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Wer war Badshah Khan?

Khan Abdul Ghaffar Khan - oft auch der "Grenzprovinz-Gandhi" genannt - ist im Westen bisher leider wenig bekannt geworden. Aber eine mutige pakistanische Teenagerin hat letzte Woche in den UN seinen Namen ans Licht gebracht.

Von Michael Nagler

Wenn Sie in der letzten Woche Malala Yousafzais viel besprochene und inspirierende Rede vor den Vereinten Nationen verfolgt haben, haben sie gehört, wie sich die mutige Teenagerin auf Badshah Kahn als große Inspiration für ihr entschlossenes Engagement für Gewaltfreiheit bezogen hat. Sie war von Taliban angeschossen worden, weil sie sich für Mädchenbildung eingesetzt hatte. Vielleicht haben Sie sich ja gefragt: "Badshah Khan - wer war denn das?" Schließlich ist sein Name nicht bekannt, wie es die Namen Gandhi und Mutter Theresa sind - die Namen der beiden Berühmtheiten, die Yousafzai auch zitierte.

Khan Abdul Ghaffar Khan, der später Badshah, König, genannt wurde, wurde 1890 in der heutigen Stadt, dem damaligen Dorf Utmanzai, nicht weit von Peshawar entfernt, geboren. Das Dorf lag in der damaligen Nordwestgrenzprovinz Indiens. Sein Vater war der Khan des Dorfes, der Dorfälteste. Er genoss weithin Hochachtung wegen seiner Ehrlichkeit und - vielleicht etwas widerwillig zugestanden - wegen seiner, gegenüber der Auslegung des Islam durch die Mullahs seiner Tage eigenständigen Interpretation. Außerdem zeigte er für den Kodex badal, Rache, kein Verständnis, für dieses hervorragende Merkmal des Kodex der Paschtunen.

Ghaffar Khans frühe Jahre verliefen ähnlich wie die Gandhis: Er engagierte sich leidenschaftlich für den Aufschwung seines Volkes, empfand eine tiefe spirituelle Bindung und akzeptierte anfangs die britische Herrschaft als selbstverständlich. Ghaffar Khan kam jedoch zu einer anderen Erkenntnis, als er miterleben musste, wie ein Freund durch eine Beleidigung zutiefst verletzt wurde. Beleidigung und Verletzung sind nun einmal die unvermeidlichen Begleiterscheinungen von Gewaltherrschaft. Unvermeidlich brachte ihm seine Arbeit in Dörfern - vor allem errichtete er Schulen - Zusammenstöße mit den Mullahs und aus ähnlichen Gründen auch mit den britischen Behörden ein: Gebildete kann man schwerer unterdrücken. Er erkannte, dass seine Arbeit auf dem Gebiet der Bildung wie Gandhis konstruktives Programm "nicht nur Dienst an den Menschen, sondern vielmehr Rebellion" war. Das muss Malala Yousafzai gewaltig eingeleuchtet haben.

Kurz nachdem Badshah Khan 1919 Gandhi persönlich begegnet war, gründete er - um es kurz zu machen - die Khudai Khidmatgaran, "Diener Gottes", um mit ihnen seine revolutionäre Arbeit auszubauen. Ihre Ergebenheit ihm und der Gewaltfreiheit gegenüber verblüffte die Briten und sie reagierten auf die einzige Weise, die sie damals kannten, nämlich mit brutaler Unterdrückung. Aber Kahn ließ sich nicht so leicht unterdrücken. Nachdem die Briten 1930 in Peshawar ein furchtbares Massaker angerichtet hatten, mussten sie mit ansehen, wie die Reihen der Diener Gottes von einigen Hundert auf 80.000 zunahmen. Das muss allen, die mit der Dynamik der Gewaltfreiheit nicht vertraut sind, vollkommen unwahrscheinlich vorkommen.

Auf die Diener Gottes wurde geschossen, sie wurden gefoltert und gedemütigt und ihr verehrter Führer, der - seinem Widerspruch zum Trotz - "Grenzprovinz-Gandhi" genannt wurde, wurde ins Gefängnis gesperrt, aber das alles erst, nachdem die Diener Gottes und ihr Führer für die Befreiung ihres Landes eine hervorragende Rolle gespielt und Gandhi dabei unterstützt hatten, der Welt einen "augenfälligen Beweis" für die Macht der Gewaltfreiheit zu liefern.

Khans unglaubliche Lebensgeschichte ist eine der großen, noch nicht erzählten Geschichten unserer Zeit.Rajmohan Gandhi hat eine historisch bezogene Biografie geschrieben (deutsch: Ghaffar Khan. Gewaltfreier Badshah der Paschtunen ., während Easwaran sein Buch mit von ihm erdachten Szenen ausgeschmückt hat. Außerdem hat Ghaffar Kahn auch selbst aus seinem Leben erzählt (deutsch: Mein Leben. Autobiografie des Abdul Ghaffar Khan. Wie ein Weggefährte Gandhis die Gewaltfreiheit im Islam begründet .. Sein "augenfälliger Beweis" ging über Gandhis hinaus, indem er fünf Märchen, die allgemein selbst heute noch über Gewaltfreiheit in Umlauf sind, widerlegte:

  • Zur Gewaltfreiheit nehmen nur Schwache ihre Zuflucht: In hundert Jahren gelang es den Briten nicht, die paschtunischen Stämme vollständig zu unterwerfen. Als Kahn Gandhi einmal fragte, warum die Paschtunen auf Kurs blieben, während viele Hindus die Nerven verloren und wieder Gewalt anwendeten, sagte der Mahatma: "Wir Hindus waren immer gewaltfrei, aber wir waren nicht immer tapfer."
  • Gewaltfreiheit funktioniert nur gegenüber einem "höflichen" Gegner: Die Briten waren über die Paschtunen entsetzt; sie betrachteten sie als "Gewaltmenschen, die von Gewaltmenschen brutal regiert werden müssen." In der Nordwestgrenzprovinz zeigte das Empire - ebenso wie in Kenia - sein wahres Gesicht.
  • Gewaltfreiheit kann es im Krieg nicht geben: 80.000 uniformierte, trainierte und unbezähmbare Pschtunen bildeten die erste "Friedensarmee".
  • Gawaltfreiheit hat im Islam keinen PlatzVor Kurzem erschienen (ohne Ort und Jahr): Muhammad Sameer Murtaza, Gewaltlosigkeit im Islam. Denker, Aktivisten und Bewegungen islamischer Gewaltfreiheit. : Malala, die in Khans Fußstapfen tritt, bezieht sich ausdrücklich auf die Friedens- und Gewaltfreiheitstradition, die es im Islam wie in allen anderen Weltreligionen auch gibt.
  • Gewaltfreiheit bedeutet Protest und Nichtzusammenarbeit: Auch die gehören dazu, aber aufgrund von Gandhis konstruktivem Programm wird Gewaltfreiheit oft anziehender durch Eigenständigkeit, konstruktive Arbeit und "Zusammenarbeit mit dem Guten", soweit das möglich ist.

Außer Eknath Easwarans großartiger Biographie Nonviolent Soldier of Islam und einigen wenigen weiteren Quellen ( darunter eine Dokumentation ) ist das allgemein zugängliche Material über Khan knapp und er bleibt im Westen fast unbekannt. Die junge Malala Yousafzais hat der Welt wohl einen größeren Dienst erwiesen, als ihr selbst klar war, als sie diesen Namen vor der erhabenen Körperschaft der Generalversammlung der UN geehrt hat.

Michael Nagler ist emeritierter Professor der klassischen und vergleichenden Literatur der University of California, Berkeley. Dort hat er das Friedens- und Konfliktforschungs-Programm mitbegründet. Außerdem ist er Gründer des Metta Center for Nonviolence und Autor des preisgekrönten Buches Search for a Nonviolent Future.

Aus dem Englischen von Ingrid von Heiseler

Quelle: Waging Nonviolence . Originalartikel: Who was Badhah Khan? Eine Vervielfältigung oder Verwendung des Textes in anderen elektronischen oder gedruckten Publikationen ist unter Berücksichtigung der Regeln von Creative Commons Attribution 4.0 International (CC BY 4.0) möglich.

Fußnoten

Veröffentlicht am

13. November 2019

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