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Jürgen Grässlin: Für eine allumfassende Kultur des Friedens in Zeiten der Kriege!

Grußwort zu den Friedenskundgebungen am 4. und 5. März 2022 in Tübingen, Stuttgart und Freiburg anlässlich des Russland-Ukraine-Krieges

Von Jürgen Grässlin

Liebe Friedensfreund*innen,

da ich heute leider nicht bei euch sein kann, will ich meine Dankbarkeit für euer Engagement und meine Solidarität in einem Grußwort formulieren. Wir alle erschrecken über die inhumane und völkerrechtswidrige Militärintervention russischer Streitkräfte in der Ukraine. Millionen Zivilist*innen werden in die Flucht getrieben, Abertausende Menschen werden in der Ukraine verletzt oder ermordet, unter ihnen auch Frauen und Kinder. Keine noch so irrationale Behauptung des russischen Präsidenten Wladimir Putin kann dieses barbarische Vorgehen in irgendeiner Weise legitimieren. Dieser Krieg muss sofort beendet werden! Die Waffen müssen schweigen, Diplomatie muss Lösungen auf dem Verhandlungsweg herbeiführen!

Die SPD-GRÜNEN-FDP-geführte Bundesregierung nutzt diese Situation für einen nie dagewesenen Aufrüstungs- und Militarisierungsschub. Bundeskanzler Olaf Scholz verkündete jüngst in seiner Regierungserklärung "eine Zeitenwende in der Geschichte des Kontinents". Über ein Sondervermögen soll der Verteidigungsetat auf rund 75 Milliarden Euro drastisch erhöht werden. Hundert Milliarden Euro werden schuldenfinanziert für die Bundeswehr bereitgestellt. Das Bruttoinlandprodukt soll auf bis zu 3% für Rüstung und Militär gesteigert werden - eine Unsumme an Geld, die in Zukunft für Bildung, Pflege u.v.a. Sinnvolle fehlen wird. Auch wird die ukrainische Armee umfassend mit Kriegswaffen aus NATO-Staaten hochgerüstet. Deutschland liefert gepanzerte Fahrzeuge, Panzerfäuste, Panzerabwehrwaffen und Boden-Luft-Raketen. Krieg ist gut fürs Geschäft. Die Aktienkurse der Rüstungskonzerne erreichen unglaubliche Rekordwerte. Wir, die Bürger*innen und Steuerzahler*innen werden nicht einmal mehr gefragt, wie wir zu alledem stehen, Demokratie wird ausgehebelt. So sieht die bellizistische Kehrtwende des sozialdemokratischen Bundeskanzlers Scholz aus, der als Hochrüstungskanzler in die deutsche Geschichte eingehen wird. Schande über diese Bundesregierung, die den Krieg in der Ukraine schamlos für eine historisch hohe Aufrüstung und Militarisierung Deutschlands ausnutzt!

Wer glaubt, die Lieferung und der Einsatz deutscher Waffen würden den Krieg in der Ukraine positiv beeinflussen und den ukrainischen Widerstand zum militärischen Sieg führen, der muss sich die fatalen Folgen seines Denkens bewusst machen.

Warum ist die unerwartete Wende in der Rüstungsexportpolitik der Bundesregierung so dramatisch und folgenschwer? Wer den Export von Kriegswaffen in einen Krieg hinein genehmigt, wird selbst zur Kriegspartei und kann - wie Deutschland - nicht mehr Organisator oder Partner bei Friedensverhandlungen sein. Wer Waffen in ein Kriegsgebiet liefert, der verliert die Kontrolle über deren Einsatz. Defensivwaffen gibt es nicht - jede Waffe kann auch offensiv zu Menschenrechtsverletzungen eingesetzt werden. Die gelieferten Kriegswaffen befördern eine Konflikteskalation, mit ihnen wird Öl ins Feuer eines Krieges gegossen. Bereits in der Vergangenheit hat die Bundesregierung Waffenexporte an kriegführende und menschenrechtsverletzende Staaten genehmigt. Mit deutschen Waffen haben Militärs der Türkei, von Saudi-Arabien, von den Vereinigten Arabischen Emiraten und von Ägypten mörderische Gewaltakte im Irak-Krieg, im Syrien-Krieg, im Libyen-Krieg bzw. im Jemen-Krieg befördert oder selbst durchgeführt! Wir befürchten, dass die Waffenlieferungen der Ampelkoalition an die Ukraine die in diesem Frühjahr beginnenden Gespräche über ein neues Rüstungsexportkontrollgesetz negativ beeinflussen werden. Die Kriegswaffenexporte an die Ukraine könnten als Door-Opener dienen, neuerliche Waffenexporte in Krisen- und Kriegsgebiete zu legitimieren. Das darf nicht passieren!

Liebe Friedensfreund*innen, was ist zu tun?

Völkerrecht muss von allen Regierungen weltweit geachtet werden. Kriegsverbrecher müssen vor den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag gestellt werden. Die Grenzen müssen für Menschen geöffnet und für Waffen geschlossen werden. Alle Menschen, die vor Krieg und Gewalt zu uns flüchten, müssen in Europa Zuflucht finden. Die Waffenmärkte in der Ukraine, in Russland und in allen Krisen- und Kriegsregionen der Welt müssen ausgetrocknet, Rüstungsexporte müssen gestoppt werden. Alle kritischen Journalist*innen, alle Friedensdemonstrant*innen, Kriegsdienstverweigerer*innen und Deserteur*innen in Russland und in der Ukraine müssen Unterstützung erhalten und Schutz finden! Jede Gelegenheit zur Diplomatie und zur Verhandlung muss gefördert und genutzt werden, um die Waffen zum Schweigen zu bringen. Lasst uns Frieden schaffen ohne Waffen! Lasst uns der "Unkultur des Krieges" eine allumfassende "Kultur des Friedens" entgegensetzen!

Der Russland-Ukraine-Krieg nimmt immer dramatischere Ausmaße an: Heute Nacht wurde auch Europas größtes Atomkraftwerk Saporischschja seitens der russischen Armee angegriffen. Zum Glück wird es gerade renoviert und ist außer Betrieb. Allerdings befindet sich Kernbrennstoff darin. Diese dramatische Entwicklung ist das zugkräftigste Argument gegen den Ausbau der vermeintlich "zivilen" Atomkraft. Denn militärisch ist der Schutz für Abertausende Atomkraftwerke in aller Welt unmöglich! Deshalb meine Forderung: Kein Ausbau der Atomkraftwerke in Europa und weltweit! Zur Kultur des Friedens gehört auch die vollständige Umstellung unserer Energieversorgung auf regenerative Energiequellen!

Ich wünsche euch viel Kraft für diese und für viele weitere gewaltfreie kreative Aktionen und Aktivitäten als unser Beitrag zur Beendigung des grausamen Krieges in der Ukraine. Und mögen alle im Moment tobenden rund 30 kriegerischen Konflikte wieder in den Fokus weltweiter Aufmerksamkeit und damit der Hilfe gerückt werden.

Herzliche Grüße,
euer Jürgen Grässlin

Jürgen Grässlin ist Sprecher der Kampagne "Aktion Aufschrei - Stoppt den Waffenhandel!", Bundessprecher der Deutschen Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) und Vorsitzender des RüstungsInformationsBüros (RIB e.V.). 2018 initiierte Grässlin beim RIB e.V. das GLOBAL NET - STOP THE ARMS TRADE (GN-STAT) als ein weltweites Netzwerk gegen Waffenhandel.

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Veröffentlicht am

06. März 2022

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