Lebenshaus Schwäbische Alb - Gemeinschaft für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Ökologie e.V.

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Verirrt

Von Katrin Warnatzsch - Soziale Friedensarbeit (aus: Lebenshaus Schwäbische Alb, Rundbrief Nr. 112, März 2022 Der gesamte Rundbrief Nr. 112 kann hier heruntergeladen werden: PDF-Datei , 697 KB. Den gedruckten Rundbrief schicken wir Ihnen/Dir gerne kostenlos zu. Bitte einfach per Mail abonnieren )

Ein verirrter Reiher, weiß auf fleckigen Schneefeldern, sehr einsam, obwohl weit und breit keine Wasserstelle zu sehen ist, begegnet uns im kalten Winter auf der Schwäbischen Alb. Auf der Erde Schnee und Eis, durchsichtige Bäume und dazu oft der sehr stürmische, kalte Wind, fliegende Wolken am wechselvollen Himmel und selten Begegnungen mit anderen Menschen. Das Frühjahr scheint noch weit.

In der Krise sollte man keine weitreichenden, lebensverändernden Entscheidungen treffen. Diese Einsicht gilt für mich auch in der Corona-Krise. Deswegen beobachte ich aufmerksam, was um uns herum und auch woanders geschieht, vergleiche die Informationen und verschiedenen Meinungen. Dabei versuche ich vor allem, die Menschen mit anderer Meinung nicht zu verurteilen. Und meine eigene Haltung beständig zu hinterfragen, offen zu bleiben. Überzeugt bin ich, dass niemand "die Wahrheit" gepachtet hat. Personen, die so auftreten, als sei nur ihre Sichtweise "wahr", sind mir zutiefst zuwider.

Die seit Beginn der Corona-Krise weitverbreitete Angst, die mithilfe von angeblich drohenden Worst-Case-Szenarien geschürt wird, sehe ich als ein Grundproblem an. In einem vom Bundesinnenministerium im März 2020 verfassten Strategiepapier mit dem Titel "Wie wir COVID-19 unter Kontrolle bekommen", das inzwischen unter dem Stichwort "Panikpapier" bekannt geworden ist, wird u.a. empfohlen, mit drastischen Maßnahmen in der Bevölkerung eine "gewünschte Schockwirkung zu erzielen". Es solle klargemacht werden, dass bei einer Infizierung mit dem COVID-19-Virus eine Todesart das "qualvolle" Ersticken sein könne. Man müsse in den Köpfen der Menschen solche Bilder entstehen lassen: "Viele Schwerkranke werden von ihren Angehörigen ins Krankenhaus gebracht, aber abgewiesen und sterben qualvoll um Luft ringend zu Hause." Zudem seien auch Kinder Opfer des Virus und auch bleibende Folgeschäden bei einer Erkrankung seien nicht ausgeschlossen.  (Das Papier des Innenministeriums ist u.a. unter diesem Link zu finden: https://ogy.de/f59k )

Entsprechend wird seit zwei Jahren der Bevölkerung von Politik und Leitmedien massiv Angst gemacht. Es wird höchste Zeit, diese Panikmache endlich zu beenden.

Gedanken mache ich mir auch, warum es so scheint, als wäre das erklärte Ziel unseres Gesundheitssystems, dass wir dem Tod in jedem Alter entfliehen müssten. Vielleicht hat diese Krise auch das Nachdenken darüber bei manchem angestoßen und unsere Sterblichkeit wieder bewusster gemacht?

Verirrt, da heißt es, den Weg wieder zu finden. Vielleicht auch, die Panikmache, insbesondere durch verstörende Bilder, zu durchschauen und nicht schnell nach einfachen Lösungen und Erklärungen zu suchen oder sich damit zufrieden zu geben. Erkunden, ob und wo Menschen ausgegrenzt werden, und warum. Sich mit dem eigenen Verhalten entscheiden, nicht dazu beizutragen, dass Ausgrenzung geschieht. Muster von Manipulationen erkennen und darüber miteinander sprechen. Vielleicht zeigt sich schon so ein Stück des Weges.

Das Lebenshaus-Gebäude

Wohnen und arbeiten im Lebenshaus bedeutet auch, dass manches langsam in die Jahre kommt. An der Fassade und den Fenstern müssen Renovierungsarbeiten gemacht werden. Im Haus brauchen wir eine Bad-Sanierung, Wände, Böden und Treppenhaus haben mittelfristig ebenfalls eine Erneuerung nötig. Die ersten Beschlüsse sind gefasst, nun müssen wir begutachten und planen, was möglich ist. Das wird wieder mehr Unruhe ins Haus bringen und zusätzlich vor allem Zeit benötigen - die uns dann bei Anderem fehlen wird. Um den Wert des Gebäudes weiter zu erhalten, auch für die Zukunft, sind dies notwendige Ausgaben, für die wir Geld einsetzen müssen.

Auszug

Einer unserer langjährigen Mitbewohner, ein junger Mann aus Afghanistan, ist im Februar ausgezogen. Er wollte sich in eine andere Stadt begeben, wo er Freunde und eine erreichbare Arbeit gefunden hat. Es waren fast vier Jahre mit vielfältigen gemeinsamen Gesprächen und Erfahrungen. Dies wird oft erst im Nachhinein bewusst und bedeutungsvoll. Nach "Erfolg" des Aufenthaltes im Lebenshaus frage ich nicht, aber unvergesslich bleibt mir der Mensch, mit seinen persönlichen Fragen und Antworten, seinem Suchen und seinem erstaunlichen Humor. Berührend auch die Nähe, die wir immer wieder zueinander erfahren haben, das Verstehen auch ohne viele Worte, ob es angenehm war oder auch nicht. Die Selbstständigkeit ist gewachsen, wir wünschen ihm nun die Fähigkeit, dies jeden Tag in erfreulichem Maße umzusetzen.

Einzug

Den frei werdenden Wohnraum haben wir bereits schon weiter vergeben an einen jungen Mann, der ebenfalls ursprünglich aus Afghanistan stammend, dann vom Iran aus nach Deutschland geflüchtet ist. Er benutzt seit über einem Jahr ein Gästezimmer im Dachgeschoss, um seine schulische Ausbildung und die täglich wechselnden Arbeitszeiten bewerkstelligen zu können. Er hat im Lebenshaus den Internetzugang, der in seiner Wohnung nicht vorhanden ist, ebenso haben wir ihn regelmäßig mit Mahlzeiten unterstützt. Dafür bringt er mir ab und zu Blümchen. Er kann nun, nach der Renovierung der Wohnung, bald aus dem Nachbarort zu uns umziehen und hat es dann etwas leichter, seinen Ausbildungsplatz zu erreichen. Auch für uns wird es gut sein, wieder etwas mehr Abgrenzung in unserem Privatbereich erfahren zu können.

Kontakte im Lebenshaus

Nach wie vor habe ich fast täglichen Kontakt mit den Mitbewohnern, ebenso mit vielen Menschen, die nicht im Haus wohnen, aber wegen einer Unterstützung das Gespräch suchen. Die Folgen des Krieges in Afghanistan sind dadurch ganz nah und die Schicksale, besonders auch von Frauen, machen sehr traurig. Manche der hier lebenden afghanischen Männer finden kaum mehr Worte für die Beschreibung der Situation ihrer zurückgebliebenen Familien. Es geht z.B. auch um Fragen, wie die neue Ehefrau oder Freundin aus Afghanistan oder Iran die Voraussetzungen für eine mögliche Einreise nach Deutschland erfüllen könnte. Oder auch, was ist zu tun, wenn die Ehefrau im Iran einen schweren Autounfall erleidet und ganz alleine, ohne die dort übliche und notwendige Fürsorge durch Angehörige, auf sich gestellt ist? Eine eilige Flugreise muss finanziert werden…. Eine Familie wartet schon seit mehr als fünf Jahren auf ihren beantragten Nachzug zum hier lebenden Ehemann und Vater. Es geht um selbstorganisierbare Sprachunterstützung, neben der Vollzeitarbeit. Natürlich steht immer wieder die Suche und Bewerbungen für Arbeits- oder Ausbildungsplätze an. Der Papierberg der Behörden will verstanden und muss bearbeitet werden…

Bei einer Person ergab sich für mich durch das Angebot eines potentiellen Spenders, der helfen wollte, ein Blick in eine tiefe Überschuldung und anschließender Beratungsbedarf bei der Schuldnerberatung. Hier hieß es dann, weniger ist mehr, statt einer Spende besser eine realistische Einschätzung der Lage zu erstellen. Es entstand zwar Enttäuschung auf allen Seiten, aber letztendlich würde hier die schnelle Lösung mittels Geld mit großer Wahrscheinlichkeit keine wirkliche, nachhaltige Verhaltensänderung bewirken. Die dahinter liegenden Probleme wurden dem Betroffenen bisher selbst nur teilweise bewusst. Wie es da weitergeht, sehe ich mit Sorge.

Während der schwierigen Corona-Einschränkungen haben wir keine Möglichkeit gefunden, neben den Einzelgesprächen auch Feiern und Beisammensein in der Gruppe zu ermöglichen. Das fehlt uns, und wir hoffen sehr, dass eine Normalisierung auch wieder mehr Ungezwungenheit ermöglicht.

Ausblick

Indem wir den Blick auch auf die Zukunft richten, werden verschiedene Notwendigkeiten deutlich, die Reflektion von eingespielten Gewohnheiten und möglicherweise Veränderungen bedeuten. Überlastungen müssen erkannt und abgebaut werden. Das betrifft z.B. die Büroarbeiten, die wir weiter vereinfachen wollen. Doch alles benötigt Zeit und muss gut durchdacht werden. Bei diesem Umbau sind wir auf die wohlwollende Begleitung unserer Unterstützenden angewiesen. Gerne werden wir im Austausch mit Euch und Ihnen Wege finden, um positiv weiterzugehen.

In eigener Sache

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Für unser von Politik, Parteien und Wirtschaft unabhängiges Engagement sind wir auf Ihre und Eure Unterstützung und Solidarität angewiesen. Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit, Aktionen und Veranstaltungen wie z.B. unsere jährlichen Tagungen im Herbst, die Unterstützung von Menschen in schwierigen Lebenssituationen, die Personalkosten für eine 30-Prozent-Teilzeitstelle und zwei Minijobs sowie möglichst Abbau von Verbindlichkeiten für das Gebäude erfordern erhebliche Finanzmittel.

Wir freuen uns über jede Unterstützung, gerne mit einer Einzelspende oder gar einer regelmäßigen Spende oder einer Fördermitgliedschaft.

Herzlich bedanken wollen wir uns bei allen, die unsere Arbeit unterstützen!

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Fußnoten

Veröffentlicht am

11. März 2022

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