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Shireen Abu Akleh

Das israelische Militär hat beschlossen, nicht zu untersuchen, wer die Journalistin erschossen hat

Alles deutet auf einen israelischen Scharfschützen hin, der die angesehene und beliebte Journalistin Shireen Abu Akleh vorsätzlich ermordet hat. Die israelische Regierung versuchte, die Verantwortung für die Tat abzustreiten.

Am Mittwoch, den 11. Mai, drangen schwer bewaffnete israelische Streitkräfte in die Stadt Jenin im Westjordanland ein. Die Al-Jazeera-Journalistin Shireen Abu Akleh, ausgestattet mit einer kugelsicheren Weste, auf der die Beschriftung "Press" deutlich zu erkennen war, sowie einem Helm, berichtete über die Razzia. Sie wurde direkt unter den Rand ihres Helms in den Kopf geschossen und war sofort tot.

Die israelische Regierung versuchte sogleich , die Verantwortung für die Tötung auf die Palästinenser zu schieben. Palästinenser, die ihre Stadt von israelischem Militär fernhalten wollten, hätten sie angeblich versehentlich getroffen, als sie "wild um sich schossen". Da dieses Argument jedoch nicht die Anwesenheit der israelischen Besatzungstruppen in Jenin (A-Gebiet) rechtfertigt, änderte die israelische Regierung daraufhin ihre Argumentation und beschwerte sich, dass die Palästinensische Autonomiebehörde sich weigere , bei der Untersuchung des Mordes zu kooperieren. Die Vorstellung, dass die vermutlichen Mörder ihr eigenes Verbrechen untersuchen dürfen, ist für die Palästinensische Autonomiebehörde nicht akzeptabel. Nur Stunden nach ihrer Ermordung widersprach die israelische Menschenrechtsorganisation B’tselem den Behauptungen der israelischen Regierung. B’tselem berichtete, dass die israelischen Streitkräfte in Jenin 150 Meter von ihr entfernt waren, also durchaus in Reichweite ihrer Gewehre. Der israelische Diasporaminister Nachman Shai gab zu: "Unsere Vertrauenswürdigkeit ist nicht so hoch". Das israelische Militär hat beschlossen , nicht zu untersuchen, wer die Journalistin erschossen hat.

In seiner eingehenden Analyse argumentiert der Journalist Jonathan Cook, ein seit vielen Jahren in Nazareth lebender Brite, dass die Tötung von Shireen Abu Akleh kein Unfall war, sondern ein vorsätzlicher Mord. Denn Cook zeigt viele Fälle auf, in denen israelische Militärscharfschützen Palästinenser und internationale Besucher ohne Konsequenzen und ohne Bestrafung getötet haben. Der Scharfschütze, der auf den Abzug drückte und Abu Akleh tötete, muss daher gewusst haben, dass er nicht zur Verantwortung gezogen wird.

Shireen Abu Akleh war eine sehr bekannte und beliebte palästinensische Al-Jazeera-Journalistin, die 25 Jahre lang über die israelische Besatzung berichtete. Sie war US-amerikanische Staatsbürgerin .  Weder ihre Beliebtheit noch ihr Pass schützten sie vor einem vermutlich israelischen Heckenschützen. Die israelischen Behörden haben in der Vergangenheit immer wieder versucht, Al-Jazeera zu schließen und den Journalisten von Al-Jazeera Presseausweise zu verweigern. Während des Angriffs auf Gaza im letzten Jahr wurde sogar das von Al-Jazeera genutzte Gebäude in Gaza bombardiert (siehe BIP-Aktuell #171 ). Alle Indizien verweisen auch in diesem Fall auf einen israelischen Soldaten als Täter.

Einen Tag vor der Ermordung von Abu Akleh stellte das israelische Verteidigungsministerium ein neues, von der israelischen Rüstungsfirma Elbit Systems entwickeltes System mit dem Namen "Edge of Tomorrow" vor, ein System, das angeblich "die tödliche Wirksamkeit der Infanterie verbessern" soll. Nur 24 Stunden nach der Ankündigung schien die israelische Armee die tödliche Wirksamkeit des neuen Systems bewiesen zu haben, als sie eine unbewaffnete und wehrlose Journalistin tötete. Elbit Systems ist im Übrigen einer der wichtigsten Lieferanten von Militärtechnologie für Deutschland.

Shireen Abu Akleh wurde in Jerusalem beigesetzt. Eine gemeinsame Truppe von israelischen Soldaten und Polizisten griff zunächst das Krankenhaus an, in dem die Beerdigung vorbereitet wurde, und griff dann den Trauerzug selbst an, wobei sie versuchten, die palästinensische Flagge zu beschlagnahmen, die über Abu Aklehs Sarg drapiert war. Polizeibeamte schlugen mit Knüppeln auf die Trauernden ein. Der Befehl zum Angriff auf die Menschen kam von Polizeigeneral Doron Turgeman, der die israelische Polizei anwies, alle Fahnen zu konfiszieren, obwohl das Hissen palästinensischer Fahnen nicht gegen ein Gesetz verstößt. Turgeman selbst gab den Befehl, als er sich im Rahmen einer Delegation in Deutschland aufhielt, um die deutsche Polizei über israelische Polizeimethoden zu informieren. Trotz seiner Mittäterschaft an einer Tat, die einem Kriegsverbrechen gleichkommt (siehe 4. Genfer Konvention/ Beerdigungen ), wurde er in Deutschland nicht verhaftet.

Der UN-Sicherheitsrat verurteilte die Ermordung der Journalistin. Die Vereinigten Staaten und die EU fordern eine unparteiische Untersuchung. Sowohl der katholische Erzbischof in Jerusalem als auch der Lateinische Patriarch haben den israelischen Angriff auf die Beerdigung verurteilt .

Auch deutsche Medien berichteten über die Ermordung von Abu Akleh, weigern sich aber, die Verantwortung der israelischen Besatzungstruppen zu benennen. Die  Berliner Zeitung schrieb : "Vor einigen Tagen starb die bekannte Al-Jazeera-Journalistin Schirin Abu Akle in Jenin im Westjordanland an einem Kopfschuss." Das ist allerdings eine sehr euphemistische Formulierung, mit der hier die Tötung einer Palästinenserin beschrieben wird. Wenn jüdische Israelis bei einem Terroranschlag getötet werden, würde man vermutlich formulieren: "Sie wurden durch einen Kopfschuss getötet" und in einen Zusammenhang stellen, der dem Leser suggerieren soll, dass dafür nur Palästinenser in Frage kämen. In der ZEIT wurde ein ausgewogenerer Bericht veröffentlicht .

Shireen Abu Akleh wurde vier Tage vor dem Nakba-Tag getötet, der jedes Jahr am 15. Mai begangen wird. In Berlin hat die Polizei die Entscheidung getroffen, Proteste und Mahnwachen zum Gedenken an die Nakba zu verbieten, während pro-israelische Mahnwachen nicht verboten wurden. Die Polizei begründete dies mit der Sorge, dass bei solchen Demonstrationen oder Mahnwachen antisemitische Äußerungen fallen könnten, doch werden derartige Äußerungen ständig bei rechtsextremen und Querdenker-Demonstrationen geäußert, die von der Polizei nicht verboten werden. Das Verwaltungsgericht Berlin und das Oberverwaltungsgericht haben die Entscheidung der Polizei bestätigt . Als Palästina-Solidaritätsorganisationen in Berlin darum baten, Kundgebungen zum Gedenken an Shireen Abu Akleh abzuhalten, wurden auch diese mit der Begründung verboten , es handele sich um "Ersatz"-Kundgebungen für die Nakba. Berlin scheint im Justizwesen ein ganz besonderes Pflaster zu sein, denn in anderen deutschen Städten konnten die Menschen ungehindert am Tag der Nakba demonstrieren.

Mit Rücksicht auf das Berliner Verbot haben die Aktivisten dort beschlossen, ihren Protest auf die sozialen Medien zu beschränken und Selfies von sich selbst oder kurze Videos an öffentlichen Plätzen zu machen. Die Berliner Polizei verfolgte die Aktivisten und verhaftete und verprügelte viele, die sich mit Palästina assoziierter Kleidung wie z. B. Quffiahs schmückten oder eine palästinensische Flagge oder palästinensische Symbole mit sich führten. Vielleicht hat sich die Berliner Polizei bereits so verhalten, wie sie es von Doron Turgeman gelernt hat. Prof. Dr. Ralf Michaels vom Max-Planck-Institut in einer verfassungsrechtlichen Analyse und die Journalistin Lea Fauth in einem taz-Kommentar haben bestätigt, dass die Entscheidungen der Berliner Gerichte einschlägigen Urteilen des Bundesverfassungsgerichts zuwiderlaufen und die deutsche Demokratie in erheblichem Maße untergraben.

Quelle:  BIP e.V. - BIP-Aktuell #218.

Mehr als 100 zivilgesellschaftliche Organisationen starten eine Kampagne zur Sammlung von einer Million Unterschriften von EU-Bürger*innen, um den europäischen Handel mit illegalen Siedlungen in besetzten Gebieten zu beenden.
Dabei handelt es sich nicht um eine Petition, sondern um eine verbindliche Kampagne, die die Europäische Kommission dazu zwingen soll, den rechtlichen Status von Produkten zu erörtern, die aus den besetzten Gebieten in Palästina und Westsahara eingeführt werden.

Weblinks:

Veröffentlicht am

22. Mai 2022

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