Lebenshaus Schwäbische Alb - Gemeinschaft für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Ökologie e.V.

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“Gut, dass es Euch gibt und Ihr noch immer da seid.”

Von Katrin Warnatzsch, Sozialer Friedensdienst im Lebenshaus (aus: Lebenshaus Schwäbische Alb, Rundbrief Nr. 89, Juni 2016 Der gesamte Rundbrief Nr. 89 kann hier heruntergeladen werden:  PDF-Datei , 714 KB)

In der Flüchtlingsarbeit erleben wir immer wieder Schönes, so z.B. einen überraschenden Besuch eines Mannes, der vor ca. 17 Jahren als Asylsuchender in der damaligen Unterkunft, die nun in der 3. Generation mit Geflüchteten wiederbelegt ist, in Gammertingen untergebracht war. Damals war er als Traumatisierter in Folge von Folter und Verfolgung sehr schlecht dran, lebte deswegen dann für einige Monate bei uns im Lebenshaus und wurde von mir in verschiedene Institutionen gebracht und begleitet, um sowohl ein Gutachten zu bekommen, das er für die Anerkennung in seinem Asylverfahren brauchte. Als auch um natürlich psychologische Hilfe zu erhalten. Vor Ort war er aktiv im Fußball dabei, trotz einer nicht heilen wollenden Knieverletzung. Er beschäftigte einige Menschen intensiv, sein Schicksal hat bewegt und Mitgefühl und Freundschaft wurde ihm entgegengebracht. Wir haben damals sehr vieles intensiv erlebt und es war für mich alles Neuland. Für ihn folgten insgesamt mehr als 10 Jahre Therapie, wie er uns jetzt erzählte. Seit einigen Jahren gilt er als gesund. Er lebt inzwischen am südlichen Ende von Baden - Württemberg, hat den deutschen Pass erworben, ist verheiratet und hat zwei kleine Söhne, eine Ausbildung gemacht und arbeitet. Sein Deutsch ist super, er ist freundlich und lebhaft. Er kam, um sich nach 15 Jahren, in denen wir keinen Kontakt mehr hatten, bei uns für die damalige Hilfe zu bedanken. Dabei äußerte er unter anderem: "Es ist gut, dass es Euch gibt, dass Ihr noch immer da seid, eine Adresse für alle möglichen Fragen und Situationen." Wir sind sehr glücklich darüber.

Ich bin dankbar, dass manchmal solche Langzeitfolgen unserer Begleitung zum Vorschein kommen. Sie ermutigen uns, weiter auf steinigen Wegen zu gehen, wie es eben ist, hier auf der Schwäbischen Alb. Kaum sichtbare Spuren, aber für Einzelne lebensverändernd.

Die Arbeit mit den jetzigen Geflüchteten gestaltet sich wieder anders, weil vieles, was damals vor 15 bis 20 Jahren von Seiten der öffentlichen Stellen noch nicht als Hilfebedarf gesehen wurde, nun, theoretisch zumindest, teilweise anerkannt wird. Heute ist es auch die große Zahl der Geflüchteten, die es den wenigsten ermöglicht, angemessene Hilfe oder auch ihre Rechte in überschaubarer Zeit zu erhalten.

Derzeit geht es vor Ort darum, Sprache an Personen zu vermitteln, die z.B. wegen der Überfüllung der Schul- und Sprachklassen oder weil sie nicht aus Syrien kommen, keinen der offiziellen Sprachkurse besuchen können. Freiwillige SprachhelferInnen bemühen sich nach ihren Möglichkeiten an verschiedenen Orten um eine Unterstützung dieser Menschen. Im Lebenshaus gehen derzeit in drei Gruppen bis zu 20 Geflüchtete aus Afghanistan in Sprachübungsstunden. Im Garten haben wir ihnen ebenfalls Freiraum eingeräumt, um dort in Ruhe in den Sprachbüchern zu stöbern, die wir angeschafft haben, oder auch, um sich einmal aus der trostlosen und lauten Unterkunft etwas zurückziehen zu können.

Die ersten schönen Frühlingstage haben wir genutzt, um relativ spontan im Garten ein Grillfest mit den Geflüchteten zu starten, das uns großen Spaß gemacht hat. Nach einem deftigen schwäbischen "Gaisburger Marsch" (Suppe) wurde eifrig Salat geschnipselt und mühsam das Feuer angepustet, da wir keine optimale Feuerstelle, sondern nur ein Loch in der Wiese mit Backsteinen drumherum haben. Berge von Fleisch hatte ich bei einem türkischen Metzger besorgt, um den Ansprüchen von Muslimen zu genügen. Nun warten alle auf eine Wiederholung und auch wir haben hoffentlich einiges dazu gelernt.

Dennoch drängen sich in der Arbeit mit Geflüchteten immer lauter Fragen auf: Wie ist es auszuhalten, dass die wenigsten eine Bleibeperspektive erhalten werden? Was machen wir mit diesem Wissen, wie vermitteln wir trotzdem Lebenssinn? Und vor allem, wie stellen wir uns insgesamt dieser Situation, können wir das eigentlich so hinnehmen? Wie und wo können wir mit diesen Fragen Gehör und Wirksamkeit finden? Wo sollen diese unfreiwilligen Nomaden eigentlich leben? In den oft verzweifelten Gesichtern der jungen Menschen stehen unausgesprochen diese Gedanken, sie machen alt, müde und krank, finden keine Antwort. So viele gestrandete Leben.

Eine Kindheit in Kriegsgebieten, z.B. in Bosnien, hat langfristig spürbare Auswirkungen auf Menschen, die heute erwachsen sind und vielleicht selbst Kinder haben. Erfahrbar wird dies für mich in den Gesprächen mit einem Mann, der aus seiner Heimat wegging, weil er dort keine auskömmliche Arbeit mehr findet. Oder mit einer Frau, die mit ihrer Familie aus demselben Grund schon mehrfach in anderen Ländern in Europa "der Arbeit hinterher" umgezogen ist. Fehlende Wurzeln, sich nicht zugehörig fühlen können, einer fernen, romantisierten Heimat nach zu träumen, immer spürbare Traurigkeit. Sich sehr schwer damit tun, die fremde Sprache zu erlernen, kaum neue Freunde zu finden, sich auch deswegen auf die eigene, oft weit verstreut lebende Verwandtschaft zu konzentrieren. Und das Leiden, mit kaum jemandem über das Persönliche sprechen zu können. Ich bemühe mich, gut zuzuhören, nachzuempfinden, manches Mal auch einfach stehen zu lassen, was ich mir kaum vorstellen kann. Dafür brauche ich vor allem Zeit, um solche Gespräche zu ermöglichen, viel mehr Zeit, als wenn dies in fließendem Deutsch geschehen könnte.

Für alle Ermutigung, Unterstützung und Nachfrage sagen wir herzlichen Dank. Es gibt weiter unendlich viele Aufgaben und Menschen, die unsere Solidarität brauchen und dies mit großer Dankbarkeit und persönlichem Vertrauen belohnen. Damit Beziehungen unter uns wachsen, gerade auch zu uns zunächst fremden Menschen, dafür lohnt sich jede Form des Engagements, das uns als Privilegierten möglich ist. Es trägt ganz leise und beständig zum Frieden bei.

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Für sein gesamtes Engagement ist Lebenshaus Schwäbische Alb fast ausschließlich auf Spenden und Mitgliedsbeiträge angewiesen. Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit, Aktionen und Veranstaltungen wie z.B. die für diesen Herbst erneut geplante Tagung, die Unterstützung von Menschen in schwierigen Lebenssituationen, die Personalkosten für eine 30-Prozent-Teilzeitstelle und einen Minijob sowie möglichst Abbau von Schulden erfordern erhebliche Finanzmittel.

Wir benötigen dieses Jahr rund 57.000 Euro an Spenden und Mitgliedsbeiträgen. Bis Ende Mai haben wir Spenden und Mitgliedsbeiträge in Höhe von rund 17.000 Euro erhalten. Dies entspricht ca. 30 Prozent des voraussichtlichen Jahresbedarfs. Ganz herzlichen Dank dafür!

Gleichzeitig bitten wir um Ihre/Deine Unterstützung, um den erforderlichen Betrag möglichst zusammen zu bringen.

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Fußnoten

Veröffentlicht am

25. Juni 2016

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