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Sexuelle Gewalt, Unfälle und psychischer Druck

Minderjährige Soldat*innen bei der Bundeswehr: Neue Daten aus dem Verteidigungsministerium und Interviews belegen Risiken und körperliche und seelische Schäden

Anlässlich des Weltkindertages am 20.9. veröffentlicht die Kampagne "Unter 18 nie! Keine Minderjährigen in der Bundeswehr" ein bisher unveröffentlichtes Dokument aus dem Verteidigungsministerium - die Antwort auf eine Anfrage des CDU-Bundestagsabgeordneten Frank Heinrich - mit brisanten neuen Daten zu minderjährigen Soldat*innen in der Bundeswehr und zudem Interviews einer Journalistin mit minderjährigen Soldat*innen.

"Die Daten aus dem Verteidigungsministerium belegen, dass 17-jährige Mädchen und Jungen als Rekrut*innen der Bundeswehr hohe Risiken haben und körperliche und seelische Schäden erleiden", sagt Ralf Willinger, Kinderrechtsexperte des Kinderhilfswerks terre des hommes und Sprecher der Kampagne "Unter 18 nie! Keine Minderjährigen in der Bundeswehr". "In den letzten drei Jahren waren mindestens 17 minderjährige Soldat*innen Opfer von sexueller Gewalt, mindestens 8 kamen bei Unfällen zu Schaden und ein minderjähriger Soldat verübte Suizid. Fast jeder vierte Soldat der Bundeswehr ohne Einsatzerfahrung leidet unter psychischen Erkrankungen. Dadurch, dass die Bundesregierung weiter die Rekrutierung von Jugendlichen als Soldat*innen erlaubt, ist sie auch für diese Risiken und Schäden verantwortlich. Es handelt sich hierbei um schwere Kinderrechtsverletzungen und gravierende Verstöße gegen die UN-Kinderrechtskonvention."

"Es ist nicht akzeptabel, dass Jugendliche als Soldat*innen eingestellt und in der Bundeswehr schweren Risiken ausgesetzt werden und es noch nicht mal besondere Schutzmaßnahmen für sie gibt", sagt Martina Schmerr von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft und Sprecherin von "Unter 18 nie! Keine Minderjährigen in der Bundeswehr". "In Schulen und Bildungseinrichtungen gibt es inzwischen strenge Regeln zum Schutz von Kindern und Jugendlichen. Derselbe Maßstab muss auch in der Bundeswehr angelegt werden. Stattdessen werden Jugendliche hier ohne jeden Schutz mit Erwachsenen zusammen untergebracht, sie erhalten dasselbe gefährliche militärische Training und haben noch nicht mal spezielle Ansprechpartner. In einem Drittel der Fälle sexueller Gewalt, die minderjährige Soldat*innen in den letzten drei Jahren erleiden mussten, stehen Vorgesetzte unter Tatverdacht - dies deutet auf Machtmissbrauch und ein systemisches Problem bei der Bundeswehr hin. Und es macht sehr deutlich: die Bundeswehr ist kein Ort für Kinder und Jugendliche." 

"Wir werden diese neuen besorgniserregenden Daten dem UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes melden, der bis Mitte 2022 überprüft, wie Deutschland die UN-Kinderrechtskonvention umsetzt", erklärt Willinger. "Der UN-Ausschuss fordert die Bundesregierung schon seit 2008 auf, das Rekrutierungsalter auf 18 Jahre anzuheben - eine Aufforderung, die bisher von der Bundesregierung ignoriert wird mit dem Verweis auf eine Ausnahmeregelung für staatliche Armeen in einem Zusatzprotokoll der UN-Kinderrechtskonvention. Diese wäre nur zulässig, wenn alle Kinderrechte der Konvention eingehalten werden könnten - dass dies bei der Bundeswehr nicht der Fall ist, wurde vielfach belegt* und wird jetzt durch die neuen Daten wieder bestätigt. Die Haltung der Bundesregierung ist rückständig - denn nur noch wenige Staaten weltweit nutzen die Ausnahmeregelung, mehr als dreiviertel aller Staaten rekrutieren Soldat*innen frühestens, wenn sie volljährig sind. Die nächste Bundesregierung muss hier dringend handeln und das Rekrutierungsalter endlich auf 18 Jahre erhöhen."

Die Interviews mit minderjährigen Bundeswehrsoldaten der Journalistin Leoni Gau zeigen Beispiele, wie die Bundeswehrwerbung auf Jugendliche wirkt, was passiert, wenn junge Soldatinnen und Soldaten die Bundeswehr trotz Vertrags wieder verlassen wollen, wie sie der Umgangston und der Militärdienst belasten und dass dies zu schweren psychischen Problemen führen kann.

  • Schattenbericht Kindersoldaten 2007, 2013, 2019 (offizielle Dokumente im UN-Staatenberichtsverfahren zur Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention durch Deutschland)
  • Studie "Why 18 matters - eine Analyse der Rekrutierung von Kindern" (2019).

Die Interviews und das Dokument aus dem Verteidigungsministerium finden Sie unter "Weitere Dokumente" und die genannten Studien unter "Publikationen" auf der Webseite: www.unter18nie.de/materialien-publikationen-dokumente/

Die Kampagne Kampagne "Unter 18 nie! Keine Minderjährigen in der Bundeswehr" setzt sich seit 2019 dafür ein, dass das Rekrutierungsalter der Bundeswehr auf 18 Jahre angehoben wird und Bundeswehrwerbung bei Minderjährigen verboten wird. Sie wird getragen von einem breiten Bündnis von Organisationen aus den Bereichen Frieden, Menschenrechte, Kirche und Gewerkschaft. 

Quelle:  Kampagne "Unter 18 nie! Keine Minderjährigen in der Bundeswehr" - Pressemitteilung vom 17.09.2021.

Veröffentlicht am

17. September 2021

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