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Dienstpflicht: Kramp-Karrenbauer liegt falsch

Den fehlenden sozialen Zusammenhalt in der Gesellschaft können die Jugendlichen nicht "wegarbeiten"

Von Ulrike Baureithel

Wir brauchen mehr Zusammenhalt, sagt Unions-Chefin und Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer. Mit den Bürgerrechten kämen auch Bürgerpflichten, sekundiert Gesundheitsminister Jens Spahn. Deshalb hat AKK die auf ihrer "Zuhörtour" ausgesponnene Idee einer allgemeinen Dienstpflicht wieder aufs Tapet gezaubert. Junge Menschen sollen ein Jahr lang der Gemeinschaft zurückgeben, was sie durch Erziehung und Ausbildung empfangen haben.

Die Idee ist uralt und wurde in den vergangenen 30 Jahren, unterschiedlich orchestriert, mit schöner Regelmäßigkeit revitalisiert, um dann wieder abgeräumt zu werden. Zu hoch die rechtlichen Hürden - das Grundgesetz müsste mit Zweidrittelmehrheit geändert werden, und europarechtlich sind Zwangsdienste ohnehin verboten -, zu aufwendig die Bereitstellung von geschätzt 650.000 Dienstplätzen pro Jahrgang, inklusive Unterbringung und Unterhalt der Verpflichteten.

Sozialverbände wie Caritas und Diakonie, die am ehesten ein Interesse an einer solchen Dienstpflicht haben könnten, um personelle Engpässe in ihren Einrichtungen zu mildern, winken dankend ab. Sie plädieren dafür, stattdessen die existierenden Freiwilligendienste für die jährlich 40.000 Interessent*innen besser auszustatten und attraktiver zu machen. Die FDP ist ohnehin dagegen, weil sie fürchtet, die jungen Leute könnten der Wirtschaft verloren gehen, die SPD beharrt auf Freiwilligkeit. So gesehen bleibt es eine Phantomdiskussion.

Aber es stimmt doch, der Gesellschaft mangelt es an Zusammenhalt. Die sozialen Fliehkräfte sind so spürbar wie die Klimaveränderungen, denen ja ebenfalls begegnet werden muss. Aber wie für die Klimakrise gibt es auch für den Schwund an Werten und Gemeinschaftsgeist Gründe, die die Jugendlichen nicht einfach "wegarbeiten" können. Politiker, die sich so wortreich für eine Dienstpflicht starkmachen, die sie nicht mehr betrifft, sollten sich fragen, was sie selbst dazu beigetragen haben, den sozialen Zusammenhalt zu schwächen. Schwer vorstellbar, dass ein täglicher Fahnenappell und das Absingen der Nationalhymne, wie künftig in Frankreich im Rahmen des zweiwöchigen freiwilligen Service National Universel üblich, dies rückgängig machen können.

Quelle: der FREITAG vom 10.12.2019. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Verlags.

Veröffentlicht am

13. Dezember 2019

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