Lebenshaus Schwäbische Alb - Gemeinschaft für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Ökologie e.V.

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Von Krieg und Frieden

Von Katrin Warnatzsch, Sozialer Friedensdienst im Lebenshaus (aus: Lebenshaus Schwäbische Alb, Rundbrief Nr. 100, März 2019 Der gesamte Rundbrief Nr. 100 kann hier heruntergeladen werden: PDF-Datei , 542 KB. Den gedruckten Rundbrief schicken wir Ihnen/Dir gerne kostenlos zu. Bitte einfach per Mail abonnieren .)

Ich trinke heißen Hagebuttentee und hoffe, meine Handgelenke erwärmen sich, während draußen ein strahlend eiskalter Wintertag zu Ende geht. Heute haben Michael und ich im knirschenden Schnee bei Minusgraden eine kleine Exkursion zu Gedenkstätten von ehemaligen Konzentrationslagern bei Schömberg gemacht. In der immer wiederkehrenden Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte ist es uns hilfreich und wichtig, solche Orte in der Umgebung aufzusuchen, an denen Nazis barbarische Verbrechen verübt haben.

Im Wald am Fuße der Schwäbischen Alb brach sich das Sonnenlicht über den schneebedeckten Relikten des damaligen, wahnwitzigen Versuches, Öl aus Schiefer als Energie für die Rüstungsindustrie gewinnen zu wollen mithilfe von Zwangsarbeitern, von denen innerhalb weniger Wintermonate ein großer Teil grausam sterben mussten. Trotz meiner dicksten Jacke wurde ich schnell eiskalt. Unvorstellbar, wie das wohl in der dünnen Sträflingskleidung gewesen sein muss. Auf sehr ausführlichen Informationstafeln kommen auch wenige überlebende Zeitzeugen zu Wort, mit Beschreibungen der Grausamkeiten in diesen KZ-Lagern. Das Anhören dieser überlebenden, gezeichneten Menschen ist tief berührend. Die letzten völlig abgemagerten Häftlinge wurden von der SS schließlich auf Todesmärsche nach Süden geprügelt, angesichts der vorrückenden Alliierten. Einige überlebten, nachdem sich die SS aus dem Staub machte. Man sprach von "Befreiung". Aber ich kann mir vorstellen, dass die meisten dieser überlebenden Menschen bis zu ihrem Lebensende psychisch gefangen gewesen sind in der erlebten Barbarei.

Fragen drängen sich mir auf: Was ist der Mensch? Wie können Menschen einander solches antun? Welche inneren und äußeren Grenzen müssen gefallen sein, um in solcher Grausamkeit zu versinken? Wie können Täter und Opfer mit solcher Geschichte weiterleben? Welche versteckten Spuren haben sie danach in ihren Familien oder in ihren beruflichen Positionen weitergegeben? Und ich frage ich mich voller Zweifel: Was bin ich, was wäre ich, was hätte ich wohl getan in solcher Lage? Und was muss ich tun, damit sich solches nicht wiederholen kann?

Erinnerung und Gedächtnis wachzuhalten, um daraus zu lernen, ist die Aufgabe der Nachfolgenden, also von uns.

Auch wenn mir klar ist, dass sich die jeweiligen Situationen nur bedingt vergleichen lassen: Das Gefühl, das in mir aufkommt, als ich die Beschreibungen von KZ-Überlebenden lese, ähnelt dem Gefühl, das ich habe, wenn ich die Lebensgeschichten der Geflüchteten aus Kriegsgebieten heute anhöre.

Der Krieg im Alltag

Ein Gespräch mit einem Überlebenden des seit 40 Jahren tobenden Krieges in Afghanistan, der seit über einem Jahr im Lebenshaus wohnt, über sein Befinden, das er in einer Traumatherapie reflektieren kann:

"Ich fühle mich besser, wenn ich jede Woche über meine Erlebnisse sprechen kann. Bei der Therapeutin fühle ich mich sicher. - Kannst du mir erklären, was eine Ergotherapie ist? Ja, beim Fußballspielen, wenn ich koche, wenn ich lerne, dann muss ich mich auf nur eine Sache konzentrieren. Das tut mir gut. Ich habe dann keine gleichzeitigen Erinnerungen und schrecklichen Gefühle. - Ich danke Allah jeden Tag, dass du lange leben sollst. Meine Mutter ist so besorgt, sie betet auch immer für dich. Alle geflüchteten Männer danken dir, ihre Mütter danken dir, sie beten jeden Tag für dich."

Tage später hätte A. einen Termin mit Michael gehabt, um ein Bewerbungsschreiben für sein Berufspraktikum bei einer Sozialstation zu erstellen. Ganz kurzfristig sagte er dieses Treffen ab und wollte stattdessen kurz mit mir sprechen.

Er hatte gerade einen Anruf aus Afghanistan von der Nachbarin seines Bruders erhalten. Sein Bruder, etwas älter als er selbst, verheiratet und drei Kinder, arbeitet als Polizist in Afghanistan. Er sei auf dem Weg zu einer dienstlichen Veranstaltung in eine Straßensperre der Taliban geraten. In seinem Polizeiauto hätten fünf Kollegen gesessen, zwei davon seien mit Schüssen getötet worden, sein Bruder schwerstverletzt. Er habe ins Militärkrankenhaus transportiert werden müssen, weil sie ihm dort vor Ort nicht hätten helfen können. Er zeigt mir ein Foto.

A. macht sich große Sorgen um seinen Bruder, aber auch um seine kranke Mutter, die diese Nachricht noch gar nicht gekannt habe. Sie sei so unstabil, dass er befürchtet, solche Nachrichten könnten einen weiteren Schlag für sie bedeuten.

Ich sitze ihm gegenüber und fühle mich hilflos, ratlos, weiß nicht, was er von mir erwartet, kann ja keine Schmerzen lindern, kein Leid verhindern. Geld zu schicken in solchen Lagen, die sich andauernd bei afghanischen Männern um uns herum wiederholen, das ist bei allen der erste Reflex. Die Kosten für Gesundheitsversorgung müssen in Afghanistan in fast allen Fällen selbst aufgebracht werden. Unvorstellbare Situationen entstehen, wenn Frauen und Kinder dort alleine in vereinzelt stehenden Gehöften zurückbleiben, die angewiesen waren auf das schmale Einkommen eines männlichen Verwandten. Wir bemühen uns, in solchen akuten Notlagen einen Weg zu finden, ihnen kurzfristig fehlendes Geld auszuleihen. Das ist nur möglich, weil die Unterstützenden des Lebenshauses Geld zur Verfügung stellen, wofür in solchen Fällen sehr viele Beteiligte nah und fern dankbar sind.

Ich fühle mich hilflos, besorgt auch um die Gesundheit von A., seine mühsam aufrechterhaltene Stabilität. Solche schlechten Nachrichten durchkreuzen den geplanten Alltag und haben das Potential, dass der Aufbau einer stabilen Zukunft in Deutschland schwer gestört oder verunmöglicht wird. Der Krieg wohnt mit in unserem Lebenshaus, er ist präsent, bedrohlich, schlägt immer wieder, via Internet fast in Echtzeit, zu.

Dem setzen wir z.B. entgegen, uns immer wieder bewusst zu machen, in welch privilegierter Situation wir hier derzeit leben. Wir haben ein stabiles Dach über dem Kopf, eine funktionierende Heizung, genug warmes Essen und können in der Regel ruhig schlafen. Es ist wichtig, dass wir diese gute Lage mit anderen teilen, die aus ihrer lebensbedrohlichen Lage geflohen sind. Jeder Tag, den wir sie bei uns wärmen, ist auch ein warmer Tag für uns. Jeder Tag, an dem wir mit ihnen zusammen keine Angst haben, ist ein Tag des Friedens.

Einige Wochen lang im Winter habe ich deswegen ein warmes Mittagessen für bis zu acht hungrige afghanische Männer gekocht, die sich im Gemeinschaftsraum im Erdgeschoss zum Essen und Reden trafen.

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Fußnoten

Veröffentlicht am

19. März 2019

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