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Westsahara: Jede Menge Brandstifter

Schon lange wird wegen Marokkos Landnahme in der Region gestritten, nun bricht Algerien den diplomatischen Kontakt ab. Die Krise spitzt sich zu

Von Sabine Kebir

Bekannt ist, dass Algier und Rabat lange schon über den Status der 1975 von Marokko besetzten Westsahara unversöhnlich streiten. Was nicht sein müsste, da die UN Marokkos Landnahme in dieser Region nie billigten. Nun hat Algerien den diplomatischen Kontakt abgebrochen, eine Krise mausert sich zur Konfrontation. Am Anfang dieser Zuspitzung stand Donald Trumps einsame Entscheidung, die Westsahara als integralen Teil Marokkos anzuerkennen. Dem folgten Erklärungen arabischer Staaten, in dem annektierten Gebiet Konsulate einzurichten. Doch blieb es bei derartigen Absichten, denn bisher hat Joe Biden das Verhalten seines Vorgängers nicht sanktioniert.

Seit dem völkerrechtlich nicht gedeckten Vorstoß Trumps bringen algerische Medien häufig Bilder und Berichte von nadelstichartigen Angriffen der auf dem Territorium ihres Landes stationierten westsaharischen Befreiungsarmee Polisario, gerichtet gegen marokkanische Truppen. Die Regierung in Rabat hat sich prompt revanchiert, indem sie die Idee einer Autonomie der algerischen Kabylei aktiv unterstützt. Es ergingen Aufrufe an die Delegationen von UN-Staaten, es genauso zu halten. Als willkommenen Support verstand das die am radikalsten für eine selbstbestimmte Kabylei eintretende Organisation Mouvement pour l’Autonomie de la Kabylie (MAK). Bereits seit Längerem gab es ein seltsames Zusammenspiel zwischen Marokko und der MAK, die paradoxerweise die Ansprüche Marokkos auf die Westsahara anerkennt. Außerdem fiel auf, dass Ferhat Mehenni, der in Paris residierende MAK-Präsident, in einem israelischen TV-Sender kundtat, seine Organisation bewerte den Kampf der Palästinenser für ihren Staat als kaum mehr zeitgemäß. Da konnte auch die Versicherung nicht mehr helfen, die MAK agiere absolut gewaltfrei. Im Mai sahen sich die Autonomisten in Algerien zur terroristischen Organisation erklärt. Damit nicht genug, enthüllt wurde zugleich, dass Marokko mit einer israelischen Software neben anderen Zielen auch die algerische Regierung ausspioniert hat. Im Gegenzug vermutete Algier, hinter den zuletzt die Kabylei verwüstenden Bränden könne eine Verschwörung Marokkos, Israels und der MAK stecken. Was von eigener Nachlässigkeit ablenken soll, denn beim heftigen Aufflammen der Covid-19-Infektionen hatte Algerien nicht genügend Sauerstoff, und als die Waldbrände loderten nicht genügend Löschflugzeuge. Eine der Konsequenzen dieses Missstandes war der Tod von 33 Soldaten und 57 Bewohnern der Kabylei, die dem Feuertod nicht entrinnen konnten. Es fällt auf, wie sehr die algerische Regierung in Erklärungsnot gerät, wenn es um den Lynchmord an einem jungen Künstler und Aktivisten geht, der ins kabylische Larbaâ Nath Irathen nachweislich als solidarischer Helfer ging, unterwegs von einem Sicherheitsdienst festgenommen und der Polizei übergeben wurde. Weshalb die ihn als "Brandstifter" einer aufgebrachten Menge auslieferte, bleibt ein Rätsel. Tätervideos zeigen, dass sich die Polizei zurückzog, statt ihn zu schützen. Etappen des Mordes wurden ins Netz gestellt. Viele der danach Verhafteten sollen der MAK nahestehen. Hat sich deshalb der Hauptschuldige nach Marokko abgesetzt?

Wie kann es sein, dass von den Konfliktparteien so dreist gezündelt wird? Warum wird aus Hader binnen Kurzem Hass? Wenigstens bleiben algerische Konsulate in Marokko geöffnet, um das spärliche Reisen der Bürger beider Seiten nicht vollends stillzulegen.

Quelle: der FREITAG vom 03.09.2021. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Verlags.

Veröffentlicht am

15. September 2021

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