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Michael Schmid: “Doppelmoral und Heuchelei selbst ernannter Law-and-order-Politiker”

Von Michael Schmid (aus: Lebenshaus Schwäbische Alb, Rundbrief Nr. 97, Juni 2018 Der gesamte Rundbrief Nr. 97 kann hier heruntergeladen werden: PDF-Datei , 1.008 KB. Den gedruckten Rundbrief schicken wir Ihnen/Dir gerne kostenlos zu. Bitte einfach per Mail abonnieren .)

Im Einleitungsartikel des Lebenshaus-Rundbriefs Nr. 97 berichtet Michael Schmid über den Auftakt des Staffellaufs "Frieden geht!" gegen Rüstungsexporte, geht dann auf die Gewalteskalation im Nahen und Mittleren Osten ein und auf das Massaker an palästinensischen Demonstrierenden; weitere Themen sind der "Tsunami der Empörung", der über die Geflüchteten in Ellwangen geschwappt ist, sowie die Kumpanei verantwortlicher Politikerinnen und Politiker mit der Autoindustrie beim Dieselabgasbetrug.

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

in meinem Leben habe ich schon an sehr vielen Laufveranstaltungen teilgenommen. Gerade sind wir aber von einer der für mich außergewöhnlichsten und wichtigsten zurückgekommen. Am 21. Mai wurde in Oberndorf am Neckar der einzigartige Staffellauf "Frieden geht!" gestartet, der bis 2. Juni 2018 über 1.100 Kilometer quer durch Deutschland bis Berlin führt. Bereits in den letzten Wochen und Tagen vor dem Start war aufgrund des zunehmenden Interesses zu spüren, dass dies eine aufsehenerregende Aktion werden wird, mit der ein deutliches Zeichen gegen die desaströse deutsche Rüstungsexportpraxis gesetzt werden kann. Dieser Eindruck hat sich für mich nach dem ersten Tag nochmals bestätigt. Bei der Auftaktkundgebung vor der Rüstungsschmiede Heckler & Koch in Oberndorf waren mehrere hundert Menschen versammelt, das Medieninteresse war groß. Und da ich gleich bei der ersten Etappe am Start war, konnte ich das tolle Gefühl genießen, unter großem Beifall auf die Strecke geschickt zu werden.

Bei herrlichem Wetter joggten wir unserem Etappenziel entgegen, das wir laut Planung nach 8,6 km erreichen sollten. Dass dann daraus über 13 km wurden, weil wir leider auf Abwege gerieten, war dann weniger berauschend. Jedenfalls möchte ich nicht annehmen, dass jemand die Schlagzeile des ZDF vom gleichen Tag: "Kilometer schrubben für den Frieden" so interpretiert hat, unseren Einsatzwillen durch ein paar Zusatzkilometer noch besonders demonstrieren zu wollen. Andererseits gehören beim Einsatz für den Frieden Umwege ja immer wieder mal dazu. Unserer Absicht, mit diesem deutschlandweiten Gemeinschaftsprojekt "Frieden geht!" gegen einen der weltweit größten Rüstungsexporteure zu protestieren, hat das jedenfalls keinen Abbruch getan.

Gewalteskalation im Nahen und Mittleren Osten

Besorgniserregend sind nicht nur Rüstungsexporte, sondern auch die massive Aufrüstung in zahlreichen Ländern, unter anderem durch die Bundesregierung. Zudem ist angesichts der jüngsten Entwicklungen zu befürchten, dass es zur weiteren Gewalteskalation im Nahen und Mittleren Osten kommt und die Chancen für eine friedliche Lösung der Konflikte abnehmen.

Ende April hat der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu Akten präsentiert, die belegen sollen, dass Iran über sein Atomprogramm lüge. Die Art und Weise, mit der er das tat, erinnerte doch sehr an Colin Powells peinlichen Auftritt vor dem UN-Sicherheitsrat 2003, bei dem dieser Unterlagen über angebliche Massenvernichtungswaffen im Irak präsentierte, um das militärische Eingreifen der USA im Irak zu rechtfertigen. Bereits am nächsten Tag widersprach die Internationale Atomenergiebehörde: Es gebe keine glaubwürdigen Hinweise auf ein iranisches Atomwaffenprogramm. Nichtsdestoweniger bestehe die Gefahr eines Krieges, weil die Interessen sowohl in Israel und USA als auch im Iran "auf Konfrontation ausgerichtet" seien, wie Prof. Udo Steinbach in der Tagesschau darlegte.Tagesschau:  Udo Steinbach, Nahost-Experte, zum iranischen Atomprogramm , 01.05.2018.

In der Mehrzahl der Berichterstattungen wird überhaupt nicht erwähnt, dass Israel seit langem mindestens 80 Atombomben und hochentwickelte Trägersysteme besitzt und damit die einzige Atommacht im Nahen Osten ist. Die westliche Welt duldet dies, während sie den Erwerb von Atomwaffen durch andere Staaten verurteilt.

Das Problem scheint sich mit dem US-Präsidenten Donald Trump verschärft zu haben, der Israels Politik der Stärke begrüßt und dem Regime Netanjahu freie Hand lässt bei dessen fortdauernden Rechtsbrüchen. So treibt Israel den illegalen Siedlungsbau voran und schafft vollendete Tatsachen.

Die oben erwähnte Ausrichtung auf Konfrontation nimmt beunruhigende Ausmaße an: Die schweren Raketenangriffe der israelischen Luftwaffe auf Syrien lassen einen direkten militärischen Konflikt zwischen Israel und Iran befürchten. Und US-Präsident Donald Trump ist inzwischen aus dem Atomabkommen mit dem Iran ausgestiegen und hält die Welt in Atem.

Massaker an palästinensischen Demonstrierenden

Zur Eskalation von Gewalt hat die Entscheidung von Trump beigetragen, die US-amerikanische Botschaft in die völkerrechtlich nicht anerkannte Hauptstadt Israels zu verlegen. Dass diese Entscheidung von 128 Ländern, darunter die gesamte Europäische Union, abgelehnt wurde, schert den Narzissten im Weißen Haus nicht. Trumps Entscheidung zur Botschaftsverlegung war dann Anlass zu Freitagsdemonstrationen im Gazastreifen, die am 30. März durch zivilgesellschaftliche Organisationen begonnen wurden. Bei jeder Demonstration, die unter dem Motto "Großer Rückkehrmarsch" stattfindet, gab es Tote und Verletzte durch israelische Scharfschützen. Am 14. Mai protestierten parallel zu den Eröffnungsfeierlichkeiten der US-Botschaft in Jerusalem schätzungsweise 35.000 Palästinenser erneut am Grenzzaun von Gaza. Die israelische Armee richtete ein wahres Massaker an. Alleine an diesem "Schwarzen Montag" starben 60 Palästinenser durch Angriffe der israelischen Armee, Tausende wurden verletzt. Seit Beginn der Proteste am 30. März bis 22. Mai wurden insgesamt 120 Palästinenser getötet, über 13.000 verletzt.

Die Bundesregierung hält sich aufgrund enger wirtschaftlicher und politischer Verflechtungen mit den USA und der besonderen Beziehungen zu Israel in ihrer Kritik zurück. Von ihr ist zu fordern, dass sie öffentlich klar diejenigen benennt, die aktuell zu mehr Gewalt in der Region beitragen. Und dass sie diejenigen unterstützt, die sich trotz aller Rückschläge und der schlimmen aktuellen Entwicklungen weiterhin unverdrossen für eine Eindämmung der Konflikte und für Prozesse hin zu Frieden und Gerechtigkeit in der Region einsetzen.

Tsunami der Empörung schwappt über die Geflüchteten

Ellwangen - diese beschauliche Stadt im baden-württembergischen Ostalbkreis hat in den vergangenen Wochen Schlagzeilen gemacht. "Aufstand in Ellwangen", "Flüchtlingsmeuterei", "gewaltsam vereitelte Abschiebung", "Attacke auf die Polizisten", "Abschiebeskandal" etc. hallte es nach einer zunächst misslungenen Abschiebung eines Flüchtlings aus Togo deutschlandweit durch den Blätterwald. Was wirklich in der Landeserstaufnahmestelle (LEA) in Ellwangen geschehen war, interessierte zumeist wenig. Der genaue Sachverhalt "ging in einer Welle hysterischer Meldungen aus Politik und Presse unter, in einem Empörungs-Tsunami über widerständige Afrikaner, die sich dem deutschen Asylgesetz und dann auch noch der deutschen Polizei widersetzten", stellt KONTEXT:Wochenzeitung fest. Die Ellwangen-Hysterie. Von Ralf Garmatter und Anna Hunger in: KONTEXT:Wochenzeitung, 09.05.2018.

AfD, CDU und CSU überschlagen sich jetzt vor Empörung und mit Forderungen nach einer härteren Gangart gegenüber Geflüchteten. Innenminister Horst Seehofer spricht von einem "Schlag ins Gesicht der rechtstreuen Bevölkerung", der CSU-Politiker Alexander Dobrindt hetzt mit Begriffen wie "Anti-Abschiebe-Industrie" gegen Geflüchtete und deren Unterstützende, Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) verkündet vor Fernsehkameras, dass es "keine rechtsfreien Räume" im Land geben dürfe.

In dieser aufgeladenen, hysterischen Stimmung findet sachliche, möglicherweise konstruktive Kritik an der Flüchtlingspolitik der Bundesregierung oder der Unterbringung in Sammelunterkünften wenig Gehör. Und dennoch sind gerade die Stimmen wichtig, die sich von dieser Hysterie weder anstecken noch mundtot machen lassen.

Betroffen vom Dieselabgasbetrug

Von Politikern im Zusammenhang mit Flüchtlingen gemachte Äußerungen wie "Schlag ins Gesicht der rechtstreuen Bevölkerung" und "keine rechtsfreien Räume" finde ich empörend. Zumal ich als persönlich Betroffener des VW-Abgasskandals gerade erlebe, wie die Politik die Vorstandsetagen der Autokonzerne als rechtsfreien Raum laufen lässt. Millionen von Bürgerinnen und Bürgern in unserem Land sind Opfer von skandalösen Betrügereien bei Diesel-Fahrzeugen. Als ich vor Jahren ein neues Auto gekauft habe, waren geringer Spritverbrauch und niedrige Abgaswerte die wichtigsten Kriterien für die Kaufentscheidung. Wenn überhaupt Autofahren, dann wenigstens mit einem etwas ruhigeren Gewissen. Für das als eines der Besten in der Klasse der Kleinwagen bewertete Auto war ich bereit, ein paar Tausender mehr drauf zu legen. "Bei diesem GreenLine freuen sich Umwelt und Klima", so das Motto in einschlägigen Magazinen. Und dann kam nach dem Entdecken des Abgasbetrugs im September 2015 nach und nach heraus, dass alles Lug und Betrug war, was auch bei meinem Auto versprochen wurde. Schweren Herzens musste ich erkennen, die Autohersteller tricksen, täuschen und betrügen, um ihre Fahrzeuge als sauber darzustellen.

Meine Hoffnung, die verantwortlichen Politikerinnen und Politiker würden nun konsequent gegen die Betrüger vorgehen und die Autokonzerne dazu verdonnern, Motoren älterer Dieselfahrzeuge sauberer zu machen, war leider vergeblich. Ich bin fast sprachlos, mit welch abgebrühter Kälte versucht wird, das Problem bei den betrogenen Käufern zu belassen. Und genauso rücksichtslos verhalten sie sich gegenüber vielen Menschen, die unter der verpesteten Luft leiden, krank werden, sterben. "Der Diesel-Abgasskandal zeigt Züge einer ‘organisierten Kriminalität’", stellt Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, fest. "Die Autokonzernbosse betreiben ‘vorsätzliche Körperverletzung mit Todesfolge in vielen tausend Fällen’ und die Bundesregierung hilft ihnen auch noch dabei, obwohl sie nach EU-Recht verpflichtet wäre, einzuschreiten."

Kumpanei mit Autoindustrie

Übrigens war Alexander Dobrindt (CSU) die allermeiste Zeit seit Aufdeckung des Diesel-Abgasbetrugs verantwortlicher Bundesverkehrsminister. Statt seine Verantwortung im Sinne der betrogenen Dieselfahrer und der Gesundheit der Bevölkerung wahrzunehmen, ist er eher als Kumpan der Autobosse aufgefallen.

Inzwischen ist er nicht mehr Verkehrsminister, sondern CSU-Landesgruppenchef im Bundestag. Derzeit wettert er gegen eine "Anti-Abschiebe-Industrie" und sieht Klagen gegen die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber als Sabotage des Rechtsstaates. "Die Anti-Abschiebe-Industrie nutzt die Mittel des Rechtsstaates, um ihn durch eine bewusst herbeigeführte Überlastung von innen heraus zu bekämpfen", sagte Dobrindt der Bild am Sonntag. "2015 wurden unsere Grenzen überrannt, jetzt versuchen Abschiebe-Saboteure das Gleiche mit unseren Gerichten."

Wir lassen in diesem Rundbrief ein paar der von Dobrindt übel verleumdeten Menschen zu Wort kommen, Menschen, die sich für die Menschenrechte der betroffenen Geflüchteten engagieren.Siehe Das meint die "aggressive Anti-Abschiebe-Industrie" .

Mir drängt sich auch die Frage auf, was Dobrindts Äußerungen bedeuten, werden diese auf den Fall des Dieselbetrugs übertragen. Wenn betrogene Käufer wegen völligem Politikversagen mit Hilfe von Anwälten gegen Autokonzerne vorgehen und notfalls vor Gerichten ihre Rechte einklagen, dann sabotieren sie den Rechtsstaat? Da Millionen betrogen wurden, könnte in der Tat massenhaft geklagt werden, zumindest wenn die Autokonzerne nicht einlenken und die Politik sie weiter gewähren lässt.

Es ist diese Doppelmoral und Heuchelei selbst ernannter Law-and-order-Politiker wie Dobrindt und Seehofer, die eigentlich immer wieder Thema im öffentlichen Diskurs sein müsste.

25 Jahre Lebenshaus

Es gibt unseren Verein Lebenshaus Schwäbische Alb - Gemeinschaft für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Ökologie nun seit 25 Jahren. Ein Vierteljahrhundert - mir kommt es so vor, als ob diese Zeit wie im Fluge vorübergegangen ist. Allerdings war sie ausgefüllt mit vielerlei Aktivitäten, mit unzählig vielen Begegnungen - schwierigen wie guten; auf diesem Weg hat sich vieles entwickelt, manches anders als gedacht und erhofft. Über Erfolge und Misserfolge lässt sich oft eher spekulieren, als solche faktisch festzustellen. Natürlich gibt es einiges Sichtbares, das gelungen ist. Aber Manches entfaltet seine Wirkung eher unsichtbar oder die Wirkung wird erst viel später sichtbar. Siehe auch: Grußworte und Zuschriften zum 25-jährigen Lebenshaus-Jubiläum .

Herzlich bedanken möchte ich mich bei allen Menschen, die das durch ihre Unterstützung ermöglich haben. Mit großer Freude und Lust wollen wir uns weiter engagieren und hoffen dabei auf Ihre/Deine weitere Begleitung.

Herzliche Grüße

Euer / Ihr

Michael Schmid

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Fußnoten

Veröffentlicht am

01. Juli 2018

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