen Aufrüstung / Waffen / Krieg zu tun. Nicht nur mit Unterschriftenlisten, Vorträgen oder Demos. Am liebsten hätte ich das Lager richtig blockiert. Bei all dem war die Voraussetzung, dass die Aktion gewaltfrei verläuft, sonst hätte ich nicht teilgenommen. Ich fand es auch sehr interessant, etwas über zivilen Ungehorsam zu erfahren.

  • Erinnerst Du Dich an die Vorbereitung und den Verlauf der Aktion?

An die Vorbereitung habe ich keine große Erinnerung mehr. Wir haben uns in unserer Bezugsgruppe darauf vorbereitet und auch gemeinsam an einem Wochenende in Melchingen
teilgenommen, wo wir uns mit zivilem Ungehorsam auseinandergesetzt haben. Auch von Treffen in Tübingen weiß ich noch, das war alles sehr spannend und interessant.

Wenn ich an die Aktion selbst denke, dann denke ich an die Diskussionen in der Bezugsgruppe und dem anschließenden Plenum. Ich denke, diese Art, Entscheidungen zu treffen, hat ganz gut funktioniert. Teil dieser Woche waren ja auch Präsenz und Gespräche in verschiedenen Orten der Umgebung und eine große Kundgebung in Reutlingen. Aber am Eindrücklichsten war natürlich die Sitzblockade selbst mit dem anschließenden Weggetragen werden.

  • Hatte diese Aktion Folgen für Dich und wenn ja, welche?

Eine Anzeige und einen Strafbefehl habe ich natürlich auch bekommen. Wir haben uns auch gemeinsam auf den Prozess vorbereitet, sind aber nicht zur Verhandlung erschienen. Das war bei den ersten Verhandlungen so, aber da ich erst später vorgeladen wurde, war es klar, wie es laufen würde.

  • Haben Aktionen des Zivilen Ungehorsams aus Deiner Sicht in der heutigen Zeit einen Sinn? Falls ja: Welchen?

Ich finde, es sollte in jedem Land Informationen geben über den Zivilen Ungehorsam. Was das ist und welche konkreten Aktionen das sein können. Es sollte ein ganz selbstverständlicher Teil einer Gesellschaft sein, darüber Bescheid zu wissen. Wie bei einem Erste-Hilfe-Kurs für den Führerschein sollte es kontinuierliche Übungen des zivilen Ungehorsams geben, so dass das Wissen um diese Form, sich zu wehren und etwas zu erreichen, für alle Menschen ein Teil ihres Lebens ist.

Seit dem Krieg gegen die Ukraine lehne ich Waffen nicht mehr grundsätzlich ab. Ich finde, jeder hat das Recht auf Selbstverteidigung, auch mit Waffen-Gewalt. Zu diesem Standpunkt zu kommen, war sehr schwer für mich. Aber neben der Verteidigung mit Waffen sollte es eben auch gleichwertig das Training des Zivilen Ungehorsams geben. Das finde ich wichtiger denn je. Atomwaffen lehne ich weiterhin ab.

 

Renate Mang: Ich bin Jahrgang 1961, verheiratet und habe zwei Kinder. 1980 und 1981 habe ich jeweils an einem gewaltfreien internationalen Friedensmarsch für Entmilitarisierung teilgenommen. Seit Herbst 1981 war ich in der DFG/VK-Gruppe in Reutlingen engagiert und mit einigen Mitgliedern haben wir die Bezugsgruppe "Eventualkonsens" gegründet und uns an der Blockade beteiligt.

 

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Veröffentlicht am

20. Juli 2022

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