Lebenshaus Schwäbische Alb - Gemeinschaft für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Ökologie e.V.

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Die Macht der Mächtigen: Was kann ich selber dagegen halten?

Die Flucht in den Schutz der Nationalstaaten ist eine Illusion. Die wahren Herrscher dieser Erde sind die global aktiven Konzerne.

Von Christian Müller

Oft höre ich jüngere Leute sagen: "Wir wissen natürlich, dass die Welt von den globalen Konzernen verregiert und kaputt gemacht wird. Wir wissen natürlich, dass In-der-Welt-herum-Fliegen nicht gut ist für die Umwelt. Wir wissen, dass durch die Entwicklung der Roboter Arbeitsplätze gefährdet sind. Aber was nützt es, wenn ich mich dagegen wehre? Wir Einzelpersonen haben eh nichts zu sagen, und auch unser Verzicht aufs Fliegen würde an der Situation nichts ändern. EasyJet fliegt so oder so."

Haben sie recht, die Leute, die "gerne würden", aber nicht an einen Nutzen ihres Tuns oder Verzichts glauben?

Meine Antwort ist: Nein. Sie haben nicht recht.

"Brent Spar" zeigte: Der Markt bist Du!

Im April 1995 besetzten ein paar Greenpeace-Aktivisten den mit einem Heli-Landeplatz ausgestatteten und 14.500 Tonnen schweren Stahltank "Brent Spar" im Meer zwischen Norwegen und den Shetland Inseln. Durch diese tollkühne Aktion wurde weltweit bekannt, dass die Eigentümer der "Brent Spar", Shell und Esso, die Absicht hatten, diesen wegen neuer Pipelines überflüssig gewordenen schwimmenden Stahltank, in dem 50.000 Tonnen Rohöl zwischengelagert werden konnten, einfach im Meer zu versenken - als preisgünstigste Art der "Entsorgung". Weite Kreise der Bevölkerung, vor allem in Europa, waren schlicht entsetzt: So nicht! Nach wochenlangen Auseinandersetzungen zwischen den Ölkonzernen und Greenpeace kam es zu Protestaktionen - und schließlich zum Aufruf zum Boykott der Shell-Tankstellen. Wer immer die freie Wahl hatte, wo er seinen Treibstoff kaufen wollte, mied nun die Shell-Tankstellen. Sogar staatliche Stellen beschlossen, ihren Beamten zu empfehlen, sich am Boykott zu beteiligen.

Shell hatte schon damals ein Finanzsystem, das erlaubte, die Umsätze an den Tankstellen täglich zu beobachten. Tatsächlich gingen die Umsätze für Benzin und Dieseltreibstoff massiv zurück, in einigen Regionen um mehr als 50 Prozent. Und das wirkte. Am 20. Juni 1995, sieben Wochen nach der spektakulären Besetzung der Plattform durch Greenpeace, beschloss Shell, "Brent Spar" an Land zu ziehen und ordentlich zu verschrotten.

Die Lehre daraus: Die gemeinsame Boykottierung einer Marke kann Wirkung zeigen. Oder mit anderen Worten: Der Markt, der nach neoliberalem Verständnis ja alles bestens regelt, kann beeinflusst werden. Man muss es nur tun. Der Markt bist Du!

Amazon: Muss das sein?

Ich selber mache zum Beispiel um Amazon einen weiten Bogen. Dieser globale, gigantische Konzern ist bekannt dafür, seine Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen regelrecht auszunützen - vielleicht wäre "auszubeuten" sogar das treffendere Wort. In vielen Ländern beschäftigt er außerdem vor allem Leute, die er auf dem Umweg über eine Job-Ausleih-Agentur einstellt, damit er sie von einem Tag auf den anderen wieder entlassen kann. (Infosperber hat darüber berichtet .) Auf der anderen Seite ist der Gründer, Präsident, CEO, Chairman und Großaktionär des Konzerns, Jeff Bezos, der reichste Mann der Welt. Nach Schätzungen des US-amerikanischen Wirtschaftsmagazins Forbes von 2018 beläuft sich sein Reichtum auf 150 Milliarden Dollar - das wären 20 Dollar für jeden einzelnen Menschen auf unserem Planeten. Dieser Reichtum ist, im wörtlichen Sinne, unvorstellbar.

Warum soll auch ich noch Geld einer Firma zuführen, wenn ich weiß, dass sie ihre Leute miserabel bezahlt und immer mehr andere, kleinere Firmen verdrängt und kaputtmacht? Nein, da bin ich absolut konsequent. Noch habe ich nichts entdeckt, das ich unbedingt brauche und das ich nur über Amazon erhalten kann. Im Zweifelsfall nehme ich gerne auch einen höheren Preis in kauf. Bücher zum Beispiel kaufe ich ohnehin aus Überzeugung nur bei kleineren, unabhängigen Buchhandlungen.

Carrefour: Die Strategie zielt nur auf Marktmacht

Ich wohne einen Großteil des Jahres am Lago Maggiore. Nach Luino sind es nur wenige Kilometer. Was läge da näher, als in einen der beiden Supermarkets von Carrefour zum Einkaufen zu gehen, die beide an sieben Tagen in der Woche und an 24 Stunden im Tag offen haben. (Infosperber hat darüber berichtet .)

Aber nein, ich tue es nicht, ich gehe nicht zu Carrefour, aus Überzeugung. Carrefour rühmt sich, in über 30 Ländern weltweit tätig zu sein, 11.935 Läden zu führen und 384.000 Leute zu beschäftigen. Das Ziel des Retail-Konzerns allerdings ist es nicht. möglichst viele Leute gut und preisgünstig zu bedienen. Es ist die erklärte Strategie des Konzerns, nur in Ländern aktiv zu sein, in denen er die Chance hat, die Nr. 1 oder die Nr. 2 im Markt zu sein. Deshalb hat er sich, obwohl er bereits zwölf Läden in der Schweiz hatte, aus der Schweiz wieder zurückgezogen. Neben Coop und Migros hatte er keine Chance auf die Nr. 2. Aus dem gleichen Grund hat er sich zum Beispiel auch aus der Tschechischen Republik zurückgezogen. Es geht ihm allein um Marktmacht. Und Achtung: Wer Marktmacht sucht, der tut es, um dem Markt nicht ausgeliefert zu sein. Um trotz Konkurrenz die Preise hochhalten zu können, die eigenen Lieferanten aber trotzdem möglichst stark unter Druck zu setzen. In so einen Laden, ob Hypermarket, Supermarket oder was auch immer: Dahin geht kein Franken, kein Euro aus meiner Tasche hin.

Die automatische Kasse als Job-Killer

Und wenn wir schon beim Einkaufen sind: An so eine automatische Selbstbedienungskasse, wie sie jetzt mehr und mehr aufkommen, gehe ich auch nicht: aus Überzeugung. Ilija Trojanow, der Autor des Buches "Der überflüssige Mensch" , hat ausgerechnet, dass allein in den USA der Ersatz der bedienten Kassen durch die Selbstbedienungskassen 3,5 Millionen Kassenfrauen arbeitslos werden lässt. Und Achtung: Es sind nicht einfach Arbeitslose, es betrifft Frauen mit Familie, die nur als Kassenfrau die Chance haben, in Teilzeit-Arbeit ein kleines Zubrot zu verdienen, wenn der Lohn des Mannes tief ist und zum Unterhalt der Familie nicht ausreicht.

Und noch etwas: Wenn ich in einem Laden mit besetzter Kasse bin und dort auch mal ein paar Minuten warten muss, beobachte ich diese Situation sehr genau. Insbesondere ältere Frauen, gelegentlich auch ältere Männer, wechseln mit der Kassenfrau ein paar Worte. Nichts Weltbewegendes. Aber vielleicht ist es an diesem Tag besonders heiß oder auch besonders kalt draußen. Die alte Frau mit ihren sieben Sachen im Kunden-Trolly weiß es. Die Kassenfrau weiß es auch. Aber die alte Frau sagt es und sie erhält eine Antwort. Von einem lebenden Geschöpf. Verbunden mit einem Lächeln zum Beispiel. Fragen Sie eine Psychologin oder einen Psychiater, sie werden Ihnen erklären, wie wichtig menschliche Kontakte für alleinstehende Menschen sind. Und wenn es auch nur das gemeinsam erlebte Wetter draußen ist, das verbindet. Deshalb: Immer an die besetzte Kasse! Und wenn es dereinst Läden gibt, die nur noch Selbstbedienungskassen haben: Ich werde sie meiden - aus Überzeugung und aus Protest!

Kundenkarte? Nein danke!

Es gibt auch gute Gründe, auf sogenannte Kundenkarten zu verzichten. Warum müssen Migros, Coop, Aldi, Manor und wie sie alle heißen, alles über mich wissen? Warum wollen, warum müssen sie wissen, dass ich beim Toilettenpapier nicht die billigste Variante wähle, bei gewissen Produkten aber sehr wohl zu Produkten der Billig-Linie "Qualité&Prix" greife? Klar, sie machen Marktforschung und sie erstellen von mir ein sogenanntes Profil: Sie wollen die Möglichkeit schaffen, mich individuell zu bewerben. Und genau das will ich nicht! Wenn ich schon nichtssagende und irreführende Werbung über mich ergehen lassen muss - leider -, dann möchte ich die gleichen Werbebotschaften sehen wie meine Nachbarn, meine Freunde, das gleiche wie auch jene, die weniger Geld haben als ich, das gleiche wie auch jene, die mehr Geld haben als ich. Ich will mich von Migros, Coop, Aldi, Manor etc etc nicht einer Gesellschafts- und Einkommensklasse zuordnen lassen. Ich kaufe die Eier - aus Überzeugung - direkt bei einem Bauern, der Bio-zertifiziert ist. Ich sündige - mit einem leicht schlechten Gewissen - beim Kauf von Single Malt im Spezialgeschäft. Und ich will bewusst nicht das kaufen, was Coop, Migros, Aldi oder Manor mir beliebt zu machen versuchen, sondern gehe, gerade auch deswegen, am liebsten in den kleinen Dorf- oder Quartierladen, der sich Werbung im großen Stil schon gar nicht leisten kann. Aus Überzeugung!

Den Einwand, dass ich so deutlich mehr Geld ausgeben müsse bei meinen Einkäufen, kenne ich natürlich. Aber ich bin Historiker und habe Vergleichsmöglichkeiten. Vor hundert Jahren brauchten die meisten Leute - auch in der Schweiz - von ihrem Wochen- oder Monatslohn über 60 Prozent allein schon für die Lebensmittel, die sie für den Unterhalt ihrer Familie kaufen mussten. Darüber hinaus musste das Geld für die Miete reichen, für die Heizung. Schon für Kleider und Schuhe blieb wenig. Und wieviel für den Wahlbedarf? Das Wort gab es schon gar nicht. Und auch in der Mitte des letzten Jahrhunderts, in den ersten zwanzig Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg, lagen unter dem Weihnachtsbaum Päckli für die Kinder mit einem neuen Pullover, vielleicht mit einem neuen Hemd, oder auch mit neuen Socken. Man schenkte einander, was gebraucht wurde, was nötig war. Heute aber gibt in der Schweiz oder auch in Deutschland die Durchschnittsfamilie gerade noch 15 Prozent des Einkommens für Lebensmittel aus: nicht einmal ganz einen von 7 Franken!

Darum die Kopfrechnung: Wenn ich mit meinem Einkauf im Dorf- oder Quartierladen zehn Prozent mehr Geld ausgeben muss, als ich es im Supermarket ausgeben müsste, dann ist das ein Zehntel von den 15 Prozent, die ich für Lebensmittel ausgebe, oder also 1,5 Prozent von meinem Lohn oder meiner Pension. Das kann und das will ich mir leisten, um nicht zum Konsum-Sklaven der mehr und mehr globalen Marktgiganten zu werden.

Und ich zahle oft bar!

  1. Das hilft mit, die Jobs der Kassenfrauen zu erhalten.
  2. Das macht mich für die Marktforschung der Marktgiganten unsichtbar.
  3. Das ist ein Signal an die Banken, die das Bargeld schon lange am liebsten abschaffen würden ( siehe Dänemark ). Und beim nächsten Banken-Crash habe ich dann immerhin die Chance, noch ein paar Nötchen in der Tasche zu haben und ein paar Tage oder Wochen länger einkaufen gehen zu können, wenn die Geldautomaten schon alle gesperrt sind. Die Aussicht, diese Situation (noch) zu erleben, ist durchaus real.

Und wie auf Reisen?

Zum Glück besteht das Leben ja nicht nur aus Einkaufen. Gerade als Journalist bin ich ja oft auch unterwegs und auf Reisen. Wo also zum Beispiel übernachten?

Natürlich kenne ich booking.com , die Internet-Plattform, die einem sagt, wo es welche Hotels hat und über die ich auch direkt buchen kann. Für diese Dienstleistung wäre ich auch bereit, einen, zwei oder auch drei Euros zu bezahlen. Aber so ist es nicht. Das Hotel, das ich dann über booking.com buche, muss booking.com eine Provision zahlen - und nicht wenig! Das weiß ich spätestens, seit mir in Österreich ein Hotelchef an der Rezeption die Hand drückte und mir persönlich dafür dankte, dass ich direkt gebucht hatte.

Booking.com ist eines der weltweit größten E-Commerce-Unternehmen. Es empfiehlt in 145.000 Destinationen der Welt 29 Millionen Hotels und Gasthäuser zum Besuch und zur Buchung via booking.com, und dies in 40 Sprachen und mit Büros in 70 Ländern. In vielen Ländern ist die Marktmacht von booking.com so stark, dass dieser Konzern Hotels nur in sein Verzeichnis aufzunehmen bereit ist, wenn sie vertraglich garantieren, außerhalb von bookimg.com keine günstigeren Preise anzubieten. So kann der globale Konzern behaupten: die besten Preise über booking.com! Zum Glück ist das der Plattform booking.com in einigen europäischen Ländern mittlerweile verboten worden. In Deutschland etwa darf ein Hotel auf der eigenen Website sogar ausdrücklich darauf hinweisen: "Bei Direktbuchung 5 Prozent Direktbuchungs-Rabatt!" Nein, nicht dieser jetzt manchmal 5 Prozent Direktbuchungs-Rabatt wegen buche ich nicht über booking.com, sondern direkt. Ich buche direkt, weil ich mich dagegen wehre, dass mehr und mehr - nicht zuletzt kleine - Hotels von einer global agierenden Buchungsfirma abhängig werden.

Und was ist mit den Restaurants und Bars?

Sie vermuten richtig: Ich gehe in keinen McDonald’s . Warum soll ich in ein Lokal gehen, das vom globalen Konzern McDonald’s direkt oder auch über das Franchise-System betrieben wird? McDonald’s rühmt sich, in 120 Ländern aktiv zu sein, 37.000 Restaurants mit zusammen 1,8 Millionen Arbeitnehmern zu betreiben, und, vor allem, mit 22,8 Milliarden Dollars Umsatz 5,2 Milliarden Gewinn zu machen (Zahlen 2017). Das sind fast 23 Prozent Gewinn! Von den fünf Franken, die ich in einem McDonald’s für einen Kaffee zahle, geht also mehr als ein Franken vorbei an allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern direkt hinauf zu den Besitzern des Konzerns. Warum soll da auch ich noch mein Geld beisteuern? Da gehe ich doch lieber ein paar Schritte weiter, in das kleine Lokal, in dem mich - ein Familienbetrieb vielleicht - die Männer und Frauen hinter der Theke und im Service bestens bedienen, weil sie dankbar sind, dass ich komme. Und die mir so zulächeln, dass ich gerne wiederkomme!

Das gleiche gilt, notabene, für die Lokale von Burger King . Diese Gruppe hat, auch hier nach eigenen Angaben, in 88 Ländern zusammen 13.000 Restaurants mit 400.000 Mitarbeitenden.

Und das gleiche gilt für Starbucks mit 15.000 Kaffeehäusern in 50 Ländern. Starbucks ist fast zufällig auch bekannt geworden als cleverer Steuer-Optimierer. Der Konzern verschiebt seine Gewinne im großen Stil in Länder, wo die Steuern tief sind, unabhängig davon, wo die Gewinne erzielt worden sind.

Nicht ganz zufällig: McDonald’s und Starbucks haben ihren Geschäftssitz in den USA, King Burger in Kanada.

Was immer auch meine Freunde dazu denken: Diese Lokale meide ich - ja, aus innerer Überzeugung.

Die Liste ließe sich um etliche Positionen verlängern. Selbstverständlich kaufe ich auch nichts bei H&M . Warum soll ich mein Geld einer Firma bringen, die bewusst und rücksichtslos die Textilarbeiterinnen, in welchem Land sie auch immer für H&M arbeiten, regelrecht ausbeuten?

In einigen Fällen habe ich kapituliert

Sie haben natürlich recht: Auch ich arbeite auf einem Laptop eines sogenannten Global Player. Ich kaufte meinen ersten Apple Macintosh, wenn ich mich richtig erinnere, im Jahr 1988. Damals war diese Firma die kleine und äußerst kreative Alternative zum global marktdominanten System von Microsoft. Etliche meiner Bekannten runzelten die Stirn und meinten, Apple werde es nicht mehr lange geben. Aber Apple war innovativ und erfolgreich. Heute gehört das US-Unternehmen allerdings ebenfalls zu jenen Marktgiganten, denen es nicht mehr um Innovation und technischen Fortschritt geht, sondern nur noch um einen höheren Gewinn. Kann machgelesen werden bei Rana Foroohar .

Weiß mir jemand eine brauchbare Alternative? Beim PC hilft leider kein Dorf- und kein Quartierladen …

Und warum mache ich das alles so?

Ich war selber Manager in der Medien-Branche und weiß: Der Markt spielt nicht von selber, er wird gemacht. Die großen Firmen, die das Sagen haben, "investieren in den Markt", wie sie das nennen. Mit Werbung und Marketing wird ein neues Produkt so lange propagiert, bis es gekauft wird. Und dann - hinterher - behaupten die Manager: "Der Markt hat das so verlangt." Und sie sagen das wider besseres Wissen und Gewissen. Oder einfacher gesagt: Sie lügen.

Meine These: Würden mehr Leute darüber nachdenken, wo sie was kaufen und nicht allein aufgrund der Werbung und des Preisschildes entscheiden, unsere Welt sähe anders aus. Es ist überfällig, dass ein neuer Fall "Brent Spar" den Leuten die Augen öffnet, was da global gespielt wird, rücksichtslos gegenüber der Umwelt, und nur im Interesse der Besitzenden, der Reichen und Superreichen.

Vielleicht müssen wir bis zur nächsten Wirtschaftskrise warten, bis zum Beispiel die Gewerkschaften wieder zur internationalen Zusammenarbeit bereit sind oder auch die Konsumentenschutz-Organisationen international intensiver zusammenarbeiten. Oder auch um neue Bewegungen auf die Beine zu bringen, die mit gezielten Boykotten - als neue Form der demokratischen Demonstration - zeigen, wie auch globale Marktgiganten in die Knie gezwungen werden können, so wie damals Shell und Esso im Fall von "Brent Spar". Aber die Medien müssten ebenfalls mitspielen - zumindest mit korrekter Information.

Und da liegt das Problem: Auch die Medien, mit der Ausnahme der öffentlich-rechtlichen, gehören heute den Reichen, den Superreichen und den Oligarchen. So bleibt uns nichts Anderes, als tatsächlich bei uns selber anzufangen. So wie, erstaunlicherweise, Milosz Matuschek das in der NZZ gefordert hat: "Die Zeit zur umfassenden Renovierung des Systems wird knapp. Dank Rainer Mausfeld wird nun endlich klar, wo jeder ansetzen kann, um die Demokratie zu retten: bei sich selbst."

Der Markt bist Du! Um den Markt zu steuern, habe ich, hast Du, zu wenig Geld. Und doch kann ich, kannst Du den Markt beeinflussen: mit Verzicht, mit Boykott ausgewählter Marken. "Brent Spar" hat es bewiesen.

Nachtrag vom 3. Januar:

Auf NZZ online ist eben ein langer Bericht über die kassenlosen Einkaufsläden in den USA erschienen. Darin wird bestätigt, dass dadurch mehrere Millionen Arbeitsplätze für niedrig qualifizierte Leute verloren gehen, vor allem für Frauen. Wörtlich:

Die großen Verlierer der jüngsten Revolution werden niedrig qualifizierte Angestellte sein - schon wieder. Verkäufer und Kassierer zählen zu den gängigsten Berufen in Amerika. In den kassenlosen Supermärkten in San Francisco braucht es jedoch nur noch Personal, um die Regale aufzufüllen - und auch das dürften wohl eines Tages Roboter übernehmen. Eine im Frühjahr 2017 veröffentlichte Studie des Finanzdienstleisters Cornerstone Capital Group hat gezeigt, dass in den nächsten zehn Jahren bis zu 7,5 Mio. Stellen im Einzelhandel der Automatisierung zum Opfer fallen könnten. Kassierer zähle dabei zu den am einfachsten zu ersetzenden Berufen, schreiben die Autoren. Dies dürfte vor allem Frauen treffen - 73% des Verkaufspersonals sind laut der Studie weiblich.

Quelle: Infosperber.ch - 02.01.2019.

Veröffentlicht am

05. Januar 2019

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