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Nachruf auf Ludwig Baumann, Deserteur des II. Weltkrieges

Unermüdliches Engagement für die Anerkennung der Deserteure

Am 5. Juli 2018 starb Ludwig Baumann, Deserteur des II. Weltkrieges, im 97. Lebensjahr. Seit Jahrzehnten setzte er sich gemeinsam mit anderen Deserteuren seiner Zeit für die volle Rehabilitierung der von der NS-Justiz als Wehrkraftzersetzer und Verräter gebrandmarkten Menschen ein, die sich damals gegen das Unrechtsregime wandten. Er war Motor einer Bewegung, die an den verschiedensten Orten Deutschlands und Österreichs mit Deserteursdenkmälern eine wichtige Debatte über die Rolle der Wehrmacht im Nationalsozialismus, die Bedeutung der Desertion und Kriegsdienstverweigerung anstieß. Mit ihm verlieren wir einen wichtigen Mitstreiter für Frieden und Gerechtigkeit.

Ludwig Baumann war selbst gemeinsam mit seinem Kameraden Kurt Oldenburg 1942 aus der Wehrmacht desertiert. Sie wollten sich nicht länger an Kriegsverbrechen beteiligen. Die Bilder der Wochenschauen im Soldatenkino ließen die beiden fragen, was denn mit den Millionen russischen Kriegsgefangenen ist, die im eisigen Winter auf freiem Feld ausharren müssen. Es folgte die Gefangennahme, Verurteilung zum Tode, monatelange Haft in einer Todeszelle und schließlich KZ-Haft und "Bewährung" im Strafbataillon. Kurt Oldenburg überlebte nicht.

Ludwig Baumann musste nach dem Krieg erleben, dass seine Desertion und sein Einsatz gegen Kriegsverbrechen nicht honoriert wurde. Ganz im Gegenteil: Deserteure wurden als Vaterlandsverräter gebrandmarkt. Er versuchte, die Schmach im Alkohol zu ertränken. Erst als seine Frau starb, die ihm sechs Kinder hinterließ, begriff er, dass er sein Leben wieder in den Griff bekommen musste.

In den 80er Jahren war er dann einer der ersten, die öffentlich als Deserteur des II. Weltkrieges auftraten, unterstützt von einer Gruppe, die in Bremen-Vegesack ein erstes Deserteursdenkmal aufstellte. Dies war ein Fanal. Hier stand jemand auf, bekannte sich öffentlich zu seiner Entscheidung und forderte zugleich Gerechtigkeit ein. Es war der Anstoß zu einer Bewegung zur Anerkennung und Rehabilitation der Deserteure. Sein Auftreten stieß eine weitreichende Forschung an, mit der die Bedeutung und Motivation der Deserteure und Kriegsdienstverweigerer im Nationalsozialismus umgeschrieben werden konnte. Durch die neuere Forschung wurde erst öffentlich bekannt und anerkannt, dass 30.000 Todesurteile durch die NS-Militärjustiz gefällt wurden. Insgesamt desertierten etwa 350.000 bis 400.000 Soldaten.

In den nachfolgenden Jahrzehnten setzte sich Ludwig Baumann unermüdlich zusammen mit anderen Deserteuren des II. Weltkrieges für die Rehabilitation der Deserteure, Kriegsdienstverweigerer und Wehrkraftzersetzer ein. Er gründete mit ihnen die Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz ( http://www.bv-opfer-ns-militaerjustiz.de ). 1998 wurde das NS-Unrechtsaufhebungsgesetz beschlossen, das Kriegsdienstverweigerer und Wehrkraftzersetzer rehabilitierte, das erste Ergänzungsgesetz 2002 rehabilitierte pauschal homosexuelle NS-Opfer und die Deserteure der Wehrmacht, das zweite NS-Unrechtsaufhebungsgesetz 2009 schließlich auch die wegen Kriegsverrats verurteilten Opfer der NS-Militärjustiz.

Es war ein großes Glück, dass Ludwig Baumann sich so vehement auch noch im hohen Alter dafür engagieren konnte. Er führte immer wieder Veranstaltungen durch und sprach mit Abgeordneten im Bundestag. Wir erlebten ihn bei gemeinsamen Veranstaltungen als ein Mitstreiter, der sich ebenso für aktuelle Fälle von Kriegsdienstverweigerern und Deserteuren einsetzte, wie z.B. den Deserteuren der Kriege im ehemaligen Jugoslawien, US-Verweigerer und Deserteuren aus den Kriegen im Irak und Afghanistan.

Wir trauern um Ludwig Baumann. Ludwig Baumann wird uns sehr fehlen, als Unterstützer und Begleiter unserer Arbeit, als Freund, bei unserer Arbeit gegen Krieg, bei unserer Arbeit für Deserteure und Kriegsdienstverweigerer weltweit.

Quelle:  Connection e.V. - 06.07.2018.

Weblinks:

Veröffentlicht am

08. Juli 2018

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