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Greta Thunberg - Protestikone und Medien-Objekt

Anmerkungen zu einem menschlichen Phänomen

Von Elmar Klink

Am 28.08.2019 ist die 16-jährige schwedische Schülerin und Klimaaktivistin, Greta Thunberg, in New York an Bord der "Malizia II" an den Kais der North Cove Marina, dem mondänen Yachthafen Manhattans am Hudson River eingetroffen. Schwere See ungefähr 300 Seemeilen (etwa 560 km) südlich von Nova Scotia (Neuschottland) mit Wellenbrechern über Bug und Deck eines Sturmtiefs bei Neufundland verhinderte zuletzt ein schnelleres Vorankommen als man ursprünglich angenommen hatte. Zeitweise erreichte man davor in ruhigerer See aber bei steifer Brise im Golfstrom bis zu 30 nautische Knoten. (knapp 60 km/h). Dem Sturmtief fuhr das schnelle Segelschiff davon.

Am 16. August waren die monegassische Rennyacht mit Crew und Passagieren vom südenglischen Plymouth aus in See gestochen. Die Distanz beträgt in Luftlinie etwa 5.100 Kilometer. Aber aufgrund von Wind- und Strömungsverhältnissen wurde der Reiseweg noch länger, weil man in einem bestimmten Segelkorridor eine Art wellenförmigen Kurs fahren musste. Die Besatzung und Passagiere sind: Greta Thunberg (ohne jede Segelerfahrung), ihr Vater Svante, der Filmemacher Nathan Grossman, der im Auftrag der Firma B-Reel Films die Reise dokumentieren soll und die beiden erfahrenen Skipper, der Deutsche Boris Herrmann und sein Co., der Prinz von Monaco, Pierre Casiraghi, ein Enkel von Fürst Rainer und seiner Frau, der Fürstin Gracia Patricia, der einstigen Filmschauspielerin Grace Kelly. Das Unternehmen steht der Prinz Albert II von Monaco-Stiftung nahe, einer Non-Profit-Organisation, die Umweltinitiativen und Arbeiten zum Klimaschutz unterstützt.

Thunberg, die es grundsätzlich ablehnt, zu fliegen oder mit Oceanlinern zu fahren, wollte demonstrativ "emissionsfrei" nach Amerika gelangen. Die superteure, 18 Meter lange und knapp 6 Meter breite Yacht der IMOCA-Klasse (fast 5 Meter Tiefgang) unter deutscher Flagge und im Besitz des Stuttgarter Immobilienunternehmers Gerhard Senft, ist ein ausgesprochenes High-Tech-Produkt: modernste Satelliten-Navigation, Sonnenpaneele, Unterwasserturbinen und ein Propeller am Heck, woraus Strom erzeugt wird, mit dem auch die Trinkwasseraufbereitung aus Meerwasser betrieben wird. Der "Komfort" an Bord ist denkbar gewichtsreduziert und spartanisch. Es gibt keine bequeme Ausstattung mit Kabine und Betten, nur zwei behelfsmäßige Rohrkojen, keine Dusche, Pantry (Bordküche) oder WC. Die Exkretion (Ausscheidung) verrichtet man in einen einfachen Plastikeimer (sog. Pütz), an dem ein Tau befestigt ist. Ein schneller Gaskocher sorgt für heißes Wasser, um darin gefriergetrocknetes veganes Essen aus Beuteln (Astronautennahrung) aufzukochen. Dazu stand weitere Kleinverpflegung, Snacks, Riegel, Nüsse, Obst usw. zur Verfügung. Um Außenaufnahmen vom Schiff und Erkundungsflüge zu machen, führte man eine ferngesteuerte Drohne an Bord mit.

Das Magazin "Stern" als Sponsor begleitete mit einer Berichterstattung und Bildreportage die Reise. Und berichtete in einem Live-Ticker im Internet über die zurückgelegten Stationen des Törns in den Gefilden des rauen Nordatlantiks. Das alles sind natürlich in der Bilanz daran beteiligter Bedingungen und Faktoren nicht gerade klimaneutrale Bedingungen und Faktoren, die das Unternehmen erst ermöglichten. Den 2015 erfolgten aufwendigen Umbau des Seglers inbegriffen ("La Malizia" heißt "der Listige"). Und die Tatsache, dass nach Ankunft am Ziel eine vierköpfige Crew das Schiff zurückfahren und dazu nach New York fliegen wird, macht die CO2-reduzierte Bilanz auch nicht besser. Das veranlasste den Journalisten Jan Fleischhauer zu abermaliger scharfer Kritik an der "Thunberg-Show" mit unredlichen Mitteln beim Maischberger-TV-Talk vom 21. August. Bis auf den Show-Vorwurf wird man dem inhaltlich wie sachlich kaum widersprechen können.

Thunberg brach auf diese ungewöhnliche Reise nach Amerika auf, um an der nächsten UNO-Klimakonferenz (UN Climate Action Summit) der Staats- und Regierungschefs am 23. September in New York teilzunehmen. Zuvor findet am 21. September ein UN-Jugend-Klimagipfel statt. Am 20. und 27. September will sie bei Klima-Demonstrationen in New York auftreten und sprechen. Zugleich unternimmt sie den Segeltörn aber auch, um zu demonstrieren, dass ein "anderes" Reisen möglich ist, das, sagen wir es mal so, mit einem teils minimierten, die Umwelt weniger belastenden Aufwand auskommt, aber viel mehr Zeit in Anspruch nimmt. Denn ein klimaneutrales Reisen gibt es nicht! Sie hätte auch eine Videobotschaft live von zuhause an die UNO-Konferenz senden können. Doch Thunberg findet, dass man damit "leider nicht so viel Aufmerksamkeit erregt". Zudem möchte sie in den USA, dem Land neben China und Indien mit einem der höchsten CO2-Ausstößen der Welt, weitere Menschen, Politiker*innen und Entscheidungsträger treffen und kennenlernen, die sie in ihrem Anliegen "Skolstrejk för Klimatet" unterstützen wollen und sollen.

Denn so hatte es für sie begonnen vor fast auf den Tag genau einem Jahr, als sie sich an einem Freitag mit einem Plakat dieser Aufschrift auf die Stufen zum schwedischen Reichstag hockte wie ein trotziges Aschenputtel. Nicht ahnend freilich, was sie damit bald an Resonanz in Gang setzen würde, vor allem unter Schülerinnen und Schülern wie sie. Es war zugleich die Geburtsstunde für die sich daraus rasch bildende und größer werdende Bewegung "Fridays for Future", die längst zum Selbstläufer geworden ist und in Deutschland und Europa schon viele Anhänger*innen hat, der sich auch immer mehr Wissenschaftler anschließen. "Unite Behind The Science" lautet denn auch die Hashtag-Parole von "Fridays for Future".

Dazu schwänzte Greta Thunberg die Schule, viele Schüler und Schülerinnen machten es ihr nach. Viele junge erwachsene Menschen kamen hinzu und machten im Zeitalter von Instagram, Twitter, facebook und smartphone "Schulfrei fürs Klima" zu einem weit verbreiteten Motto in ganz Europa und darüber hinaus. Wenn sich Zustimmungen zu Parteien auch so rasant entwickeln und verstärken würden, hätten wir vielleicht bald eine andere Welt. Aber Thunberg und Frei-Tage für den Klimaschutz stellen kein Weltparlament dar, das gibt nur die UNO-Versammlung ab und die hat kein exekutives Mandat. Umsetzungen von UN-Beschlüssen liegen wiederum allein in der Hoheit der einzelnen Mitgliedsländer.

Und wie da zum Teil verfahren wird, erleben wir ja gerade am Beispiel der Flächenbrände im gewaltigen Amazonasbecken, wo täglich Zehntausende Quadratmeter Wald verbrennen. Nachweislich ausgelöst und gestiftet durch menschliches Dazutun, entweder unbeabsichtigt oder gezielt. Der rechtsextreme Präsident Brasiliens, Bolsonaro, beschuldigt irrwitzig jedoch die Natur- und Klimaschützer, die Brände gelegt zu haben, um sich künstlich ein Thema zu verschaffen, seine Regierung anzugreifen und ihr vorzuwerfen, sie unternähme nichts wirklich Wirksames gegen den Raubbau am tropischen Urwald, der grünen Lunge des blauen Planeten Erde. Man meint, man höre Donald Trumps Tenor aus Bolsonaros Worten klingen, für den die Klimakatastrophe ein erfundener Fake ist. Die bedrohte grüne Lunge wird jetzt stattdessen weiter rauchverpestet, was wie die Zerstörung eines wuchernden Krebses das Sterben des Urwalds weiter befördern wird.

Nicht viel anders ergeht es derzeit dem anderen riesigen Lungen-Waldgebiet im zentralafrikanischen Kongobecken, das in rasanter Weise durch Abholzung und Brandrodung weiter dezimiert und vernichtet wird. Dazu kommt der Welthandel mit wertvollen tropischen Hölzern, der beschleunigend dahinter steht. Für arme Tropenländer eine Möglichkeit, die Handelsbilanz nach Außen aufzubessern und Devisen zu erzielen. Hier greift und wirkt das tödliche, suizidale Gewinnmaximierungsprinzip. Denn diese Länder besorgen das Geschäft der Ausbeutung und Zerstörung der für das Klima so wichtigen Tropenzonen selbst.

All diese Fakten und Zusammenhänge dürften natürlich Thunberg, die viel liest und sich informiert, und ihren vielen Helfer*innen nicht unbekannt sein. Die sich nicht mehr in Parteien organisieren und zusammenschließen, sondern als außerparlamentarische Foren multipel und schwer zu fassen präsentieren. Zu schwerfällig und störanfällig und von Konzerninteressen und Lobbyisten abhängig, sind die Supertanker Parteien geworden, als dass diese aktivierte Jugend dort noch einen Platz suchen und finden könnte, sich einzubringen. Man merkt dies am Niedergang der Volksparteien auch mangels Nachwuchs. Wenn für den Klimaprotest die Schule geschwänzt wird, ist das natürlich als Rechtsverstoß viel mehr ein anstößiges Politikum und erhitzt die ordnungsliebenden Gemüter, auch wenn Frau Merkel medienwirksam viel Verständnis für das protestierende Jungvolk geäußert hat. Nur, es tut sich nicht wirklich etwas in Richtung spür- und sichtbarer Veränderung. Kann es auch kaum. Denn wie bei einem chronisch Kranken - und die Erde ist inzwischen chronisch schwer bis todkrank - zeigt sich erst nach einer geraumen Weile eines schleichenden Prozesses das Ergebnis der Fehlsteuerung eines Organs oder einer Körperfunktion. Der Körper sendet zwar vorher Alarmzeichen aus - erhöhter Blutdruck, beschleunigter Puls, Herzrhythmusstörungen, Atemnöte, Erschöpfung, Müdigkeit usw. - aber diese werden oft lange ignoriert oder übersehen, ob nun gewollt oder unbeabsichtigt, solange das Ganze noch irgendwie weiterläuft. Man hat das und jenes Wichtige noch zu erledigen. Doch irgendwann ist ein Ende erreicht und es kann wegen eines relativ geringen Anlasses oder Einflusses ein Kollaps erfolgen. Dann kommt der Patient auf die Intensivstation. Dort liegt derzeit auch unsere Erde 10 Minuten nach Zwölf Uhr nachts, und die Spezialisten sind relativ ratlos, was die eigentliche Ursache des Versagens von Lebensfunktionen des Organismus Erde ist. Und man beginnt damit, an den einzelnen Symptomen herumzudoktern, statt das Ganze und Zusammenhängende in den Blick zu nehmen. So ist wohl der derzeit vorherrschende Zustand der Welt zu kennzeichnen, nicht nur, aber vor allem was das Klima betrifft.

Klima ist nicht dasselbe wie Wetterlage, schönes oder schlechtes Wetter, es ist sozusagen die Summe der Interdependenzen aller Wetter einer Region, liege sie nun in den Alpen, den Wüsten, auf kontinentalen Landflächen, den Ozeanen oder in arktischen Gegenden. Das Wetter und damit in summa das Klima wird erst seit etwa 1850 systematisch aufgezeichnet und ausgewertet, man nennt den Zeitpunkt auch das Ende der vorindustriellen Zeit. Seither überziehen Emissionen und Erosionen zunehmend in einer Intensität den Globus, dass sich mittlerweile exponentielle Effekte ergeben. Die Erderwärmung schreitet rasant voran. In den letzten etwa 10 bis 15 Jahren wurden die höchsten Temperaturen aller bisherigen Sommer weltweit gemessen. Etwas steigt nicht mehr kontinuierlich an, sondern schnellt von den Werten her alarmierend in die Höhe, wird "chaotisch", "Klimaflimmern" stellt sich ein. Das Pendant dazu ist das exponentielle Wachstum der Weltwirtschaft, die in ihren zentralen Mechanismen nur wachsen kann, um effektiv zu sein (sonst stürzt sie wie ein zu langsamer Flieger ab) und sich dabei zu Tode wächst. Exitus, und zwar global. Der Schmetterlingsschlag in China verändert das Klima in Südamerika. Ein Störeffekt sozusagen mit homöopathischer Dosierung und immenser Wirkung. Der Tropfen eines homöopathischen Arzneiwässerchens oder ein paar Traubenzucker-Globuli im Bodensee.

Das Klimageschehen ist inzwischen voller solcher subtiler Interdependenzwirkungen. Und überall zeigen sich die Symptome: Gletscherschmelze in den Bergen und auf Grönland, schwinden der Süßwasserspeicher, gefährlicher Permafrosttau, der Gestein bersten, es in Schlammmuren zu Tal wälzen lässt und gebundene CO2-Gase freisetzt, sommerliche Eisschmelze in der Arktis, die ganze Tierarten wie den Eisbären über kurz oder lang ausrotten wird, zunehmende Trockenheit, Wassermangel in Flüssen, im Grundwasser und in der Landwirtschaft, zu wenig Regen, Zerstörung der Wälder durch häufige lokale Tornados auch in unseren Breiten (den Rest besorgt der Borkenkäfer), voranschreitende Versteppung und Trockenheit von Süden nach Norden. Weinanbau bald in Dänemark und Südschweden. Vordringende subtropische Pflanzen- und Tierarten in gemäßigte Zonen, die das ökologische Gleichgewicht durcheinander bringen, heimische Arten verdrängen. Pflanzen verschwinden, Bienen-, Insekten- und in deren Folge Vogelsterben usw. Man kann diese alarmierende Liste beliebig fortsetzen, sie würde Seiten füllen. Das wissen auch die Politiker*innen, die spätestens jetzt und schnell gewaltige Notprogramme global beschließen und unbürokratisch einleiten müssten.

Greta Thunbergs Reden und Handeln und das ihrer ungehorsamen Mitstreiter*innen weiß darum natürlich auch. "Ich wünsche mir", sagt sie, "dass den Leuten bewusst wird, dass wir wirklich in einer Notsituation sind. Je mehr das realisieren, umso größer wird der Druck auf Menschen an entscheidenden Stellen, etwas zu unternehmen" ("Stern" online). Zu einem in ihren Augen nutzlosen Treffen mit dem US-Präsidenten Trump, seines Zeichens einer der Oberklimawandelleugner, fällt ihr nur ein: "Was soll ich ihm sagen, was er nicht schon von anderen gehört hat. Er hört ihnen offensichtlich nicht zu, Warum sollte er mir zuhören?" ("Stern" online). Es ist wie mit den Menschen, die es in Erich Kästners satirischem Roman "Die Konferenz der Tiere" nach zig vergeblichen Zusammenkünften des Redens und Verhandelns nicht zuwege bringen, Frieden auf der Welt herzustellen. Die Tiere nehmen stattdessen die Angelegenheit selbst pragmatisch in die Hand - so wollen die "Fridays for Future"-Kids etwas bewegen und verändern, ohne noch länger abzuwarten. Ihrer düsteren Zukunft nicht länger macht- und tatenlos gegenüberstehen. Vielleicht hat die junge Schwedin den Kästner-Roman besonders aufmerksam gelesen oder wurde er ihr von den Eltern vorgelesen.

Das Mädchen leidet an einem sog. Asperger-Syndrom. Das ist zwar keine lebensbedrohliche Erkrankung, aber kennzeichnet doch erheblich den Charakter und das kognitive Wesen und Vermögen eines daran "leidenden" Menschen. Man könnte salopp sagen, die Züge ähneln etwas einer autistischen Persönlichkeit ohne sprachliche oder geistige Behinderung, die sich individuell sehr unterschiedlich zeigen und darstellen können, etwa verbunden mit hohem Intelligenzgrad, Hypersensibilität, gesteigerter Wahrnehmung und einseitiger Spezialbegabung. Bei Greta fällt auf, dass sie auf Fotos selten lacht oder oft sehr skeptisch dreinblickt mit ernster, fast steinerner Miene, ihre Augenbrauen tief zusammenzieht und die Stirn nachdenklich runzelt. Dann wirkt sie mitunter sogar etwas komisch wie Buster Keaton mit Pokerface, ein verschmitzter Kobold. So, als wollte sie ihren Zweifel ausdrücken, eines ihr könnt mir viel erzählen, euch glaube ich nicht mehr. Und man muss sie dafür so wie sie ist einfach gern mögen. Für viele ist sie überhöht dennoch eine Art "Anne Frank" des 21. Jahrhunderts oder makellose "Heilige Johanna des Klimaschutzes" und sie wird umjubelt, umschwärmt und auf den Schild gehoben. Das könnte ihr noch irgendwann zu schaffen machen. Denn solche Tendenzen können sich auch verselbständigen, wecken Neid und Missgunst. Jemand könnte ihr etwas antun wollen, um selbst berühmt zu werden oder sie zu stoppen. Eine Menge schafft sich gnadenlos ihre Idole, hängt sich bleiern an sie und Greta ist zweifelsfrei ein solches mit noch sehr jungen Jahren.

Viele bangten schon jetzt, dass ihr bei der nicht ungefährlichen Überfahrt im wilden Nordatlantik etwas passieren, sie über Bord gehen und ertrinken könnte, die Yacht in ein schweres Atlantikwetter und dann in Seenot gerät, vielleicht sogar sinkt. Es wäre der worst case gewesen. Der Skipper twitterte an Bord, man sei im Golfstrom in schwierige Bedingungen geraten, in Winde, die das Schiff schneller nach Amerika vorantrieben, als gedacht. Auch Greta wies in Tweets auf Probleme mit der rauen See hin. Es gab kein rettendes Begleitschiff, das hätte für die Legende der quasi "Alleinseglerin" nicht gepasst. Schon zu Beginn gestand sie ein, dass sie sich etwas seekrank fühlte, aber die Aussicht, dass in zwei Wochen alles überstanden wäre, sie zuversichtlich stimme. Man müsse da halt durch, dann wird ihr eben zwei Wochen lang übel sein. Wir werden es erfahren. Die "Stern"-Story diese Woche wird einiges exklusiv zu berichten haben. Kurz vor der Ankunft meldete sie: "Home, Sweet Home seit 14 Tagen. Bald letzter Abend an Bord der Malizia 2. Morgen erreichen wir New York" (zit. nach dpa). Für die Reise hat sie sich präpariert, mit Büchern, Brettspielen und einem Stoffkaninchen, das ihr jemand geschenkt hat. Den 20. August, Jahrestag des Beginns ihres Schulstreiks fürs Klima, erlebte sie auf hoher See. Ihre Ankunft in New York wird wohl einiges Aufsehen erregen. Die UNO will ihr vor New York 17 Schiffe und ein Leitboot entgegenschicken für die 17 UN-Nachhaltigkeitsziele und globalen Vorsätze der Vereinten Nationen, darunter verstärkter Einsatz gegen Klimakrise, Kampf gegen Armut und für Gleichberechtigung von Frauen. Den Törn überstanden zu haben, wird Greta noch berühmter machen und tapferer erscheinen lassen, als sie es schon ist. Damit muss sie auch fertig werden. Ohne soziale Medien und die Presse wäre sie nicht das, was sie mittlerweile ist: eine Symbolfigur, die offensichtlich die Welt heute braucht.

Gemessen an dem, was sich die junge Schwedin an Pensum für die nächsten Wochen und Monate vorgenommen hat, steht ihr nichts Geringeres bevor, als in der "Höhle des Löwen" Amerika zu erobern. Dessen kohlefreundliche US-Regierung unter Trump aus dem Pariser Klimaabkommen ausgestiegen und wo sie noch weit weniger bekannt ist. Dazu hat sie sich in der Schule ein Sabbatjahr genommen, denn die vorgenommenen Aktivitäten und Reisen durch den Kontinent in Zügen werden voraussichtlich bis weit ins Jahr 2020 dauern. Sie will eine Auftritts- und Erkundungstour durch die USA unternehmen und es sind Abstecher auch nach Kanada und Mexiko geplant. Es könnte durchaus einen Einfluss ausüben auf die Chancen für eine Wiederwahl Donald Trumps, denn Amerika liebt mutige Kids. Von 2. bis 13. Dezember will Thunberg an der großen 25. UN-Weltklimakonferenz (zugleich 15. Jahr des Kyoto-Protokolls), der COP25, in Santiago de Chile teilnehmen und dort auftreten und sprechen, weitere Besuche in anderen lateinamerikanischen Ländern sind geplant. Es ist ein Mammutprogramm, das sie erwartet und an der Schwelle zum Erwach-senwerden zweifellos prägen und auch verändern wird.

Man kann auch ohne eine Greta Thunberg die weltweit im Gang befindliche Klimakatastrophe, die schon längst kein Wandel mehr ist und nie war, aufgreifen und überall thematisieren. Aber mit ihrer Person verbindet sich kindlicher Mut und naive Entschlossenheit, als wäre sie auf einem Kinderkreuzzug, der nicht mehr zu stoppen ist. Kinder fragen, klagen an, verlangen nach Antworten und Taten. Wer wollte und könnte sich dem entziehen? Und das macht eben das Besondere an ihr aus, das, was aufhorchen lässt und ihr und ihrem Anliegen Respekt einbringt und Geltung verschafft. Man hat sie kritisiert dafür, dass sie sich im "Stern"-Magazin zusammen mit Aktivist*innen der Demonstrationen und Baumbesetzungen gegen die Baumrodung für den Kohleabbau im rheinischen Hambacher Forst ablichten ließ. Darunter ist eine vermummte Frau, die sie durch das Protestcamp führte. Greta, die diese militanten Aktionen respektiert, steht auf dem Foto etwas heller belichtet vor den anderen, bekommt so fast den Glorienschein der Anführerin. Der CDU-Innenminister von NRW, Herbert Reuel, zeigte sich irritiert und meinte gegenüber der "Bild"-Zeitung, dass sie sich "mit den falschen Leuten umgibt". Thunberg meinte dazu, es sei eben einfach passiert, ihr spontaner Besuch wäre eine Überraschung gewesen. Gretas Vater sagte, dass man bei so viel Terminen nicht alles vorher wissen und planen könne, man käme an, dann gebe es eben Bilder.

Man fragt sich, was wird dieses Mädchen noch alles machen, wenn sie erst 25 Jahre alt ist? Aus der, wie manche Reinkarnationsgläubige meinen, eine "alte Volksseele" spricht. Wochenlang Hunger streiken, demonstrativ ohne Sauerstoff den Mount Everest besteigen, um ein Fanal gegen den umweltschädigenden Inflationsbergtourismus im Himalaya zu setzen oder was noch alles? Oder wird sie einfach wieder aus dem öffentlichen Rampenlicht verschwinden? Es ist kaum anzunehmen und wird gewiss noch viel von ihr zu vernehmen sein.

(c) Elmar Klink. Wir veröffentlichen diesen Artikel mit freundlicher Genehmigung des Autors.

Veröffentlicht am

28. August 2019

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