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“Wir protestieren gegen die Kriegstreiber auf beiden Seiten”

Rede von Klaus Schramm bei der Mahnwache gegen den Krieg in der Ukraine in Lahr, 26.02.2022

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde!
Sehr geehrte Damen und Herren!

Ich begrüße Sie herzlich im Namen des Friedensforums Lahr zu unserer Mahnwache gegen den Krieg in der Ukraine.

Am Mittwoch Mittag wurde bekannt, daß russische Truppen die Grenze zur Ukraine überschritten haben. Das Friedensforum Lahr hat noch am selben Tag öffentlich in einer Stellungnahme hiergegen protestiert und diese an alle Lokalzeitungen in Lahr versendet. In unserer Stellungnahme heißt es eindeutig, daß damit von russischer Seite eine rote Linie überschritten wurde. Darin benennen wir das Eindringen in die Ukraine auch ganz klar als Aggression und als ein weiteres Drehen an der Eskalations-Spirale. Von Krieg konnte am Mittwoch noch keine Rede sein, denn das russischen Militär hätte sich zu diesem Zeitpunkt noch zurückziehen können.

Deshalb forderten wir am Mittwoch: "Zurück an den Verhandlungstisch!" Dafür ist es nun leider zu spät.

Wir sagen heute hier - wie es die Friedensbewegung zuvor noch bei jedem Krieg getan hat: Krieg ist ein Verbrechen! Die Friedensbewegung hat auch immer klar Position bezogen: Es gibt keinen Krieg, der unter diesen oder jenen Voraussetzungen zu rechtfertigen wäre.

Der Friedensbewegung wurde in den vergangenen Wochen und Monaten immer wieder unterstellt, sie stünde einseitig auf der Seite Rußlands, wir seinen "Putin-Versteher"… Wir haben uns allerdings auf keine der beiden Seiten gestellt - weder auf die Seite des sogenannten Westens - also auf die Seite des US-Regierung - noch auf die Seite "Putins", auf die Seite der russischen Regierung. Wir haben immer wieder beide Seiten dafür kritisiert, weiter und immer weiter uneinsichtig an der Eskalations-Spirale zu drehen. Wir haben davor gewarnt, daß damit die Gefahr eines Krieges wächst… und daß damit das Risiko eines Atomkriegs, mit dem alles Leben auf diesem Planeten vernichtet werden kann, zunimmt.

Schon am Mittwoch Nachmittag hatte ich hämische Zuschriften bekommen, in denen es beispielsweise heißt: "Wo bleibt der Aufschrei und der Protest des Friedensforums gegen Putin? Es bleibt so seltsam still heute." Solche Häme basiert auf dem Vorurteil, das Friedensforum Lahr, die Friedensbewegung, würde sich einseitig für die russische Regierung, einseitig für Putin, aussprechen. Das müssen wir uns nicht gefallen lassen. Wir haben noch immer gegen jeden Krieg protestiert!

Ich habe schon vor über 40 Jahren gegen die Besetzung Afghanistans protestiert. Auf einem von mir gestalteten Plakat war zu lesen: "Sovjets raus aus Afghanistan!" Sowjets habe ich damals falsch mit v statt mit w geschrieben - ich bitte um Nachsicht für einen damals 23-Jährigen!

Am 10. Oktober 1981 habe ich mit über 100.000 Menschen zusammen im Bonner Hofgarten gegen die Stationierung der Pershing-II-Raketen in Deutschland demonstriert - leider vergeblich.

In den vergangenen Tagen war des Öfteren davon zu lesen, der Überfall der russischen Truppen auf die Ukraine habe eine "70-jährige Friedensordnung" in Europa zerstört…

Wir haben und wir hatten hier in Europa in den vergangenen 70 Jahren keine Friedensordnung. Wir - ich meine jetzt: Baden-Württemberg - haben den Krieg in alle Welt exportiert! Ich nenne stellvertretend für viele weitere Rüstungsfirmen nur: Heckler&Koch in Oberndorf. Und ich frage: Sind die Kriege auf dem Balkan - ist der Kosovo-Krieg von 1999 schon vergessen?

Wer in der Vergangenheit nichts zu Heckler&Koch gesagt hat,
    soll heute auch zum Krieg in der Ukraine schweigen!

Wer in der Vergangenheit nichts zu Rüstungs-Exporten nach Saudi-Arabien gesagt hat,
    soll heute auch zum Krieg in der Ukraine schweigen!

Wer in der Vergangenheit nicht zur sowjetischen Besetzung Afghanistans gesagt hat,
    soll heute auch zum Krieg in der Ukraine schweigen!

Wer 1999 nichts zum Kosovo-Krieg gesagt hat - oder die Beteiligung Deutschlands an diesem Krieg mit dem Bohren von Brunnen, der Verteidigung von Frauenrechten oder dem Verteidigen von Demokratie oder von unserer Freiheit am Hindukusch sogar zu rechtfertigen versucht hat,
    soll heute auch zum Krieg in der Ukraine schweigen!

Wer 2001 nichts zur Besetzung Afghanistans - auch mit deutscher Beteiligung! - gesagt hat,
    soll heute auch zum Krieg in der Ukraine schweigen!

Wer in den vergangenen Jahren nichts zur Beteiligung des russischen Militärs am Krieg in Syrien gesagt hat,
    soll heute auch zum Krieg in der Ukraine schweigen!

Wer in den vergangenen Jahren nichts zur Beteiligung des US-amerikanischen Militärs am Krieg in Syrien gesagt hat,
    soll heute auch zum Krieg in der Ukraine schweigen!

Die Friedensbewegung dagegen muß heute nicht zum Krieg in der Ukraine schweigen. Wir haben in den vergangenen Jahren immer wieder davor gewarnt. Wir haben beide Seiten gewarnt. Wir stellen uns weder auf die Seite des "Westen" noch auf die Seite des "Ostens". Wir protestieren gegen die Kriegstreiber auf beiden Seiten, die oben an der Spitze stehen! Und wir solidarisieren uns mit den Menschen unten, mit dem größten Teil der Menschen in der Ukraine, die am meisten unter diesem furchtbaren Krieg zu leiden haben.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

Veröffentlicht am

27. Februar 2022

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