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Zwei Staaten - ein Staat - kein Staat

Wie der Westen eine Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts verhindert hat

Von Judith Bernstein

Nachdem sogar das Mantra von der Zwei-Staaten-Lösung durch die von Israel geschaffenen Fakten obsolet geworden ist, mehren sich die Stimmen, die für einen Staat plädieren. Auch wenn ich persönlich einen gemeinsamen demokratischen Staat favorisiere, maße ich mir nicht an, den Menschen vor Ort vorzuschreiben, wie sie zu leben haben. Auch frage ich mich, wie soll dieser Staat für Palästinenser und Israelis funktionieren?

Ein großer Teil der israelisch-jüdischen Bevölkerung nimmt die Palästinenser als Terroristen wahr, die nur auf die Gelegenheit warten, die Mehrheit zu bilden und damit für das Verschwinden der jüdischen Israelis zu sorgen. Und die Palästinenser? Werden sie gefragt, ob sie noch mit ihren Peinigern zusammenleben möchten nach all den Demütigungen und Schikanen, denen sie seit Jahren ausgesetzt sind? Nachdem sie von ihren Grundstücken vertrieben und ihre Häuser zerstört wurden, nachdem sie zu langen Gefängnisstrafen verurteilt und sogar willkürlich getötet wurden?

Man könnte zwar auf Südafrika als Beispiel verweisen, wo eine Versöhnung stattgefunden hat. Aber ein Nelson Mandela und ein Frederik de Klerk sind nicht in Sicht. Südafrika war ein Apartheidstaat, der von der sogenannten Weltgemeinschaft boykottiert wurde. Aber in Bezug auf Israel darf das Wort Apartheid bei uns nicht in den Mund genommen werden - geschweige das Wort Boykott.

Deshalb wende ich mich heute an unsere Politiker: Lassen Sie sich nicht einschüchtern - Sie sind bestimmt keine Antisemiten, wenn Sie sich für Menschenrechte einsetzen!

Wenn Sie es wirklich ernst meinen mit "den besonderen Beziehungen zu Israel": Warum haben Sie nicht eingegriffen, als Israel immer mehr der moralischen Korruption verfiel?

Hören Sie auf vom "jüdischen" Staat zu sprechen - nennen Sie Deutschland einen "christlichen" Staat? Und sind die Palästinenser, die in Israel leben und keine Juden sind, etwa keine Israelis? Und wieso wird nur vom Existenzrecht Israels gesprochen, nicht aber vom Existenzrecht der Palästinenser, die ständig in Angst leben?

Sprechen Sie nicht mehr von der "einzigen Demokratie im Nahen Osten", sondern nennen Sie die Sache beim Namen, denn Israel ist auf dem besten Wege, die Demokratie und den Rechtsstaat abzuschaffen (und zwar nicht nur für die Palästinenser, sondern auch für liberale und linke Israelis).

Lassen Sie sich nicht weiter von israelischen Mitarbeitern des Nachrichtendienstes und von Journalisten vorführen. Würde ein Deutscher in Israel es wagen, sich in israelischen Angelegenheiten einzumischen und gegen israelische Politiker zu hetzen?

Jahrelang haben Sie die Appelle von Israelis, die Sie aus Sorge um ihr Land um Unterstützung im Kampf um ihre Demokratie und Rechtsstaatlichkeit baten, ignoriert und sie im Stich gelassen.

Und warum lassen Sie keine Sympathien für die vielen jungen Israelis erkennen, die auf die Straßen gehen, um gegen Netanyahu zu demonstrieren? Mittlerweile vernimmt man auch Stimmen, die nicht nur Corona für ihre desolate Lage verantwortlich machen, sondern endlich auch die Besatzung.

Für die Politik Israels sind natürlich nicht Sie, sondern die israelischen Regierungen verantwortlich. Aber indem Sie zu den Schandtaten dieser Regierungen geschwiegen haben, haben Sie es zugelassen, dass sich Israel in eine ausweglose Situation hineinmanövriert hat.

Nur wenn Sie dafür sorgen, dass Israelis und Palästinenser ihre Geschichte aufarbeiten und die Menschen zwischen Mittelmeer und Jordan rechtlich gleichgestellt sind, könnte es zu einem Staat aller seiner Bürger kommen. Damit würden Sie die Zukunft beider Völker sichern.

Auch wenn ich keine Vergleiche zwischen der deutschen und israelischen Geschichte herstelle, so fühle ich mich heute wie manche Deutsche nach dem Zweiten Weltkrieg, als sie von den Taten ihrer Väter und Großväter erfuhren. Ich schäme mich als gebürtige Israelin für viele Israelis, aber auch für diejenigen Deutsche, die aus ihrer Geschichte nichts lernen wollen.

Quelle: www.jrbernstein.de -  02.08.2020.

Veröffentlicht am

09. August 2020

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