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Die Systemfrage besteht zwischen Kapitalismus und Krieg

Rede anlässlich des 80. Jahrestags des Überfalls von Nazi-Deutschland auf die Sowjetunion, Stuttgart, 26. Juni 2021

Von Jürgen Wagner

Liebe Freundinnen und Freunde,

wir sind heute hier, um an die Verbrechen Deutschlands und den Jahrestag des Überfalls auf die Sowjetunion vor 80 Jahren zu erinnern.

Wir sind heute aber auch hier, um gegen das unerträgliche Säbelrasseln gegen Russland zu protestieren, das hier und heute stattfindet - und das nicht zuletzt hier vom EUCOM in Stuttgart-Vaihingen ausgeht!

Vor nicht einmal zwei Wochen wurde Russland auf dem NATO-Gipfel in Brüssel als "Bedrohung", als "Gegner" und als "Systemrivale" gebrandmarkt.

Die beiderseitigen Beziehungen hätten einen Tiefpunkt seit dem Ende des Kalten Krieges erreicht, hieß es.

Das ist richtig - aber an wem liegt denn das? Es war schließlich die NATO, die sich entgegen anderslautender Zusagen mit den Erweiterungen 1999 und 2004 und danach immer weiter Richtung Russland ausdehnte.

Seit der Ukraine-Krise ab 2014 findet eine immer massivere Aufrüstung der NATO und speziell auch Deutschlands gegen Russland statt.

Seit 2016 sind auch wieder dauerhaft je 1.000 NATO-Soldaten, auch aus Deutschland, in den drei baltischen Staaten und Polen stationiert.

Dadurch wurde nicht zuletzt die NATO-Russland-Akte von 1997 verletzt, in der zugesagt wurde, keine substanziellen Truppen dauerhaft in Osteuropa zu stationieren.

Liebe Freundinnen und Freund,

dass deutsche Soldaten 80 Jahre nach Beginn des Überfalls auf die Sowjetunion dauerhaft auf ehemaligem sowjetischem Territorium stationiert sind, ist für sich schon ein Skandal.

Das Bataillon in Litauen steht unter deutscher Führung - und es waren jetzt ganz frisch deutsche Soldaten aus diesem Bataillon, die auf widerlichste Weise unter anderem durch Hitlerverehrungen, Antisemitismus, Rassismus und Sexismus von sich reden machten.

Liebe Freundinnen und Freunde,

pfui - der ganze Haufen gehört sofort aufgelöst, alle Truppen, insbesondere aber die deutschen, müssen sofort abgezogen werden.

Das wäre das richtige Signal zum 80jährigen Jahrestag des Überfalls auf die Sowjetunion gewesen.

Stattdessen aber rüstet Deutschland gezielt gegen Russland auf.

In der Konzeption der Bundeswehr von 2018 war folgender Satz zu finden:

"Die Bundeswehr muss […] in der Lage sein, zur kollektiven Bündnisverteidigung […] mit umfassenden Fähigkeiten bis hin zu kampfkräftigen Großverbänden innerhalb und auch am Rande des Bündnisgebietes eingesetzt zu werden."

Das ist doch entlarvend - mit "Verteidigung" hat das nichts zu tun: was soll sonst die Formulierung "innerhalb und auch am Rande des Bündnisgebietes".

Und diese Großverbände werden aktuell aufgebaut: Hierfür will Deutschland bis 2023 eine voll ausgestattete Brigade und bis 2027 eine schwere Division (15-20.000) in die NATO einspeisen. Bis 2032 sollen es drei Divisionen sein.

Die Bundeswehr wird dafür derzeit grundlegend umgebaut, u.a. soll sie von derzeit ca. 180.000 SoldatInnen auf 203.000 im Jahr 2027 vergrößert werden.

Für all das braucht es enorme Rekrutierungsanstrengungen und vor allem viel Geld - dem Säbelrasseln nach Außen folgt wie üblich die Militarisierung im Inneren auf dem Fuße.

Erst am Mittwoch wurde eine nochmalige Erhöhung des Rüstungshaushaltes beschlossen: Nächstes Jahr soll er auf 50,3 Mrd. Euro anwachsen - 2014 waren es noch 32,5 Mrd. Euro!

Liebe Freundinnen und Freunde,

der Aufmarsch gegen Russland benötigt auch eine umfassende Logistik.

Nach aktuellen Planungen sollen Truppen der ultraschnellen NATO-Eingreiftruppe binnen 2 bis 3 Tagen an die Grenze Russlands verlegt werden können.

Die hierfür erforderlichen Abläufe und die Logistik werden unter anderem mit dem jährlichen Großmanöver Defender Europe eingeübt.

Bei Defender Europe 2020 ging es darum, die schnelle Truppenverlegung Richtung baltische Staaten und Polen zu proben.

Beim Manöver Defender Europe 2021, an dem zwischen März und Juni knapp 30.000 SoldatInnen beteiligt waren, wurde nun der Zugriff auf die Schwarzmeerregion geübt.

Liebe Freundinnen und Freunde,

dass das ein Spiel mit dem Feuer ist, haben wir erst diese Woche gesehen, als der britische Zerstörer HMS Defender im Hoheitsgewässer der Krim fast in Gefechte mit russischen Kriegsschiffen geriet.

Einen Tag nach dem Jahrestag des Überfalls auf Russland testete da ein britisches Kriegsschiff, wie weit es gehen kann.

Dennoch soll in wenigen Tagen im Schwarzen Meer das Manöver "Sea Breeze" mit 5.000 SoldatInnen und 30 Kriegsschiffen beginnen - das zeigt doch, wer hier halsbrecherisch agiert.

Begründet wird das alles damit, man müsse der russischen Aufrüstung etwas entgegensetzen.

Wie man das unablässig behaupten kann, ohne rot zu werden, ist mir wirklich schleierhaft.

Es ist doch die NATO, die beispiellos aufrüstet:

2014 gaben die NATO-Länder noch 943 Mrd. Dollar für ihr Militär aus - 2020 waren es 1106 Mrd. Dollar!

Zum Vergleich: Russlands Verteidigungshaushalt belief sich 2014 noch auf 85 Mrd. Dollar, 2020 waren es nur noch 62 Mrd. Dollar.

Liebe Freundinnen und Freunde,

wie zuletzt beim NATO-Gipfel sollen wir auf einen neuen Systemkonflikt mit Russland und China eingeschworen werden.

Diesen Versuchen müssen wir uns entschieden entgegenstellen.

Es gibt nur einen Systemkonflikt und der besteht zwischen Frieden und Kapitalismus!

Quelle: Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. - IMI-Standpunkt 2021/039.

Veröffentlicht am

28. Juni 2021

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