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Gezielter Enthauptungsschlag

Staatsterror: Das Attentat auf General Soleimani ist für das Verhältnis Iran - USA so schwerwiegend wie die Kündigung des Atomabkommens durch Präsident Trump im Mai 2018

Von Lutz Herden

Wenn sich Donald Trump zu einer Kriegserklärung an den Iran versteigen wollte, dann ist ihm das mit dem Attentat auf General Qasem Soleimani perfekt gelungen. Die gezielte Tötung trifft nicht irgendeinen militärischen Führer des Iran. Sie gilt einer Schlüsselfigur der Islamischen Republik und der Islamischen Revolutionsgarden wie der Al-Quds-Brigaden. Dies provoziert und demütigt die iranische Führung in einem für sie unerträglichen Maße.

Wenn Revolutionsführer Ali Chamenei Rache schwört, ist das alles andere als Rhetorik, sondern wird Konsequenzen haben. Sollte sich Präsident Trump darüber nicht im Klaren gewesen sein - wenigstens seine Militärs mussten wissen, was sie taten und heraufbeschworen. Davon wird sich das Verhältnis zwischen Washington und Teheran auf Jahre nicht erholen. Hier ist - vorsätzlich oder nicht - irreversibler Schaden angerichtet worden.

Man kann nur hoffen, sich zu täuschen, doch deutet vieles darauf hin, dass diese sinistre Operation schwerer wiegen könnte als die Kündigung des Atomabkommens durch die Trump-Administration im Mai 2018. Und die war immerhin mit ökonomischen Repressionen verbunden, deren Härte und Folgen bisher übertroffen haben, was es vor Abschluss des Nuklearvertrages im Juli 2015 an Sanktionen der USA, der EU und der Vereinten Nationen gab.

Strategischer Kopf

Im vergangenen Jahrzehnt, in dem der Iran seine regionalen Interessen im syrischen Bürgerkrieg, im Libanon als Alliierter der Hisbollah, im Irak gegen den IS und im Jemen durch ermutigenden Beistand für die Huthi-Rebellen geltend machte, galt Soleimani als der strategische Kopf. Er hat die als notwendig empfundenen Operationen koordiniert, er konnte die Kräfte mobilisieren, die nicht vorzugsweise aus der Armee kamen, sondern aus den Revolutionsgarden rekrutiert wurden.

War er - wie vielfach behauptet - Revolutionsführer und Staatsoberhaupt Chamenei direkt unterstellt, dann kommt seine Ermordung einem Enthauptungsschlag gleich, der nur durch vergleichbare Aktionen gegen Chamenei selbst oder Präsident Hassan Rohani übertroffen wäre. Wenn die Islamische Republik bislang die namenlosen Märtyrer verehrt hat, die als Opfer der regionalen Konflikte zu beklagen sind, in denen sie sich exponiert - so hat ihr die Trump-Regierung nun einen namhaften Märtyrer geschenkt, wie es ihn so noch nicht gab.

Insofern hat es in der Geschichte der US-Nahostpräsenz selten eine derart ignorante, maßlose und - man muss es so deutlich sagen - dumme und kurzsichtige Handlungsweise gegeben wie diesen Anschlag. Nun wird auch klar, weshalb Außenminister Pompeo eine anstehende Reise in die Ukraine verschoben hat und in Washington bleiben wollte. Diese Art von Staatsterrorismus trägt auch seine Handschrift. Wenn das Pentagon verbreitet, Ziel der Attacke sei es gewesen, dem Iran eine Lektion zu erteilen und ihn abzuschrecken, dann ist das Demagogie und Selbsttäuschung zugleich - das Gegenteil wird der Fall sein.

Drittklassiger Vasall

Bei diesem Anschlag gleich mit erledigt wurden Würde und Souveränität des Irak. Zu dem Raketenangriff auf die Fahrzeugkolonne mit General Soleimani kam es schließlich nicht irgendwo, sondern auf dem Flughafen von Bagdad. Gemeinhin gelten Airports als Hochsicherheitszonen, in denen ein Staat seine Autorität zu beweisen vermag - oder versagt. Dem Irak jedenfalls ist in der Nacht vom 2. zum 3. Januar 2020 bedeutet worden, dass sich die USA weiterhin wie eine Besatzungsmacht fühlen und aufführen. Als hätte es den Truppenabzug von 2011 nicht gegeben, als seien die Verträge über den Status der derzeit im Irak stationierten gut 5.000 US-Soldaten weder verbindlich noch überhaupt etwas wert.

Damit wird der ohnehin nur noch geschäftsführende Premierminister Adel Abdel Mahdi nicht nur wie ein drittklassiger Vasall behandelt, sondern in einem Moment düpiert und verhöhnt, da wütende Demonstrationen gegen ein korruptes und unfähiges Regierungssystem seit Wochen nicht abreißen. Es ist nun erst recht mit einem schiitische Aufruhr, wenn nicht Aufstand zu rechnen. Die Regierung in Bagdad wird das nicht aufhalten können, womöglich um ihrer selbst willen auch nicht wollen. Sicher ist nur, dass die schiitischen Sympathisanten des Iran im Irak nun erst recht in den USA ihren Todfeind sehen werden.

Das Mindeste, was man von der deutschen Regierung erwarten sollte, wäre die Verurteilung des US-Staatsterrorismus ohne Wenn und Aber. Mit wem will die Bundesrepublik eigentlich verbündet sein, wenn Kanzlerin Merkel nicht müde wird, die transatlantische Partnerschaft zu hofieren?

Quelle: der FREITAG vom 03.01.2019. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Verlags.

Veröffentlicht am

03. Januar 2020

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