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“Ich arbeite nicht für Dich”

Der israelische Geheimdienstchef trifft sich mit Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas

Der Chef der israelischen Geheimpolizei, Nadav Argaman, traf sich mit dem palästinensischen Präsidenten Mahmoud Abbas, um die Palästinensische Autonomiebehörde aufzufordern, die bevorstehenden Wahlen abzusagen und ihre Klage gegen Israel vor dem Internationalen Strafgerichtshof zurückzuziehen.

Anfang März hat sich Nadav Argaman, der Chef der israelischen ISA, besser bekannt als der israelische Inlandsgeheimdienst Shabak oder Shin-Bet (siehe BIP-Aktuell #128 ), mit dem Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) Mahmoud Abbas in Ramallah getroffen . An diesem 90-minütigen Treffen nahmen zwei weitere hochrangige Mitglieder der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA)  teil: Majed Faraj , der den Nachrichtendienst der PA leitet, und Hussein el-Sheikh , der Leiter der Allgemeinen Behörde für zivile Angelegenheiten der PA. Über das Treffen wurde in den palästinensischen und israelischen Nachrichten ausführlich berichtet, weil es ein Licht auf die Beziehungen zwischen der israelischen Regierung und der Palästinensischen Selbstverwaltungsbehörde sowie auf die realen Machtverhältnisse wirft. Der Inhalt des Treffens wurde von der PA selbst veröffentlicht, und israelische Journalisten haben die Richtigkeit der Zitate aus dem Treffen nicht bestritten .

Dem Bericht zufolge war Nadav Argaman bei dem Treffen arrogant und herablassend. Allein die Vorstellung, dass der Chef der Geheimpolizei kommt, um sich mit dem palästinensischen Präsidenten zu treffen, ist eine Beleidigung und verstößt gegen das diplomatische Protokoll: Ein Staatsoberhaupt trifft sich nur mit einem anderen Staatsoberhaupt. Selbst der Außenminister Gabi Ashkenazi war sich zu wichtig, um sich mit Abbas zu treffen. Darüber hinaus ist die Entscheidung, den Chef des Inlandsgeheimdienstes statt des Chefs des Mossad (des Auslandsgeheimdienstes, vergleichbar mit dem BND) zu schicken, eine klare Botschaft: Die israelische Regierung betrachtet das gesamte besetzte palästinensische Gebiet als Teil des eigenen Territoriums.

Argaman hatte zwei Forderungen, mit denen er Abbas konfrontierte. Erstens forderte er, dass Abbas die anstehenden palästinensischen Wahlen absagt. Die Wahlen sollen in diesem Jahr für den Palästinensischen Legislativrat (PLC), für das Amt des Präsidenten und für den Palästinensischen Nationalrat der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) im Mai, Juli bzw. August stattfinden, fünfzehn Jahre nach den letzten Wahlen. Argaman warnte davor, dass die Hamas bei den Wahlen gewinnen und die Westbank übernehmen könnte. Abbas antwortete: "Du erzählst mir von der Hamas? Ihr [die Israelis] habt die Hamas aufgebaut! Und ihr überweist jeden Monat 30 Millionen Dollar an sie." Es ist interessant festzustellen, dass Abbas damit das israelische Narrativ übernommen hat, nach dem die Hamas-Partei vom israelischen Geheimdienst gefördert wurde, und dass die Millionen an humanitärer Hilfe, die von Katar in den belagerten Gazastreifen gezahlt werden, möglicherweise Beträge sind, die "von Israel" an die Hamas gegeben wurden. Verräterisch ist auch die Forderung der "einzigen Demokratie im Nahen Osten", nach der fünf Millionen Palästinenser unter israelischer Besatzung keine demokratische Vertretung haben sollten. Argaman sagte dann: "Du kannst keine Wahlen mit der Hamas abhalten", Abbas antwortete: "Ich arbeite nicht für Dich."

Das zweite Thema, das Argaman bei dem Treffen ansprach, war der Internationale Strafgerichtshof (IStGH, siehe BIP-Aktuell #157 ). Am 21. März widerriefen die israelischen Behörden die Reisepapiere des palästinensischen Außenministers Riyad al-Maliki als Strafe dafür, dass er vor dem IStGH ausgesagt hatte. Argaman drohte Abbas, dass, wenn die PA ihre Klage gegen Israel vor dem IStGH nicht zurückzieht, Israel nicht aufhören wird, die Steuergelder zu konfiszieren, die es gemäß den Pariser Protokollen (siehe BIP-Aktuell #164 ) im Namen der PA eintreibt. Darauf antwortete Abbas: "Ich habe niemanden sonst, an den ich mich wenden kann, um Gerechtigkeit zu erfahren." Argaman drohte damit, dass Israel eine eigene Klage gegen die PA vor dem IStGH einreichen werde. Dies ist allerdings eine leere Drohung, weil Israel kein Mitglied des IStGH ist und Klagen nur von Mitgliedsstaaten erhoben werden können. Es steht zu befürchten, dass die israelische Regierung die deutsche Regierung drängt, eine Klage in ihrem Namen einzureichen. Abbas antwortete auf diese Drohung mit den Worten: "Was mich betrifft, können wir beide in der gleichen Gefängniszelle sitzen."

Präsident Abbas beendete das Gespräch mit der Aufforderung an Argaman: "Trink Deinen Kaffee und geh." Das Treffen erinnert an die koloniale Beziehung, die zwischen dem Staat Israel und der einheimischen palästinensischen Bevölkerung besteht. Der Staat Israel hat die Souveränität über das gesamte historische Palästina inne und erwartet von der palästinensischen Bevölkerung, auch von ihrer Führung, dass sie seinen Befehlen gehorcht.

Quelle:  BIP e.V. - BIP-Aktuell #165.

Veröffentlicht am

22. April 2021

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