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Neues Energiegesetz setzt auf die alten Mittel - nur länger

Mit einer weiteren Gesetzesrevision will der Bundesrat die Energiewende fortsetzen. Doch seine Vorlage ist mager und umstritten.

Von Hanspeter Guggenbühl

Im ersten Teil dieser Energieserie zeigte Infosperber, wieweit Effizienzsteigerung und die Förderung von erneuerbarer Stromproduktion die neue Schweizer Energiestrategie beeinflussten. Im zweiten Teil analysierten wir, was Verhaltensänderungen bewirken könnten, und warum dieser dritte Pfeiler in der Energiepolitik fehlt. In diesem dritten und letzten Teil informieren wir darüber, wie der Bundesrat das Energiegesetz revidieren will, und auf welche Widerstände er damit stößt.

Das Schweizer Volk befürwortete im Mai 2017 die "Energiestrategie 2050", indem es einer umfangreichen Änderung des nationalen Energiegesetzes zustimmte. Die wichtigsten Neuerungen damals: Ein Verbot von neuen Atomkraftwerken im Inland, sowie zu "Richtwerten" verwässerte Ziele zur Senkung des gesamten Energie- und Stromkonsums sowie zum Ausbau der erneuerbaren Stromproduktion im Inland.

Weiter enthält das Gesetz seit 2017 eine Vielzahl von - zum Teil schon früher eingeführten - Mitteln, um die gesetzten Ziele zu erreichen. Dazu gehören Vorschriften, die den Energieverbrauch oder CO2-Ausstoß von neuen Fahrzeugen sowie weiteren Geräten und Anlagen begrenzen, eine CO2-Abgabe auf fossilen Brennstoffen sowie ein "Netzzuschlag" auf Strom. Der Ertrag dieser Förderabgaben wird ganz oder teilweise eingesetzt, um wärmetechnische Sanierungen von Gebäuden und die Produktion von Strom aus erneuerbarer Energie zu subventionieren.

Lenkungsabgaben angekündigt und abgelehnt

Mit diesem bunten Strauß an Geboten, Verboten, Fördermaßnahmen und Subventionen ließen sich die Ziele der neuen Strategie allerdings erst halbwegs erreichen, teilte die Regierung dem Parlament und den Abstimmenden damals mit. In einer zweiten Etappe ab 2021, so versprach der Bundesrat weiter, soll eine umfangreiche ökologische Steuerreform die bisherigen Vorschriften und Subventionen im Energiegesetz ergänzen und teilweise ersetzen.

Eine ökologische Steuerreform, basierend auf einer Lenkungsabgabe auf allen Energieträgern, hatte die frühere Finanzministerin Evelyn Widmer-Schlumpf schon Im Jahr 2011 vorgeschlagen. Doch im Bundesrat stieß sie mit ihrem Vorschlag auf Widerstand: "Ich bin skeptisch gegenüber Lenkungsabgaben", sagte die damalige Energieministerin Doris Leuthard vor den Medien. Worauf die Landesregierung in der ersten Umsetzungsetappe der Energiestrategie darauf verzichtete. Erst in der zweiten Etappe, so vertröstete sie, soll das bestehende Förder- durch ein marktkonfomes Lenkungssystem ersetzt werden.

Doch in der jetzigen Revisionsvorlage fehlt das angekündigte Lenkungssystem erneut. Grund: Der Bundesrat präsentierte dem Parlament 2016 - eher halbherzig - ein Vorlage, die bezweckte, einen neuen, unverbindlich formulierten Verfassungsartikel für ein "Klima- und Energielenkungssystem" zu schaffen. Doch eine unheilige Links-Rechts-Allianz des Parlamentes begrub diese Vorlage 2017 vorzeitig, indem sie sich weigerte, nur schon darauf einzutreten (die Hintergründe dieses Entscheids analysierte Infosperber am 7.März 2017 unter dem Titel "Warum auch die Linke die Lenkungsabgabe ablehnte" ).

Regierung will verpönte Subventionen verlängern

Aus diesem Grund verzichtet der Bundesrat jetzt auch in der zweiten Umsetzungsetappe auf das angekündigte Lenkungssystem. Stattdessen beantragt er in seiner Vernehmlassungsvorlage vom 3. April 2020, die bisherigen Instrumente zur Förderung von erneuerbarer Stromproduktion bis 2035 zu verlängern und leicht zu verändern. Außerdem schlägt er vor, die in Artikel 3 festgelegten "Richtwerte", welche die 2035 und 2050 anzustrebende Menge an erneuerbarer Stromproduktion quantifizieren, in "Ziele" umzuformulieren. Das Gleiche beantragte der Bundesrat schon bei der ersten Revision des Energiegesetzes, doch das Parlament ersetzte damals das Wort "Ziele" durch das weniger verbindliche Wort "Richtwerte".

Mit der jetzt vorgeschlagenen Gesetzesrevision beschränkt sich die Landesregierung weitgehend auf die Förderung der erneuerbaren Stromproduktion. Damit verzichtet sie auf neue, griffigere Bestimmungen zur Steigerung der Energieeffizienz ebenso wie auf Instrumente, welche die Bevölkerung und Wirtschaft zu energiesparendem Verhalten anreizen könnten. Der neue Entwurf zur Gesetzesrevision ist damit nicht nur mager, sondern auch umstritten. Das zeigen, stellvertretend für andere, die gegensätzlichen Stellungnahmen des Wirtschaftsverbandes Economiesuisse und der Umweltorganisation WWF.

Economiesuisse: Subventionen stoppen

"Economiesuisse spricht sich klar gegen eine Verlängerung der Fördermaßnahmen bis 2035 aus und lehnt somit eine Verlängerung der Erhebung des Nutzzuschlags von 2,3 Rappen/kWh ab", schreibt der Dachverband der Wirtschaft in seiner Vernehmlassung vom 10. Juli. Und auch die zweite wesentliche Neuerung, die Umformulierung der "Richtwerte" in verbindliche Produktionsziele bis zu den Jahren 2035 und 2050 bekämpft Economiesuisse und begründet: Mit der "Verbindlichkeit" bestehe die Gefahr, dass der ohnehin verpönte "Netzzuschlag" weiter verlängert oder gar erhöht werde, und dass "dadurch enorme Mehrkosten" für die Wirtschaft entstünden.

Wichtiger, als die erneuerbare Stromproduktion generell auszubauen, sei es, die Versorgungssicherheit im Winterhalbjahr zu gewährleisten, schreibt der Wirtschaftsverband weiter. Falls der von ihm bekämpfte "Netzzuschlag" trotzdem weitergeführt werde, so müsse dieser gezielt für die Erhöhung der Stromproduktion im Winter eingesetzt und auf nicht erneuerbare Stromproduktion wie etwa Gaskraftwerke erweitert werden, denn: "Ein allfälliger Bau von einem oder mehreren Gaskraftwerken darf nicht von vorneherein ausgeschlossen werden."

WWF: Alles und von allem mehr

Die Umweltorganisation WWF hingegen beurteilt die Revision als ungenügend: Einerseits kritisiert der WWF in seiner Stellungnahme, dass der Bundesrat in seiner Vorlage "keinerlei Änderungen im Bereich Effizienz und Suffizienz" vorsieht. Denn es gelte, "den gegenwärtigen fossil-atomar gedeckten Energiebedarf nicht einfach durch erneuerbare Energie zu ersetzen, sondern zu senken". Dazu brauche es neben strengeren Zielen und Maßnahmen zur Effizienzsteigerung auch "eine verstärkte Unterstützung von Maßnahmen zur Förderung der Suffizienz".

Andererseits müsse die erneuerbare Stromproduktion durch Solar-, Windkraft und Biomasse im Inland viel stärker erhöht werden, als es der Bundesrat anpeilt. Konkret verlangt der WWF folgende Neuformulierung von Artikel 2 des Energiegesetzes: "Bei der Produktion von Elektrizität aus erneuerbaren Energien, ausgenommen aus Wasserkraft, ist ein Ausbau anzustreben, mit dem die durchschnittliche inländische Produktion im Jahr 2035 bei 35 bis 45 TWh liegt." Das entsprechende Produktionsziel in der bundesrätlichen Revisionsvorlage hingegen beträgt fürs Jahr 2035 unverändert 11,4 TWh, fürs Jahr 2050 neu 24,2 TWh. Zum Vergleich: Der gesamte Stromverbrauch im Jahr 2019 in der Schweiz betrug 61,5 TWh respektive 61,5 Milliarden kWh (Kilowattstunden).

Stromverband VSE: "Pragmatisch" opportunistisch

Die Stellungnahmen von Economiesuisse und WWF markieren, wie weit die Positionen zur künftigen Schweizer Energiepolitik auseinander klaffen. Dazwischen gibt es Verbände und Parteien, die den Revisionsentwurf mit vielen Wenn und Aber unterstützen. Dazu gehört etwa der Verband Schweizerischer Elektrizitätswerke (VSE). "Grundsätzlich" bevorzuge er zwar "nach wie vor ein Lenkungssystem", behauptet der VSE (der wie die Economiesuisse und die bürgerlichen Parteien griffige Lenkungsmaßnahmen in konkreten Abstimmungen stets bekämpfte) und fährt fort: "Aus realpolitischen Gründen erachtet der VSE die Weiterführung von Fördermaßnahmen indes als pragmatischen Weg und begrüßt, dass der Bundesrat diesen beschreiten will."

Das Wort "pragmatisch" könnte der VSE allerdings auch durch das Wort "opportunistisch" ersetzen. Denn die Mitglieder des Strom-Dachverbandes profitieren von der umfangreichen Förderung und Subventionierung der Stromproduktion, die der Bundesrat mit seinem Revisionsentwurf fortsetzen will. Auch im zweiten strittigen Punkt unterscheidet sich der Dachverband der Stromwirtschaft von der Position der Economiesuisse: Er befürwortet die Formulierung "Ziele" statt Richtwerte, vertritt aber ebenfalls die Ansicht, die Ziele und Fördermaßnahmen müssten sich vermehrt auf zusätzliche Stromproduktion im Winterhalbjahr ausrichten, um die Abhängigkeit von Stromimporten in der kalten Jahreszeit zu begrenzen.

Revision stößt auf vielfältigen Widerstand

Die Stellungnahmen zeigen: Die Revision des Energiegesetzes und damit die weitere Umsetzung der Schweizer Energiestrategie stößt trotz Volks-Ja von 2017 auf großen Widerstand. Ungewiss bleibt damit auch, ob sich die energie- und klimapolitischen Ziele "100 Prozent erneuerbare Stromproduktion" und "Netto Null CO2" bis 2050 erreichen lassen - oder bloß schöne "Richtwerte" bleiben.


Quelle: Infosperber.ch - 28.07.2020.

Veröffentlicht am

04. August 2020

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