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Grundlegende Bedenken zum Einsatz von Kampfdrohnen

Studie zu den humanitären Folgen von Drohnen

Die humanitären Folgen von Drohnen sind gravierend und erfordern eine umfangreiche Diskussion im Bundestag über die völkerrechtlichen, verfassungsrechtlichen und ethischen Bedenken bezüglich ihres Einsatzes durch die Bundeswehr. Über die Frage einer Bewaffnung von Drohnen sollten die Abgeordneten im Bundestag namentlich und nach ihrem Gewissen abstimmen. Das fordert die ärztliche Friedensorganisation IPPNW anlässlich der heutigen Veröffentlichung des Berichtes "Die humanitären Folgen von Drohnen - Eine völkerrechtliche, psychologische und ethische Betrachtung".  Der Bericht ist die deutsche Erstveröffentlichung einer Studie der "Women’s International League for Peace and Freedom, die die deutsche IPPNW übersetzt und um weitere Texte ergänzt hat.

Am 28. Januar 2019 hat die Bundeswehr in Israel mit der Ausbildung von Drohnen-Pilot*innen und weiterem Militärpersonal begonnen. Im Koalitionsvertrag zwischen SPD und CDU wurde vereinbart, dass der Deutsche Bundestag über die Beschaffung einer Bewaffnung erst nach ausführlicher völkerrechtlicher, verfassungsrechtlicher und ethischer Würdigung entscheidet. Doch das ist bisher nicht geschehen, während die Entscheidung über ein Leasing von sieben bewaffnungsfähigen Drohnen Heron TP der staatlichen israelischen Firma Israel Aerospace Industries bereits im Juni letzten Jahres gefallen ist.

Die IPPNW kritisiert, dass der Beschluss für das Leasing die Koalitionspartner in Zugzwang bringen könnte, die Waffenfähigkeit des bereits angeschafften 1,2 Milliarden teuren Drohnensystems auch zu nutzen. Mögliche Folgen einer Bewaffnung wären eine Senkung der Hemmschwelle zu töten sowie die Gefahr einer weiteren Aufweichung vo¨lkerrechtlicher Normen. Deutschland ist der einzige NATO-Mitgliedstaat, in dem ethische und rechtliche Fragen zum Einsatz von bewaffneten Drohnen geprüft werden sollen. Das Ergebnis der Debatte könnte international wegweisend sein. Mit der jetzt veröffentlichten Studie will die ärztliche Friedensorganisation einen Beitrag zu diesem überfälligen gesellschaftlichen Diskurs leisten.

Eine Aussage über die Zahl ziviler Drohnenopfer zu treffen, ist aufgrund von Geheimhaltung und Intransparenz äußerst schwierig. Laut dem Büro für investigativen Journalismus haben die USA bis zum 10. Januar 2019 zwischen 6.757-6.954 Luft- und Drohnenangriffen allein in Jemen, Somalia, Pakistan und Afghanistan durchgeführt. Die Gesamtzahl der getöteten Zivilist*innen in diesen Ländern beträgt zwischen 686-1.697 Menschen, darunter 220-347 Kinder. Doch die Zahlen dürften weitaus höher liegen, da weitere Einsatzländer wie Palästina, Libyen, der Irak oder Syrien fehlen. Allein in Libyen haben die USA laut der Nachrichtenseite Intercept seit dem Jahr 2011 ca. 550 Drohnenangriffe durchgeführt. Gemäß der Studie der britischen Nichtregierungsorganisation Reprieve zu den US-Drohneneinsätzen in Pakistan und in Jemen wurden für jeden getöteten "Terroristen" 28 Zivilist*innen getötet.

Über die psychologischen Folgen für die von Drohnen betroffene Bevölkerung im Jemen schreibt Radidja Nemar von der Nichtregierungsorganisation "Alkarama" in der heute veröffentlichten Studie. Laut ihrer Untersuchung leidet die von Drohnenangriffen betroffene Zivilbevölkerung unter ständiger Angst und Schlaflosigkeit. Auch die Studie "Living under Drones" (2012) der Stanford Law School kommt zu dem Schluss, dass Drohnenangriffe einen erheblichen Schaden im täglichen Leben der Zivilbevölkerung anrichten, der über das Töten und die körperlichen Verletzungen hinausgeht. Die Studie dokumentiert zudem Symptome von Angsterkrankungen und Posttraumatischen Belastungsstörungen (PTSD). 50 % der Befragten beschrieben emotionale Zusammenbrüche, Bewusstseinsverluste, Alpträume, Reizbarkeit, Wutausbrüche, übertriebene Reaktionen auf Lärm, Appetitverlust, Erbrechen, Übelkeit und Schmerzen. Hinzu kommen Schlafstörungen, weshalb Antidepressiva und Tranquilizer eingenommen wurden. Die 24-stündige Präsenz und der Angriff ohne Vorwarnung terrorisiere Männer, Frauen und Kinder und erhöhten das Level von Angst und psychologischem Trauma in den Gemeinschaften.

Soldat*innen, die Drohnen steuern, befinden sich nicht in akuter Verletzungs- oder Todesgefahr. Sie verrichten ihre Arbeit oft im Heimatland und tausende Kilometer entfernt vom tatsächlichen Kriegsgeschehen. Trotzdem ist auch ihre physische und psychische Gesundheit beeinträchtigt. Der Neuropsychiater Wayne Chappelle von der School of Aerospace Medicine führte zwischen 2011 und 2014 Untersuchungen an 840 bzw. 1.000 Bediener*innen von Drohnen durch. Fast die Hälfte der Befragten berichtete über einen hohen Level an Stress aufgrund von langen Arbeitszeiten und Schichtdienst.

Auch die zwei Psychologinnen Cherie Armour und Jana Ross von der Ulster-Universität Derry kamen in einer Metastudie (1996 - 2016) über die psychologischen Folgen bei Drohnenoperator*innen zu dem Schluss, dass der arbeitsbedingte Stress höher war als bei anderen Einheiten. Viele Befragte berichteten von Schlafstörungen und emotionaler Erschöpfung. Die Studien zu den Daten von Posttraumatischer Belastungsstörung sind widersprüchlich. Laut der Untersuchung der beiden Psychologinnen sind die Raten bei den Drohenoperator*innen niedriger als bei anderen Kampftruppen. Jean Otto dagegen, die die Krankenakten von Drohnenpersonal und von Kampfpilot*innen von 2003 bis 2011 auswertete, fand nach Bereinigung der Daten keinen Unterschied zwischen Drohnen- und Kampfpilot*innen. Ein Grund für widersprüchliche Angaben der Drohnenoperator*inen könnte u.a. in der Angst vor Stigmatisierung und Jobverlust begründet liegen.

Quelle: IPPNW - Pressemitteilung vom 08.02.2019.

Veröffentlicht am

14. Februar 2019

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