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33 Jahre nach Tschernobyl drohen in der Ukraine neue atomare Sicherheitsrisiken

Umstrittener Weiterbau am AKW Chmelnizkij

Vor einem aktuellen Atomprojekt in der Ukraine warnt der Ökoenergieanbieter Greenpeace Energy anlässlich des 33. Jahrestages der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl. So hat die ukrainische Regierung beschlossen, die Rohbauten zweier Reaktoren aus den Achtzigerjahren am Standort Chmelnizkij zu vollenden und bis 2026 in Betrieb zu nehmen. "Trotz der bitteren Erfahrung durch den Tschernobyl-Gau schafft das Land mit der Weiternutzung veralteter AKW-Bauruinen immense Sicherheitsrisiken für sich und seine Nachbarstaaten", sagt Sönke Tangermann, Vorstand bei Greenpeace Energy.

Greenpeace Energy fordert deshalb ein Mitspracherecht der europäischen Nachbarstaaten im Genehmigungsverfahren für das ukrainische Atomprojekt. "Die Öffentlichkeit von potenziell betroffenen Staaten muss sich mindestens am Verfahren beteiligen und ihre Expertise einbringen können. Das muss die deutsche Bundesregierung jetzt gegenüber der Ukraine einfordern", so Tangermann. Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) stehe nun in der Pflicht. Ihr Ministerium sowie ausgewiesene Fachinstitutionen müssten die ukrainischen Pläne überprüfen. In Österreich findet eine solche Öffentlichkeitsbeteiligung im Rahmen einer grenzüberschreitenden Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) zu den Reaktorbauten in Chmelnizkij bereits statt. Ob und wann in Deutschland eine offizielle Beteiligung am UVP-Verfahren vorgesehen ist, ist bislang unklar.

In Chmelnizkij, rund 200 Kilometer östlich der Grenze zu Polen gelegen, produzieren bereits zwei Atomreaktoren Strom. Über die beiden zusätzlichen Meiler 3 und 4 wurde 1990 ein Baustopp verhängt. "Hier wird ein sicherheitstechnisch fragwürdiges AKW für den EU-Export fit gemacht, um aus uralten Teilbauten aus Sowjetzeiten neue Reaktoren entstehen zu lassen", sagt Sönke Tangermann. Er weist zudem darauf hin, dass auch die beiden bestehenden Reaktoren in Chmelnizkij bereits mehr als 30 Betriebsjahre hinter sich haben und sicherheitstechnisch nicht mehr auf dem aktuellen Stand sind.

Der Weiterbau der Reaktorblöcke 3 und 4 soll mitfinanziert werden, indem ein Teil des bereits jetzt am AKW-Standort produzierten Atomstroms in das EU-Nachbarland Polen exportiert werden soll. Hierfür ist auch der Bau einer Stromtrasse nach Polen geplant. Zudem ist eine finanzielle Beteiligung der Europäischen Union für das Projekt im Gespräch. "Es wäre ein energiepolitischer Skandal, wenn die EU eine Lebensverlängerung für die Atomkraft ausgerechnet im Tschernobyl-Land Ukraine unterstützen will", so Tangermann. Nach der Europawahl Ende Mai müsse die neue EU-Kommission hier eine klare Haltung zeigen und dürfe das umstrittene AKW-Projekt nicht weiter unterstützen. "Die EU sollte stattdessen alles tun, um mit dem neuen ukrainischen Präsidenten Wege für eine moderne Energiepartnerschaft zu ebnen, die auf die Fertigstellung alter Sowjet-Reaktoren verzichtet", so Tangermann.

Auch die Kostenkalkulation für die geplanten Reaktorbauten wirft aus Sicht von Greenpeace Energy Fragen auf. Der ukrainische Atomkonzern Energoatom veranschlagt die Kosten für den Bau von Chmelnizkij 3 und 4 mit umgerechnet rund 2,3 Milliarden Euro. "Die Erfahrung aktueller AKW-Projekte in Frankreich oder Großbritannien zeigt, dass dies viel zu billig kalkuliert ist", sagt Sönke Tangermann. Allein für den Bau des Atomkraftwerks Hinkley Point C in England wird mehr als ein zehnfaches der für Chmelnizkij geplanten Summe veranschlagt, die Subventionen über die gesamte Betriebsdauer des britischen AKWs dürften laut einer von Greenpeace Energy beauftragten Studie sogar mit mehr als 100 Milliarden Euro zu Buche schlagen. "Dagegen nimmt sich die von der Betreiberfirma genannte Summe wie ein Taschengeld aus", sagt Tangermann. "Es bleibt fraglich, wie man bei so knapper Kalkulation zeitgemäße Sicherheitsstandards einhalten will."

Hintergrund: Der Reaktorstandort Chmelnizkij liegt etwa 600 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt. Eine von Greenpeace Energy beauftragte Kurzanalyse aus dem Jahr 2017 zeigt, dass bei einem "Größten anzunehmenden Unfall" (GAU) in einem AKW auch in dieser Entfernung noch Strahlenbelastungen auftreten können, die eine Evakuierung der Bevölkerung nötig machen würden. Die Studie zeigt zudem, dass grenzüberschreitende Atom-Unfälle nur zu einem Bruchteil finanziell abgesichert sind und betroffene Nachbarländer auf einem Großteil der Folgekosten sitzen bleiben.

Quelle: Greenpeace Energy - Pressemitteilung vom 25.04.2019.

Veröffentlicht am

26. April 2019

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