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Keine Geordnete-Rechtlosigkeit!

Weiterer Angriff auf den Rechtsstaat in Vorbereitung

Das Geordnete-Rückkehr-Gesetz, das morgen im Innenausschuss des Bundestages verhandelt werden soll, ist ein fundamentaler Angriff auf den Rechtsstaat. Das Gesetz sieht systematische Inhaftierungen und existenzielle Einschnitte bei den Sozialleistungen und der Integration von Geflüchteten vor.

Rechtsanwältin Berenice Böhlo vom Vorstand des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins (RAV) sagt: "Dieses Gesetz stellt unsere Mandant*innen rechtlos. Es wird zu massenhaft rechtswidrigen Inhaftierungen und Abschiebungen kommen, ohne dass die Betroffenen einen Anwalt oder eine Anwältin einschalten können. Wir werden für unsere Mandantinnen vor den Sozialgerichten wieder um jede Windel kämpfen müssen".

Die Regierungsparteien behaupten, das Gesetz sei eine Reaktion auf ein angebliches Defizit im Vollzug von Abschiebungen. Tatsächlich ist das Gesetz die Reaktion auf die Angriffe von rechts und zeigt, wie die Entrechtung von Flüchtlingen nicht nur ein Thema von Rechtsaußen ist, sondern von CDU und SPD zentral vorangetrieben wird.

Ein dauerhafter Aufenthalt von bis zu 18 Monaten in Anker-Einrichtungen verhindert systematisch und gezielt den Zugang zum Recht. Das Asylrecht ist, wie es das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat, in besonderer Weise ein verfahrensabhängiges Recht. Verfahrensrecht hat Verfassungsrang.

Alle bisherigen anwaltlichen Erfahrungen mit Anker-Zentren zeigen, dass gerade dort das Verfahrensrecht systematisch verletzt wird. Eine unabhängige, anwaltliche Vertretung von Anfang an ist Grundlage eines rechtsstaatlichen Verfahrens, in den Anker-Einrichtungen aber nicht mehr möglich. Der Bundestagsabgeordnete Dr. Lars Castellucci (SPD) hatte im Rahmen der Koalitionsvereinbarung versprochen, dass in den Anker-Einrichtungen der Zugang zum Recht erhalten bleibt. Genau das ist, wie die Erfahrung zeigt, nicht der Fall. Dennoch ist auch die SPD bereit, die Entrechtung von Flüchtlingen noch weiter voranzutreiben.

Über 80 Prozent der Haftentscheidungen von Richtern*innen haben sich als rechtswidrig erwiesen. Würde es der Gesetzgeber mit dem Zugang zum Recht ernst meinen, müsste jeder inhaftierte Flüchtling eine anwaltliche Vertretung beigeordnet bekommen. Hier aber schweigt das Gesetz.

In der Vergangenheit hat sich weit über die Hälfte der Entscheidungen des Bundesamtes als falsch erwiesen und wurde von den Verwaltungsgerichten aufgehoben. Das Bundesamt ist nunmehr stolz auf eine angebliche Fehlerquote von ›nur‹ noch 25 Prozent. Auch in den Verfahren, in denen es um die Überstellung in andere EU-Länder geht, kommt es regelmäßig zu behördlichen Entscheidungen, die später von den Gerichten aufgehoben werden.

RAV-Vorstandsmitglied Berenice Böhlo: "Die Rechtslage ist äußerst komplex, da es kein einheitliches europäisches Asylsystem gibt. Ohne anwaltliche Beratung und Vertretung wird es in Zukunft kaum gelingen, überhaupt effektiven Rechtsschutz vor den Verwaltungsgerichten zu erhalten, denn die Betroffenen können faktisch nicht mehr vor den Verwaltungsgerichten klagen".

Nach wie vor ist ein Großteil der Gesellschaft in der Unterstützung mit Geflüchteten aktiv. Das Gesetz ist eine schallende Ohrfeige für alle hier aktiven Bürger*innen. Die neue ›Härte‹ von der der CDU-Abgeordnete Philipp Amthor so begeistert spricht, basiert auf struktureller Entrechtung und ist eine Katastrophe, die die Gesellschaft an sich betrifft.

Neben dem RAV kritisieren über 20 weitere zivilgesellschaftliche Organisationen, darunter Richter*innen und Anwält*innen, das Gesetz und haben in einem Offenen Brief dagegen Stellung bezogen.

Quelle:  Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) - Pressemitteilung vom 02.06.2019.

Veröffentlicht am

02. Juni 2019

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