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Gipfel in Hanoi: Schmeichel- und Streicheleinheiten

Donald Trump hat es nicht an Huldigungen für Kim Jong-un, aber an konkreten Angeboten fehlen lassen, um die nordkoreanische Seite zu überzeugen

Von Lutz Herden

Mit schönen Reden mag sich manches erhandeln lassen, aber eben nicht sehr viel oder rein gar nichts. Hatte Donald Trump ernsthaft geglaubt, Nordkoreas Staatschef Kim Jong-un werde elementare Interessen opfern, wenn er ihn nicht mehr als kleinen verrückten Raketenmann, sondern "seinen Freund" bezeichnet? Und weil man sich bei einem "phantastischen Abendessen" noch näher gekommen sei, wie der Präsident in Hanoi gegen Ende des ersten Gipfeltages befand. In der internationalen Diplomatie sind Rhetorik und Realität einander selten in inniger Zuneigung verfallen. Anders formuliert, was Trump in Hanoi verlautbarte, hatte mutmaßlich wenig damit zu tun, was die Unterhändler beider Parteien hinter den Kulissen aneinander geraten ließ.

Und Trumps Aufforderung an den nordkoreanischen Führer, tausche einfach deine jetzige Atomacht gegen künftige Wirtschaftsmacht und alles wird gut, offenbarte nicht nur eine schlichte Denkungsart. Sie hat keinen Eindruck hinterlassen. Dem Lockruf wurde nicht die Ansage hinterher geschickt: Selbstverständlich müssen dann die Sanktionen kassiert werden. Ist das zuviel verlangt? Wie soll Nordkorea wirtschaftlich vorankommen, wenn es vom Welthandel weitgehend suspendiert bleibt?

Road Map der Selbstaufgabe

Stephen Biegun, der Nordkorea-Beauftragte des Weißen Hauses, hatte vor dem Treffen in Vietnam durchblicken lassen, man wolle eine "Road Map", mit der festgeschrieben werde, wann und wie Nordkorea Kernsprengköpfe, Trägerwaffen und spaltbares Material, Abschussanlagen und Depots, Entwicklungs- und Forschungseinrichten seines Nuklearprogramms aufgibt. Natürlich müsse man sich ebenso darüber einigen, wie ein solcher Stufenplan verifiziert - sprich: überwacht - werde.

Was gab es dafür an Gegenleistungen? Bestenfalls vage Andeutungen über einen Friedensvertrag, der vorerst nur als Phantom durch eine Abschlusserklärung gegeistert wäre, die wohl auch deshalb nicht zustande kam.

Wieder einmal hat es sich als eine völlig verfehlte Suggestion erwiesen, wenn vor dem zweiten Gipfel Trump-Kim allenthalben die Erwartung geweckt wurde, Nordkorea müsse in Bälde den Status einer Atommacht aufgeben und sich zu vollständiger Denuklearisierung bereitfinden. Eine illusionäre Vorstellung, die darauf verzichtet, nach den Gründen der Nuklearisierung zu fragen und von der Geschichte der koreanischen Halbinsel ebenso abstrahiert wie von legitimen Sicherheitsbedürfnissen des nordkoreanischen Staates.

Warum sollte der sich entwaffnen, solange der nukleare Schutzschirm der USA über Südkorea aufgespannt bleibt. Weshalb soll Pjöngjang einseitige Vorleistungen erbringen, wenn weiter kein Vertrag über das definitive Ende des Kriegszustandes geschlossen ist, in dem sich die USA und Südkorea auf der einen und Nordkorea auf der anderen Seite formal nach wie vor befinden. Als die Feindseligkeiten Ende Juli 1953 eingestellt wurden, kam es bekanntlich nur zu einem Waffenstillstand.

Bei dem blieb es. Darüber sind die Konfliktparteien bisher nicht hinausgekommen, auch wenn sich seit geraumer Zeit ein einvernehmlicheres Verhältnis zwischen Seoul und Pjöngjang abzeichnet, das zu partnerschaftlichen Beziehungen führen kann, aber nicht muss. Der Rückhalt des südkoreanischen Staatschefs Moon Jae-in scheint nicht übermäßig groß. Sein Kurs der Verständigung mit dem Norden stößt in seinem Land auf teils heftigen Widerstand und wird von der Angst genährt, durch ökonomischen Beistand Ressourcen und Wohlstand preiszugeben.

Das maximal Erreichbare

Kim Jong-un hat seit dem Singapur-Gipfel vom Juni 2018 auf weitere Raketentests verzichtet und damit seinen Willen zur Deeskalation bekundet. Was für ihn als unverzichtbar gilt, lässt sich nach dem Treffen in Hanoi in der Formel zusammenfassen: Keine Abrüstung ohne einen Friedensvertrag, der Sicherheitsgarantien der USA für sein Land einschließt, und ohne einen wenigstens partiellen Sanktionsabbau. Dazu bedarf es politischer Entscheidungen in der US-Regierung wie im UN-Sicherheitsrat.

Ob es Donald Trump wagt, derartige Konzession auch nur zu erwägen, darf bezweifelt werden. Ihm fehlen dazu innenpolitisch die Souveränität und außenpolitisch die Strategie. So wird ein modus vivendi der Koexistenz zwischen Pjöngjang und Washington bis auf weiteres das maximal Erreichbare bleiben, zu dem nun auch eine US-Interessenvertretung in Pjöngjang gehören soll.

Quelle: der FREITAG vom 28.02.2019. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Verlags.

Veröffentlicht am

28. Februar 2019

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