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Schicken wir sie endlich weg!

Von Georg Rammer

Eigentlich war Jesus ein tougher Typ. Seine spontane Aktion am Tempel von Jerusalem: beachtlich – vielleicht auch nachahmenswert? Er macht aus Stricken eine Peitsche und verjagt die Händler mit ihren Schafen und Rindern aus dem Tempelhof. Er fegt mit ausholender Armbewegung das Geld der Geldleiher und -wechsler auf den Boden, wirft ihre Tische um und brüllt: Hinaus! Hier hat der Markt nichts zu suchen!

Würde er heute die Akteure des Heiligen Marktes und die Trader und Broker und Spekulanten vertreiben wollen, hätte er eine Menge zu tun. Und ruckzuck sähe er sich der Staatsgewalt gegenüber, den RoboCops, die ihm mit Pfefferspray, Schlagstock und Tasern zu Leibe rücken würden – alles natürlich im Namen von Sicherheit und Ordnung.

Daran musste ich in diesem kalten Dezembertagen denken. Am Rande des Weihnachtsmarktes traf der Duft von fetter Bratwurst und Glühwein auf die Klänge von Monteverdis "Vespro della beate vergine" aus der Stadtkirche. Durch die halboffene Tür – Corona! – wehten die Chorklänge des Psalm 110: "So hat der Herr gesprochen zu meinem Herrn: Setze dich nieder, bis ich dir deine Feinde als Schemel unter die Füße lege! (…) Er richtet Völker, er häuft die Toten, zerschlägt die Häupter weit übers Land." Ganz schön hart, sicher nicht jugendfrei.

In diese weihnachtliche Idylle hinein versammelte sich ein kleiner Trupp junger Leute. Sie stellten einen Verstärker auf. Einer mit Bart und langen Haaren, der von den anderen JayCee gerufen wurde, stieg auf einen leeren Bierkasten und rief durchs Mikrophon: "Hey Leute, wir feiern hier, schlagen uns den Bauch voll und lauschen den sakralen Klängen – während an der Grenze der EU Flüchtlinge gejagt und in den Tod getrieben werden! Während Amazon täglich Milliarden an uns verdient und die Arbeiter und Arbeiterinnen ausbeutet, leben hunderte Millionen am Rande des Hungertodes! Deutschland liefert tödliche Waffen an 160 Länder – natürlich für den Frieden!" Und so ging es noch ein paar Minuten.

Es herrschte angespannte Stille. Die weihnachtlichen Leute schienen unentschlossen, ob sie sich angegriffen fühlen sollten. Aber sie blieben. Der Typ, den sie JayCee nannten, stieg von seiner Kiste, und die jungen Leute stellten sich in zwei Gruppen auf, Frauen auf der einen Seite, Männer gegenüber. Plötzlich erklang ein harter Rhythmus, und schon nach wenigen Takten wippten die Menschen auf dem Markt mit, denn sie erkannten die Melodie – und die macht was mit dem Körper. Unmöglich, dabei ruhig zu bleiben. Dann begannen die jungen Frauen zu singen, als wären sie die Harlem-Singers.

Stopp! Bevor Sie weiterlesen, rufen Sie bitte erst mal auf YouTube "Hit the Road Jack!" mit Ray Charles auf. Überspringen Sie die Werbung. Und jetzt klicken Sie auf Start – und dann mitlesen!

Frauen: ’s hat doch keinen Zweck,
der Ärger mit Konzernen:
BlackRock, Facebook, RWE!
Nehm’n uns alles weg,
für Steuerräuber sind wir Dreck!
(Zwischenruf Männer: Was ist los?)
F: ’s hat doch keinen Zweck,
der Ärger mit Konzernen:
BlackRock, Facebook, RWE!
Die sind total gestört!
Wir woll’n was uns gehört!
Männer: Wie wollt ihr denn das machen
ohne Macht und Militär?
Nur Gedanken, Träume und Konsum sind frei!
Zum Schluss sitzt ihr im Knast:
die Reichen lachen sich’n Ast.
F: ’s hat doch keinen Zweck,
der Ärger mit Konzernen:
BlackRock, Facebook, RWE!
Nehm’n uns alles weg,
für Steuerräuber sind wir Dreck!
(M: Was wollt ihr?)
F: ’s hat doch keinen Zweck,
der Ärger mit Konzernen
BlackRock, Facebook, RWE!
Die sind total gestört!
Wir woll’n was uns gehört!
M: Ihr Eigentum verteilen?
F: Ja, das wird gemein!
M: Kriegen die verdiente Rente,
F: aber die ist klein.
Und sie merken, dass die Miete frisst
die halbe Rente auf – so’n Mist.
M: Dann erfahr’n sie endlich hier
das Luxusleben unter Hartz vier.
F: Wär doch mal ein Gag:
Wir schaffen nicht für sie,
nie mehr, nie mehr, nie mehr, nie mehr!
Nehmen uns nix weg,
behandeln uns nie mehr wie’n Dreck.
(M: Recht so!)
F + M: Wär doch mal ein Gag:
Wir schaffen nicht für sie,
nie mehr, nie mehr, nie mehr, nie mehr!
Nehmen uns nix weg!
Behandeln uns nie mehr wie’n Dreck. (Yeah!)
Das wär doch endlich mal ein Gag
(M: Machen wir!)
Schicken wir sie endlich weg!
Das wär doch endlich mal ein Gag!
Schicken wir sie endlich weg!
(Fangen wir endlich an!)

Nun, wie war’s? Nochmal hören?

Ja, unwiderstehlich, dieser Klang, dieser Rhythmus. Und der Text bleibt irgendwie im Kopf. Die Leute begannen tatsächlich mit zu klatschen, und sie sangen aus vollem Hals: "Wär doch mal ein Gag! Schicken wir sie endlich weg!"

Quelle: Ossietzky - Zweiwochenschrift für Politik, Kultur, Wirtschaft , 25/2021. Wir veröffentlichen den Artikel mit freundlicher Genehmigung des Verlags.

Veröffentlicht am

28. Dezember 2021

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