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Bundesregierung setzt Afghanistan offenbar unter Druck, Abgeschobene zurückzunehmen

Der deutsche Sonderbeauftragte für Afghanistan soll das afghanische Ministerium aufgefordert haben, Abgeschobene zurückzunehmen – entgegen dem Willen der afghanischen Seite. Das zeigt, ebenso wie der neue Lagebericht des Auswärtigen Amts, dass der Bundesregierung die Sicherheit der Afghanen egal ist.

Trotz der eskalierenden Lage am Hindukusch und dem Vorrücken der Taliban hat die Bundesregierung die afghanische Regierung offenbar erneut unter Druck gesetzt, abgeschobene Afghanen weiterhin aufzunehmen. Jasper Wieck, seit Juli 2021 Sonderbeauftragter für Afghanistan und Pakistan, ist am 27. Juli im afghanischen Ministerium für Flüchtlinge und Rückführung gewesen. PRO ASYL liegen Hinweise vor, dass er dort Druck auf die afghanische Seite ausgeübt hat, die für August terminierte Abschiebung nicht zu verhindern, sondern diejenigen Afghanen, die Deutschland abschieben will, aufzunehmen.

"Eine solche Haltung zeugt entweder von einer völligen Fehleinschätzung der Lage vor Ort oder davon, dass Deutschland bewusst in Kauf nimmt, abgeschobene Menschen in Lebensgefahr zu bringen", kritisiert Peter von Auer, Rechtsexperte und Afghanistan-Spezialist bei PRO ASYL. Denn die afghanische Regierung habe klar gemacht, dass sie abgeschobene Rückkehrer derzeit nicht schützen könne. Welchen Gefahren diese ausgesetzt sind, zeigt auch eine Studie der Sozialwissenschaftlerin Friederike Stahlmann.

Deutsche Sorgen mit Blick auf die Bundestagswahl

Laut Quellen vor Ort geht Österreich noch weiter und droht sogar mit der Schließung der Botschaft, sollten die geplanten Abschiebungen von Afghanistan nicht akzeptiert werden. Dem Europäischen Flüchtlingsrat ECRE zufolge hat Schweden die Aufforderung Afghanistans, derzeit keine Menschen mehr dorthin abzuschieben, akzeptiert. Auch Finnland und Norwegen haben verkündet, Abschiebungen nach Afghanistan auszusetzen.

Der deutsche Vertreter hingegen habe auf den öffentlichen Druck und die in Deutschland anstehenden Wahlen verwiesen, erfuhr PRO ASYL dank Kontakten vor Ort. "Es ist absurd zu sehen, wie Deutschland mit dem Leben von Afghanen spielt, um bei den Wahlen im eigenen Land zu punkten", sagt eine Kontaktperson von PRO ASYL in Kabul, die aus Sicherheitsgründen anonym bleiben möchte.

Jasper Wieck und das Auswärtige Amt haben am Dienstag nicht auf die Anfrage von PRO ASYL reagiert. Steve Alter, Sprecher des Bundesinnenministeriums, hatte allerdings auf der Regierungspressekonferenz am 26. Juli die Position deutlich gemacht, "dass uns daran gelegen ist, bestimmte Personen, also etwa Straftäter, weiterhin nach Afghanistan abzuschieben. Die Lage, wie sie sich uns darstellt, erlaubt das auch. Man muss Abschiebungen aus unserer Sicht nicht gänzlich, und in jedem Fall pauschal einstellen. Die afghanische Regierung hat nun genau das von uns verlangt, darüber finden Gespräche statt, und die dauern an."

Die nächste Abschiebung nach Kabul ist für den 10. August geplant. PRO ASYL fordert das Bundesinnenministerium sowie die Bundesländer auf, die Abschiebungen aufgrund der volatilen Sicherheitslage unverzüglich auszusetzen.

Veralteter Lagebericht des Auswärtigen Amts

"Mit Blick auf Afghanistan unterläuft der Bundesregierung eine Peinlichkeit nach der anderen: Zuerst werden die Ortskräfte schamlos im Stich gelassen, dann veröffentlicht das Auswärtige Amt einen neuen Lagebericht, der aber auf alten Zahlen, Daten und Fakten beruht und die aktuelle Situation überhaupt nicht berücksichtigt, und nun wird die afghanische Regierung von der Bundesregierung anscheinend unter Druck gesetzt. Eine wertegeleitete Außenpolitik und Partnerschaft auf Augenhöhe sehen anders aus", kommentiert Peter von Auer. Seine Einschätzung des aktuellen Lageberichts des Auswärtigen Amtes, der schon bei Erscheinen veraltet war, findet sich hier .

Quelle: PRO ASYL - Pressemitteilung vom 28.07.2021.

Veröffentlicht am

30. Juli 2021

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