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Trump/Kim: Haut oder Hemd

Es ist so etwas wie ein Glücksfall für den US-Präsidenten, dass der Gipfel mit Nordkorea doch zustande kommt. Er kann sich in Singapur als Friedensstifter inszenieren

Von Lutz Herden

Präsident Donald Trump ist sich selbst der Nächste, aber nicht allein auf sich angewiesen, auch auf die Nachrichten, die er produziert, um sich gefällig zu sein. Vom USA-Nordkorea-Gipfel am 12. Juni in Singapur sollte anfangs offenbar die Botschaft ausgehen, es sei zu einem Tausch gekommen. Gegen die Genugtuung, mit einem US-Präsidenten direkt verhandeln zu dürfen, wie sie noch keinem nordkoreanischen Staatschef zuteil wurde, opfert der sein Recht auf Selbstverteidigung. Für Nordkorea wird das bekanntlich durch die Fähigkeit zur nuklearen Vergeltung wahrgenommen. Wer das Land angreift, muss damit rechnen, sich selbst schwer zu schädigen, womöglich ein nukleares Inferno auszulösen.

Die zwar irreale, aber naheliegende Annahme Trumps, dass er in Singapur als Triumphator auftreten und wie gewohnt ein Papier in die Kameras halten würde, das den Verzicht Nordkoreas auf sein Atomarsenal festhielte, musste sich als Trugschluss erweisen. Es war nicht nur realitätsblind, sondern auch unprofessionell, dass Sicherheitsberater John Bolton öffentlich tönte, es gehe eigentlich nur noch darum, Ort und Zeitpunkt für die Verschrottung der nordkoreanischen Kernwaffen auszuhandeln. Man beleidigt Verhandlungspartner, indem man ihnen zutraut, ihr Heil in der Kapitulation zu suchen. Und man beschädigt sie vorsätzlich und unnötig, da Kim Jong-un mit seiner Goodwill-Politik in der eigenen Generalität mindestens Bedenken auslöst. Wenn nicht mehr.

Und überhaupt, warum sollte er sich für den flüchtigen Moment eines Gipfels und Handschlags mit Trump selbstmörderischer Wehrlosigkeit überlassen? Wird einem ein Hemd geschenkt, muss man sich dafür nicht mit seiner Haut revanchieren. Zumal die derzeitige US-Administration durch ihren Umgang mit dem Iran-Abkommen überzeugend bewiesen hat, dass auf sie als Vertragspartner kein Verlass ist. Und als Gipfelpartner? Am 24. Mai wird Pjöngjang mit einer Absage des Treffens bedacht, zwei Tage später mit einer vorsichtigen und am 1. Juni mit einer definitiven Absage der Absage. Da ist die US-Luftwaffe um einiges berechenbarer, die diesmal davon absah, bei den üblichen Manövern Ende Mai die koreanische Halbinsel mit B-52-Bombern zu überfliegen.

Augenscheinlich will der USPräsident diesen Gipfel, weil er ihn braucht. Seine außenpolitischen Rundumschläge vom Veto gegen eine verbindliche internationale Klimapolitik bis zu den jüngsten Strafzöllen hinterlassen zu viel Scherben, als dass vom Matador mehr als der Trampel übrigbliebe. Wer könnte besser geeignet sein, diesen Eindruck zu korrigieren, als Kim Jong-un? Er kommt von einem anderen Planeten, entstammt einer einmaligen ideologischen Biosphäre - und ist doch kein Exot. Nordkoreas Führer hat sich als flexibler Taktiker erwiesen, der auf den zunächst abgesagten Singapur-Gipfel durch einen zweiten Panmunjom-Gipfel mit dem südkoreanischen Präsidenten Moon innerhalb kurzer Zeit reagiert hat. Zudem quittierte er Trumps temporären Gipfelverzicht staatsmännisch gelassen. Als sei nicht viel passiert: nur verschoben, nicht aufgehoben.

Unverhofft bot sich Trump damit eine zweite Chance. Warum die nicht nutzen? Bei einem Widerpart wie Kim kann er sich besser in Szene setzen als bei Merkel und Macron, die zu sehr auf ihn angewiesen sind, um eine wirkliche Herausforderung zu sein. Bei Kim ist das anders. Und das zählt, auch wenn er seine Raketen nach Singapur erst einmal behalten dürfte.

Quelle: der FREITAG vom 10.06.2018. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Verlags.

Veröffentlicht am

11. Juni 2018

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