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Leonardo Boff: Post-covid-19: was in Kosmologie und Ethik zu berücksichtigen ist (III)

Von Leonardo Boff

Lassen Sie uns den nachdenklichen Kommentar des Textes der Erdcharta vervollständigen, der besagt, dass wir einen Neuanfang suchen müssen, um eine nachhaltige Lebensweise auf dem Planeten Erde führen zu können. Dazu sei "ein neues Gefühl globaler Interdependenz erforderlich". Die Beziehung von allem mit allem und damit zur globalen Interdependenz stellt eine kosmologische Konstante dar. Alles im Universum ist Beziehung. Es ist auch ein quantenphysikalisches Axiom, nach dem alle Wesen interretro-verknüpft sind. Wir selbst, die Menschen, sind ein Rhizom (Wurzelzwiebel) von Beziehungen, die sich in alle Richtungen ausstrecken. Dies impliziert das Verständnis, dass alle Probleme: ökologisch, ökonomisch, politisch und spirituell, miteinander verbunden sind. Wir werden Leben nur retten, wenn wir uns nach dieser universellen Logik, der Logik des Universums und der Natur, ausrichten.

Die Erdcharta fährt fort: "Universelle Verantwortung ist erforderlich." Verantwortung bedeutet, sich der Folgen unseres Handelns bewusst zu sein, ob sie anderen Wesen nützen oder schaden. Hans Jonas schrieb ein klassisches Buch über das Prinzip Verantwortung, das die Prinzipien der Prävention und Vorsorge behandelt. Durch Prävention können wir die Auswirkungen berechnen, wenn wir in die Natur eingreifen. Der Grundsatz der Vorsorge sagt uns, dass wir, wenn wir die Folgen nicht ermessen können, nicht riskieren dürfen, bestimmte Maßnahmen und Interventionen zu ergreifen, weil sie sehr schädliche Auswirkungen auf das Leben haben können.

Wir sehen das Fehlen einer solchen kollektiven Verantwortung in der gegenwärtigen Pandemie. Sie verlangt eine strikte soziale Isolation, um eine Ausbreitung in der Gesellschaft zu verhindern, aber die überwiegende Mehrheit der Menschen hält sich nicht an diesen Grundsatz. Er muss universell sein.

Darüber hinaus fordert uns die Erdcharta auf "die Vision (einer nachhaltigen Lebensweise) kreativ zu entwickeln und anzuwenden". Nichts Großes wird auf der Erde erreicht, ohne sich die neuen Gesellschaften und Formen des Seins vorzustellen und zu erschaffen, die man sich vorgestellt hat. Das ist die Funktion lebensfähiger Utopien. Alle Utopien erweitern unseren Horizont und fordern unsere Kreativität heraus. Im heiteren Ausdruck von Eduardo Galeano "führt uns die Utopie von Horizont zu Horizont und veranlasst uns immer zum Gehen."

Um die üblichen Methoden, das Gemeinsame Haus zu bewohnen, zu überwinden, welche in einer utilitaristischen Beziehung bestehen, müssen wir von unserem Planeten als der großen Mutter träumen, "Die Erde der guten Hoffnung" (Ignace Sachs und Ladislau Dowbor). Die Menschheit kann diese Utopie verwirklichen, wenn sie sich der Dringlichkeit der Notwendigkeit einer anderen Welt bewusst wird.

Eine nachhaltige Lebensweise

Die Erdcharta bekräftigt auch "eine Vision einer nachhaltigen Lebensweise". Wir sind den Ausdruck "nachhaltige Entwicklung" gewohnt. Er ist präsent in allen offiziellen Dokumenten und auf den Lippen der vorherrschenden Ökologie. Alle seriösen Studien haben jedoch gezeigt, dass unsere Form der Produktion, Verteilung und des Konsums nicht nachhaltig ist, weil es unmöglich ist, ein Gleichgewicht aufrechtzuerhalten zwischen dem, was wir von der Natur nehmen, und dem, was wir ihr lassen, um zu ermöglichen, dass sich die Natur stets reproduzieren und sich kontinuierlich weiterentwickeln kann. Unsere Gier hat den Planeten nicht-nachhaltig gemacht, denn selbst wenn die reichen Länder ihren Wohlstand auf die gesamte Menschheit ausdehnen wollten, würde es mindestens drei Erden wie unsere gegenwärtige erfordern, was absolut unmöglich ist.

Die aktuelle Entwicklung, die das Wirtschaftswachstum des Bruttosozialprodukts, des BSP, misst, zeigt erstaunliche Ungleichheiten, zu dem Ausmaß, dass die NGO Oxfam in ihrem Bericht von 2019 feststellt, dass 1 % der Menschheit die Hälfte des Reichtums der Welt besitzt und dass 20 % der Menschen 95 % dieses Reichtums kontrollieren, während die restlichen 80 % mit nur 5 % des Reichtums auskommen müssen. Diese Daten legen offen, dass die Welt, in der wir leben, völlig unhaltbar ist.

Die Erdcharta wird nicht vom Profit, sondern vom Leben geleitet. Deshalb besteht die große Herausforderung darin, eine nachhaltige Lebensweise in allen Lebensbereichen zu schaffen: in den Bereichen Persönliches Leben, Familie, Soziales, auf nationaler und internationaler Ebene.

Die Bedeutung des Bio-Regionalismus

Schließlich muss diese nachhaltige Lebensweise auf lokaler, nationaler, regionaler und globaler Ebene verwirklicht werden. Natürlich geht es um ein Weltprojekt, das durch einen Prozess umgesetzt werden muss. Heute findet der fortgeschrittenere Teil dieser Suche auf lokaler und regionaler Ebene statt, so dass Bio-Regionalisierung als die wirklich lebensfähige Form der Verwirklichung der Nachhaltigkeit angesehen wird. Wir nehmen die Region als Referenz, nicht nach den willkürlichen Grenzziehungen, die immer noch bestehen, sondern diejenige, die von der Natur selbst geschaffen wurde, mit ihren Flüssen, Bergen, Dschungeln, Wäldern und allem, was ein regionales Ökosystem ausmacht. In diesem Rahmen kann eine authentische Nachhaltigkeit erreicht werden, einschließlich der natürlichen Güter, der Kultur und der lokalen Traditionen, der Persönlichkeiten, die diese Geschichte geprägt haben, die kleine Unternehmen und ökologische Landwirtschaft mit möglichst breiter Beteiligung in einem demokratischen Geist begünstigen. Auf diese Weise wird "gute Lebensführung und gutes Leben" (das ökologische Ideal der Anden) entstehen, ausreichend, anständig und nachhaltig mit der Verringerung der Ungleichheiten.

Diese Vision, die von der Erdcharta formuliert wurde, ist sowohl grandios als auch machbar. Was wir brauchen, ist mehr guten Willen, die einzige Tugend, die für Kant weder Mängel noch Grenzen sieht, denn wenn sie diese hätte, wäre sie nicht gut. Dieser gute Wille würde die Gemeinschaften motivieren und am Ende die ganze Menschheit dazu bringen, wirklich "einen Neuanfang" zu wagen.

(Fortsetzung folgt)

Leonardo Boff ist Ökologe, Theologe und Philosoph, der u.a. geschrieben hat "To Protect the Earth-Care for Life: How to Avoid the End of the World", Record, Rio, 2010.

Quelle:  Traductina , 06.08.2020.

Veröffentlicht am

15. August 2020

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